Green Deal: Das Handwerk als starker Partner

Foto: AdobeStock/howtogoto
Das Handwerk als starker Partner bei der Umsetzung des Grünen Deals
Das globale Klima verändert sich und es besteht Einigkeit darüber, dass diese Veränderungen durch unsere Lebens- und Wirtschaftsweise verursacht werden. Die Verpflichtung im Rahmen des Pariser Klimaschutzabkommens von 2015, die globale Erwärmung auf höchstens 2, besser aber 1,5 Grad zu begrenzen, ist deshalb ein wichtiges Ziel. Denn die Häufung von extremen Wettereignissen – Hitzeperioden, Starkregen, Überschwemmungen und Dürre – bedroht in zunehmendem Maße die Grundlagen unseres Wohlstands und nicht zuletzt die Zukunft unserer mehr als 1.000.000 Betriebe allein in Deutschland. Das Handwerk begrüßt deshalb die Bemühungen der EU, den Ausstoß von klimaschädlichen Gasen zu begrenzen und den Wandel hin zu einem klimaneutralen Europa bis 2050 im Rahmen des Grünen Deals maßgeblich voranzutreiben. Schon heute können die demokratisch legitimierten Entscheidungsträger auf unsere Betriebe und ihre Fachkräfte als eine wichtige Säule der Nachhaltigkeit zählen: Wir stärken regionale Wirtschaftskreisläufe und sind starke Partner vor Ort. Wir schaffen kurze Wege, reparieren, restaurieren, beraten, schulen, warten, bilden aus, planen und setzen Effizienzmaßnahmen um. Der am 11. Dezember 2019 vorgestellte Grüne Deal samt Anhang markiert den Beginn einer umfassenden Transformation unserer Staatengemeinschaft, die zahlreiche legislative und strategische Initiativen über alle Politikbereiche hinweg anstoßen wird.
Umfassende Sanierungsstrategie
In der Mitteilung zum Grünen Deal fordert die Kommission eine Verdopplung der Sanierungsquote, Sanierungshemmnisse sollen im Rahmen einer neuen Akteursplattform identifiziert werden. Geprüft wird ferner die Einbeziehung des Gebäudesektors in das ETS (siehe unten: CO2-Bepreisung). Darüber hinaus wird derzeit die Bauprodukteverordnung überarbeitet. Ziel ist unter anderem, dass Neu- und Bestandsbauten im gesamten Lebenszyklus den Erfordernissen von Kreislaufwirtschaft, Digitalisierung und Klimaschutz entsprechen. Ein umfassender Ansatz wird mit der sogenannten "Renovierungswelle" erwartet, die entsprechende Mitteilung der EU-Kommission soll im Oktober 2020 kommen.
Anmerkungen aus Handwerkssicht: Wir begrüßen diesen Vorstoß, geben aber gleichsam zu bedenken, dass eine Verdopplung der Sanierungsquote erheblicher Anstrengungen bedarf. Die steuerliche Sanierungsförderung im Rahmen des gerade verabschiedeten deutschen Klimapakets, könnte anderen Mitgliedsstaaten als Vorbild dienen. Darüber hinaus sind Sanierungsvorhaben im Quartiersansatz sinnvoll, sofern diese Vorhaben aufgrund mangelhafter Ausschreibungsbedingungen KMU nicht ausschließen.
Neue Klimaziele
Die EU-Kommission hat im September 2020 die Anhebung des bisher vereinbarten Reduktionsziels von 40% (bezogen auf 1990) für 2030 im Rahmen einer ausführlichen Folgenabschätzung geprüft, 55% seien demnach ökonomisch machbar und ökologisch sinnvoll. Eine Anhebung von mindestens 50% gilt derzeit als sicher, das EU-Parlament forderte in seiner Resolution vom 14.01.2020 bereits eine verbindliche Erhöhung auf 55%. Dies wurde seitens des Parlaments später auf 60% erhöht. Darüber hinaus soll das strategische Ziel der Klimaneutralität bis 2050 im vorgeschlagenen Klimagesetz verbindlich verankert werden. Die interinstitutionellen Verhandlungen zwischen Parlament und Rat werden zeigen, wo genau zwischen 50-60% ein Kompromiss zu finden ist.
Anmerkungen aus Handwerkssicht: Das Handwerk sieht sich als Mitgestalter der Nachhaltigkeitswende in der Verantwortung, zur Umsetzung des Pariser Klimaschutzabkommens beizutragen. Kurzfristige Zielverschärfungen schaffen jedoch Unsicherheiten für die Wirtschaft. Wir plädieren für einen verlässlichen und realistischen Fahrplan, Klimaziele sollten so früh wie nötig und so langfristig wie möglich gelten. Die im Vorschlag zum Klimagesetz genannten Zeiträume (alle fünf Jahre) sehen wir daher kritisch.
