Zentralverband des
Deutschen Handwerks
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Auf Schritt und Tritt in die Selbständigkeit

Zwei junge Orthopädieschuhmachermeister mit unterschiedlichen Temperamenten vereint die Leidenschaft zu ihrem Handwerk und der Mut zur Geschäftsgründung mitten in der Corona-Pandemie.
    Die beiden Orthopädieschuhmacher und Unternehmer Patrick Berkel und Volkan Midik in ihrem Büro.

    "Das gleiche Ziel zu haben, schweißt zusammen," meinen die Jungunternehmer Patrick Berkel und Volkan Midik.

    26 Knochen, 9 Gelenke, zahlreiche Muskeln und Sehnen im Fuß sorgen – im Idealfall – für einen geschmeidigen Gang und gutes Stehvermögen. Wird das Zusammenspiel dieser Komponenten gestört, sei es durch Unfälle oder Verletzungen, aber auch durch falsches und unpassendes Schuhwerk, ist die Hilfe eines Experten notwendig: Orthopädieschuhtechnikerinnen und -techniker leisten eine höchst anspruchsvolle, absolut notwendige Arbeit in einem Beruf mit sicherer Zukunft.

    Zwei Handwerksunternehmer, die diesen Weg genommen haben, sind Patrick Berkel und Volkan Midik. Die Meisterprüfung legten sie 2014 bei der Handwerkskammer Düsseldorf (Berkel) beziehungsweise 2017 an der Bundesfachschule in Hannover (Midik) ab; heute betreiben sie gemeinsam in Remscheid-Lennep einen Orthopädieschuhtechnikbetrieb. Der Standort wurde mit Sorgfalt gewählt: gut zu erreichen über wichtige regionale Verbindungsstrecken, keine Mitbewerber in der Nähe, und fußläufig zur Lenneper Altstadt.

    Gründung auf gesunden Füßen

    Die Jungunternehmer hatten schon länger mit dem Gedanken der Betriebsgründung gespielt, als 2019 alles plötzlich ganz schnell ging. Als sich auf dem Immobilienmarkt, eher aus Zufall, etwas Passendes fand, griffen sie zu. Den Umbau der ehemaligen Büro- und Gewerbeflächen in moderne Verkaufs- und Behandlungsräume mit Werkstatt stemmten sie größtenteils im Alleingang. Günstig für ihr Vorhaben waren vor allem die zentrale Lage, ausreichend Platz für Kundenparkplätze und ein ebenerdiger Eingang. Der barrierefreie Zugang ist dabei nicht nur praktisch, sondern für die Präqualifizierung (früher: Kassenzulassung) sogar unabdingbar. Die beiden Handwerker hatten bereits so viel Erfahrung gesammelt, dass sie ihren geschäftlichen Neustart bestens absichern konnten. Sie belegten einschlägige Kurse, schrieben einen Businessplan und nahmen die Unterstützung durch einen Betriebsberater der Handwerkskammer in Anspruch – „damit das Ganze auf gesunden Füßen steht“, lächelt Midik.

    Die Mischung macht’s

    Das Risiko, dass man sich nicht versteht, war indessen überschaubar: Als Kollegen im renommierten Sanitätshaus Beuthel hatten sie sich kennen- und schätzen gelernt. Berkel war dort der Ausbilder des jüngeren Midik, beide waren zuletzt in verantwortlichen Positionen tätig. Ein Zwei-Mann-Team mit der richtigen Mischung, bei der sich auch die unterschiedlichen Temperamente – Berkels eher besonnene und Midiks unbekümmerte Art – zu ergänzen scheinen. Bis auf „normale“ kleine Meinungsverschiedenheiten ist man sich einig: „Das gleiche Ziel zu haben, schweißt zusammen!“

    Der persönliche Weg in die Selbständigkeit

    Die Motivation für die Selbstständigkeit zu ergründen, ist nicht schwer. Wer meint, die Arbeit in einer großen Firma biete mehr Abwechslung als zu zweit ein kleines Unternehmen Schritt für Schritt aufzubauen, wird schnell eines Besseren belehrt: In einem großen Sanitätshaus kann die Tätigkeit stark spezialisiert sein. Und was noch schwerer wiegt: Der Kontakt mit den Kundinnen und Kunden kommt unter Umständen zu kurz. Dabei ist ein persönlicher Ansprechpartner gerade in einem Gesundheitshandwerk wie dem ihren nicht hoch genug einzuschätzen.

