FG Münster: Verfassungsmäßigkeit der Höhe von Säumniszuschlägen
Hintergrund
Das Bundesverfassungsgericht hatte mit Beschluss vom 8. Juli 2021 (1 BvR 2237/14, 1 BvR 2422/17entschieden, dass verfassungsrechtliche Zweifel an der Höhe der Vollverzinsung (§§ 233a i. V. m. 238 AO) ab dem Veranlagungszeitraum 2014 bestehen. Ausdrücklich hatte der erkennende Senat die Unvereinbarkeitserklärung nicht auf die anderen Verzinsungstatbestände (§§ 234, 235 und 237 AO).
Säumniszinsen sind nicht mit Verzugszinsen des BGB gleichzusetzen, sondern ein Druckmittel eigener Art, das den Steuerpflichtigen zur rechtzeitigen Zahlung anhalten soll, sie haben also eine Druckfunktion. Sie dienen außerdem dem Ausgleich für die unterbliebene oder verspätete Zahlung fälliger Steuern und für Verwaltungsaufwendungen, die bei den verwaltenden Körperschaften dadurch entstehen, dass eine fällige Steuer nicht oder nicht fristgemäß gezahlt wird. Sie haben somit also auch eine Ausgleichsfunktion. In dieser zweiten Funktion entsprechen Säumniszuschläge den Aussetzungs- (§§ 237, 238 AO) oder Stundungszinsen (§ 234 AO), die unabhängig von einem Verschulden des Steuerschuldners anfallen (BFH Urteil vom 17. September 2019, VII R 31/18, Rz. 22).
In dem Verfahren stritten (Az. 12 V 2684/21) die Beteiligten über die Verfassungsmäßigkeit der Höhe der in einem Abrechnungsbescheid ausgewiesenen Säumniszuschläge zur Grunderwerbsteuer 2019 in Höhe von X €.
Der erkennende 12. Senat des FG Münster hat in den Beschlussgründen u.a. wie folgt ausgeführt: „In seiner Entscheidung vom 31.08.2021 (Az.: VII B 69/21) führt der BFH aus, die verfassungsrechtlichen Zweifel gelten aus seiner Sicht jedenfalls insoweit, als Säumniszuschläge nicht die Funktion eines Druckmittels zukommt, sondern die Funktion einer Gegenleistung oder eines Ausgleichs für das Hinausschieben der Zahlung fälliger Steuern, mithin also eine zinsähnliche Funktion. Diese einschränkende Äußerung dürfte nach Ansicht des erkennenden Gerichts darauf beruhen, dass sich das Aussetzungsbegehren in dem dort zugrunde liegenden Verfahren auf die Hälfte der Säumniszuschläge, und zwar den in den Säumniszuschlägen enthaltenen Zinsanteil, beschränkt hat, so dass der BFH keine Entscheidung über eine darüber hinausgehende Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung zu treffen hatte.
Da die Regelung zur gesetzlich festgelegten Höhe der Säumniszuschläge nach Auffassung des Senats allerdings nur insgesamt verfassungsgemäß oder verfassungswidrig sein kann und es keine Teil-Verfassungswidrigkeit in Bezug auf einen bestimmten Zweck einer Norm geben kann, gebieten die bestehenden Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Höhe der Säumniszuschläge, die zumindest der BFH bereits geäußert hat, vorliegend eine vollständige Aufhebung der Vollziehung des Abrechnungsbescheides über die Säumniszuschläge zur Grunderwerbsteuer 2019. Das Gericht schließt sich insoweit den benannten Entscheidungen des BFH an.“
Hinweis
Das Finanzamt hat die vom Senat zugelassene Beschwerde eingelegt. Der Senat hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Bundesfinanzhof (BFH) zur Entscheidung vorgelegt. Es bleibt daher abzuwarten, wie der BFH entscheiden wird.
In der Steuerinfo 1/2022 hatten wir über den BFH-Beschluss vom 31. August 2021 (Az.: VII B 69/21) berichtet. Die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Höhe der Säumniszuschläge wird zunehmend die Finanzgerichte beschäftigen. Ob der Gesetzgeber einer möglichen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zuvorkommt und z. B. im Rahmen der aufgegebenen Neuregelung der Vollverzinsung (§§ 233a i. V. m. 238 AO) aufgreift ist offen.