Überprüfung zahlreicher Rechtsvorschriften
Als Folge der Anhebung des Reduktionsniveaus bei Treibhausgasen sollen bis Juni 2021 u.a. die Energieeffizienzrichtlinie, die Lastenteilungsverordnung, Emissionshandelsrichtlinie, die Richtlinie über erneuerbare Energien und die Abgasnormen für Fahrzeuge überarbeitet werden. Außerdem soll die Richtlinie zur Energiebesteuerung überarbeitet und u.a. das Einstimmigkeitsprinzip in Energiefragen aufgegeben werden.
Anmerkungen aus Handwerkssicht: Analog zum Klimagesetz halten wir kurzfristige Zielanhebungen für wenig sinnvoll. Unsere Betriebe wie ihre Kunden könnten durch unverlässliche Rahmenbedingungen für die Zielerreichung förderliche Investitionen in der Erwartung aufschieben, es könnten künftig andere Anforderungen gelten. Darüber hinaus stellt die Abkehr vom Einstimmigkeitsprinzip bei Steuerfragen einen aus unserer Sicht nicht akzeptablen Eingriff in das Subsidiaritätsprinzip dar.
Kreislaufwirtschaft
Der neue Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft wird in den kommenden Jahren insbesondere die Sektoren Bau, Textil, Elektronik und Kunststoff als Schwerpunkte haben. Der Plan soll die Bemühungen für kreislauforientiertes Produktdesign und Reparaturfähigkeit weiter stärken, darüber hinaus die Ansätze der 2018 veröffentlichten Kunststoffstrategie weiterverfolgen.
Anmerkungen aus Handwerkssicht: Eine weitere Förderung der Reparaturfähigkeit und Langlebigkeit von Produkten im Rahmen zeitgemäßer Ökodesignanforderungen halten wir für sinnvoll. Unsere Betriebe erwirtschaften 6% ihres Umsatzes mit Reparaturdienstleistungen. Dieses Potenzial gilt es, weiter auszuschöpfen und im Sinne der Kreislaufwirtschaft zu fördern. Eine EU-weite Einführung von Abgaben auf Kunststoffabfälle lehnen wir ab. Die Mitgliedsstaaten brauchen hier den Freiraum, um die für ihre jeweiligen Strukturen am besten wirksamen Instrumente zur Zielerreichung anpassen und einsetzen zu können.
Umweltinformationen
Umweltbezogene Angaben sollen künftig mittels Standardmethode verlässlich Umweltrisiken belegen, um ein Greenwashing zu verhindern.
Anmerkungen aus Handwerkssicht: Eine verpflichtende Einführung von Labels lehnen wir ab. Insbesondere für unsere Betriebe, die in kleinen Serien und Einzelanfertigungen produzieren, wären die Kosten solcher Labels nicht darstellbar.
Nachhaltige Mobilität
2020 soll eine neue Mobilitätsstrategie entwickelt werden, u.a. mit dem Ziel, 75% des derzeitigen Straßengüterverkehrs auf Schiene und Wasserstraßen zu verlegen. Die Ausweitung des ETS auf den Straßenverkehrssektor soll geprüft werden. Zudem soll die Richtlinie über alternative Kraftstoffe überarbeitet werden, die die Lade- und Tankstelleninfrastruktur im öffentlichen Raum regelt. Die Elektromobilität soll weiter ausgebaut und bis 2025 etwa 1 Million Ladestationen für dann 13 Millionen E-Fahrzeuge installiert werden.
Anmerkungen aus Handwerkssicht: Angesichts steigender Zahlen scheint die geforderte Verlagerung des Straßengüterverkehrs auf Schiene und Gewässer in den genannten Dimensionen wenig realistisch. Die Ausweitung des ETS auf den Straßenverkehrssektor ist grundsätzlich ein begrüßenswerter Ansatz, der effizient zur Treibhausgasminderung beitragen kann und langfristig als marktbasiertes Instrument Abgasnormen ersetzen könnte. In Mobilitätsfragen plädieren wir für einen technologieoffenen Ansatz, eine einseitige Förderung der E-Mobilität zu Lasten wichtiger weiterer Antriebsformen (z.B. für Transporter) ist nicht sinnvoll.
Schadstofffreie Umwelt
Für 2021 ist die Veröffentlichung eines neuen Aktionsplans Luftreinhaltung geplant. Schärfere Grenzwerte für bestimmte Luftschadstoffe werden geprüft. Im Oktober 2020 soll darüber hinaus eine Nachhaltigkeitsstrategie für Chemikalien vorgelegt werden.
Anmerkungen aus Handwerkssicht: Schärfere Grenzwerte für Luftschadstoffe sind ein Instrument, das nicht an den Quellen ansetzt und nur begrenzt Wirkung entfalten kann. Wir setzen uns daher für einen quellenbezogenen Ansatz ein, bei dem Schadstoffausstöße vermieden werden.