    Sicherlich ist Midik in seinem Wunsch, sich in der Selbstständigkeit zu verwirklichen, sein eigener Herr zu sein, auch geprägt von seinem Onkel, der selbst in Wuppertal-Elberfeld eine Mischung aus Schuhmacherei und Cafébar betrieb. Und der dem jungen Volkan, der mit sechs Jahren als Flüchtling nach Unruhen in den kurdischen Gebieten der Türkei nach Deutschland kam, immer wieder auf die Füße half. Der familiäre Rückhalt war ein fester Ankerpunkt, um nach vielen Ortswechseln über Bremen, Hamburg, Hagen, Hannover und Anläufen in verschiedenen Jobs schließlich im Orthopädieschuhmacher-Handwerk zu bestehen. Trotz fortgeschrittenen Alters setzte sich der handwerklich geschickte Midik bei der Bewerbung für die Lehrstelle durch und ging fortan seinen Weg – erst mit dem Abschluss als Geselle, dann als Meister und jetzt als Betriebsgründer.

    Digital zur idealen Schuheinlage

    Patrick Berkel fand über verschiedene Praktika in den Beruf, der sich beim Probearbeiten als ungeheuer vielseitig herausstellte: Es gefiel ihm, dass es neben dem handwerklichen Können um den Umgang mit Kunden und Patienten ging und er Einblick in die Arbeit im Krankenhaus oder in Rehabilitationszentren bekam. Auch der technische Fortschritt ist faszinierend. So ist der 3 D-Druck keine Zukunftsmusik mehr. Und Fußscan sowie Druckmessung gehören schon fast zum Standard. Auch Berkel und Midik haben in eine hochwertige Ausstattung investiert und erläutern die Vorteile: „Der Scan wird direkt auf die Einlage projiziert. So kann sie noch besser angepasst werden.“ Gleichzeitig sind herkömmliche Methoden nicht verschwunden. So wird nach wie vor mit Hilfe von Gips ein Negativ vom Fuß genommen; das daraus gefertigte Positivmodell, ein Holzleisten, schleift der Orthopädieschuhmacher so zurecht, bis es als Grundlage für den individuellen Schuh dienen kann. Modisch sind übrigens auch beim orthopädischen Schuh dem Geschmack keine Grenzen gesetzt.

    Mut wird belohnt

    Ihr neues Unternehmen Anfang April 2020, mitten in der ersten Corona-Welle, zu eröffnen, war nicht ideal, vielleicht sogar mutig. Aber der Erfolg hat sich so nachhaltig eingestellt, dass schnell die nächste Erweiterung anstand, ein kleiner Umbau in der Werkstatt. Die Auftragslage ist gut – so gut, dass Berkel und Midik schon einen Gesellen als Mitarbeiter eingestellt haben. Und vorhaben, ab dem nächsten Jahr auszubilden.

     

    • Portraitaufnahme von Volkan Midik bei der Arbeit.

      Sein handwerkliches Geschick verhalf Volkan Midik zuerst zum Ausbildungsplatz und dann zum Einstieg in den Beruf; inzwischen Meister, liebt er es, sein eigener Herr zu sein.

    • Portraitaufnahme von Patrick Berkel bei der Arbeit.

      Patrick Berkel schätzt an seinem Beruf das Handwerkliche, aber auch den persönlichen Kontakt mit den Menschen.

    Diese Story ist eine gekürzte Fassung und erschien zuerst im Werkstattbericht der Handwerkskammer Düsseldorf.

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