Finanzierung der Nachhaltigkeitswende
Im Januar 2020 hat die Kommission als Teil des Grünen Deals eine Strategie zur Finanzierung der europäischen Nachhaltigkeitswende vorgelegt. Sie trägt den Namen „Sustainable Europe Investment Plan“ (SEIP) (bzw. „European Green Deal Investment Plan“ (EGDIP)) und beinhaltet unter anderem den „Just Transition Mechanism“. Über die nächsten zehn Jahre soll der SEIP mindestens eine Billion Euro (engl. „one trillion“) an nachhaltigen Investitionen ermöglichen.
Anmerkungen aus Handwerkssicht: In den kommenden Jahren und Jahrzehnten werden erhebliche Mittel zur Finanzierung der Nachhaltigkeitswende erforderlich, sodass die Bemühungen der EU in diesem Bereich grundsätzlich zu begrüßen sind. Es muss allerdings darauf geachtet werden, dass die Umschichtung von Mitteln nicht zu neuen Lücken in anderen wichtigen Bereichen mit KMU-Relevanz führt.
Parallel dazu wird im Rahmen der europäischen "Nachhaltigen Finanzierungsstrategie" ein Klassifizierungssystem für die Nachhaltigkeit von wirtschaftlichen Aktivitäten entwickelt - die sogenannte Taxonomie. Hier finden Sie weitere Infos zu diesem Thema aus Handwerkssicht.
Reform der Steuersysteme
Nachhaltiges Verhalten von Verbrauchern und Herstellern soll durch geeignete Preissignale unterstützt werden. Umfassende Steuerreformen auf nationaler Ebene sollen deshalb Subventionen für fossile Energieträger beseitigen sowie die Besteuerung von umweltschädlichem Verhalten vorantreiben.
Anmerkungen aus Handwerkssicht: Die langfristige Beseitigung von Subventionen auf fossile Energieträger ist sinnvoll, muss aber politisch entsprechend begleitet werden, damit die Bezahlbarkeit von Energie nicht gefährdet wird. Darüber hinaus muss bei Preissignalen darauf geachtet werden, dass entsprechende alternative Optionen am Markt verfügbar sind.
Bildung
Der ESF+ soll eine proaktive Umschulung und Weiterbildung der Fachkräfte im Sinne Grüner Skills fördern. Berufsbildungseinrichtungen sollen von einem neuen von der Kommission erarbeiteten Kompetenzrahmen profitieren, um Kenntnisse im Bereich Klimaschutz besser zu vermitteln.
Anmerkungen aus Handwerkssicht: Die Förderung der Fort- und Weiterbildung im Sinne neuer erforderlicher Fähigkeiten begrüßen wir. Der erwähnte Kompetenzrahmen darf allerdings nicht ohne die Beteiligung der Interessenträger in den Mitgliedsstaaten erarbeitet werden.
Klimapakt
Der Europäische Klimapakt soll drei Schwerpunkte setzen: Informationsaustausch und Sensibilisierung zum Klimawandel, Fördern der zivilen Kooperation, Aufbau von Kapazitäten zum Austausch bewährter Verfahren. Dazu sollen insbesondere Bürgerdialoge EU-weit gefördert werden.
Anmerkungen aus Handwerkssicht: Die Dialogform kann auch für das Handwerk eine wertvolle Gelegenheit sein, sich beim Transformationsprozess einzubringen. Wichtig wird sein, dass daraus konkrete Handlungsoptionen erwachsen, die zum Vorteil von KMU umgesetzt werden können.
CO2-Bepreisung
Im Rahmen des Grünen Deals wird unter anderem eine Ausweitung des Emissionshandelssystems auf den Gebäude- und Verkehrsbereich diskutiert. Darüber hinaus gibt es Überlegungen einer sogenannten CO2-Ausgleichssteuer, bei der Abgaben bei der Einfuhr besonders CO2-intensiver Produkte anfallen. Dies soll die heimische Produktion vor Öko-Dumping schützen.
Anmerkungen aus Handwerkssicht: Die diskutierte Ausweitung des ETS auf den Gebäude- und Verkehrsbereich ist grundsätzlich begrüßenswert. Es handelt es sich um ein marktbasiertes, kosten-effizientes und effektives Instrument, das langfristig z.B. Abgasnormen für Fahrzeuge ersetzen könnte. Demgegenüber scheint die Ausgleichssteuer nicht nur schwierig in der Umsetzung und schlecht mit WTO-Recht vereinbar, sie birgt auch die nicht geringe Gefahr einer Protektionismusspirale.

Foto: AdobeStock/mmphoto
Klima- und Energiewende
Das Handwerk spielt eine entscheidende Rolle bei der Umsetzung der Klimawende. Der Ausbau von Erneuerbaren Energien, vor allem auch im Bereich Nachhaltigkeit, ist dabei zentral für das Gelingen des Klimaschutzes.