Zentralverband des
Deutschen Handwerks
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Wie klingt Geschichte?

Der Metall- und Holzblasinstrumentenbauer Michael Münkwitz ist ein Meister seines Fachs und ein gefragter Mann bei Orchestern, Musikschulen sowie Big Bands. Eine Leidenschaft hegt der Trompetenbauer für die Restaurierung antiker Stücke.
Trompeten im Laden von Michael Münkwitz

Die Jahrhunderte hatten den Schatz arg verbeult. Er hing an einem Nagel, eingeschlagen in einem Epitaph, der die Wand in der bescheidenen Kirche im kleinen Örtchen Belitz in Mecklenburg schmückte. Das Blech war angerostet, die grünen und braunen Kordeln dick eingestaubt. Aber Michael Münkwitz war sofort klar, dass er es hier mit einem Kleinod zu tun hatte. Er nahm das demolierte Relikt in die Hände und las die Gravur: "Wolff Birckholtz, Nürnberg 1650". Die Langtrompete war ein Original aus dem Barock, gefertigt von einem fränkischen Trompetenmacher im damaligen europäischen Zentrum des Instrumentenbaus.

Alte Trompete, restauriert von Michael Münkwitz

Der Fund im Jahre 2005 und die anschließende Restaurierung haben dem Trompetenbauer Michael Münkwitz nicht nur den Bayerischen Staatspreis und andere Auszeichnungen eingebracht, sondern ihn auch zu einer kleinen Berühmtheit gemacht. Seitdem kommen immer wieder mal Journalisten vorbei, er reist mit einem Vortrag durch die Lande, fährt auf Messen und Kongresse und das bis nach Paris, London, Shanghai, Tokio oder New York. Und nicht zuletzt fertigt er Kopien von der sogenannten "Birckholtz-Trompete". Denn das Original hängt längst im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg und kann nicht gespielt werden. Doch Musikerinnen und Musiker, die historische Werke möglichst originalgetreu wiederaufführen, benötigen Repliken der Instrumente von damals. Solche Kopien zu fertigen, das macht Münkwitz am liebsten und "mit Blech, Amboss und viel Handarbeit" nahezu authentisch so wie früher. "Das Einzige, was die damals noch nicht hatten, waren Propangas und elektrisches Licht". Wenn der gebürtige Leipziger von den Trompeten spricht, sprudeln die Anekdoten und Fakten geradezu aus ihm heraus: "Das ist meine Leidenschaft, das bin ich." Er lebt aber nicht in der Vergangenheit: "Wenn ich Tradition bewahren kann, dann hat das mit Zukunft zu tun. Denn wenn ich weiß, woher ich komme, dann weiß ich auch, wohin die Reise gehen kann."

Wenn ich Tradition bewahren kann, dann hat das mit Zukunft zu tun. Denn wenn ich weiß, woher ich komme, dann weiß ich auch, wohin die Reise gehen kann.

Michael Münkwitz sitzt in seiner Instrumenten-Werkstatt

Meister für Metall- und Holzblasinstrumentenbau

Michael Münkwitz

Sein Geld verdient der 1956 geborene Münkwitz allerdings ganz traditionell mit Reparaturen. Seine Werkstatt hat er in zwei kleinen Räumen in einem alten Pfarrhaus im beschaulichen vorpommerschen Brandshagen eingerichtet, gleich nebenan befinden sich der Gemeindesaal und das Gemeindebüro. 2019 ist er hierhergezogen. In Rostock, wo er vorher Jahrzehnte lang ansässig war, öffnet er nur noch einmal die Woche einen kleinen Werkstattraum, damit die Kunden nicht umständlich aufs Dorf fahren müssen.

Im Pfarrhaus mit Blick auf seine Schafe und Hühner bringt er die Instrumente von Profis und Laien, von Orchestern und Posaunenchören, natürlich Musikschulen wie auch von Big Bands und den in dieser Region gar nicht seltenen Jagdhorn-Ensembles wieder in Ordnung. Jetzt klingelt es an der Tür und ein jugendlicher Musikschüler holt seine Trompete ab. Geduldig erklärt Münkwitz dem jungen Mann, wie er die Ventile zu ölen hat, dass sie künftig nicht mehr blockieren.

Die Verbindung zur Trompete begann früh für den heute 66-Jährigen. Als Kind fing er an, die Trompete zu spielen. Als er als Teenager sein erstes eigenes Instrument abholen wollte und in der Werkstatt des Instrumentenbaumeisters stand, da wusste er: "Das ist mein Beruf."  Davon war er so überzeugt, dass er sich mit 17 Jahren am Tag vor seinem Ausbildungsbeginn sogar seine langen Haare abschneiden ließ, weil sein Lehrmeister die nicht dulden wollte. Nachdem er 1979 Metallblasinstrumentenbaumeister geworden war, ging er aus dem Süden der DDR nach Rostock. Sein Lehrmeister hatte ihm damals keine Ruhe gelassen und immer wieder dazu aufgefordert, erst den Titel zu erwerben, bevor er im Norden seine eigene Werkstatt eröffnete. Damals hatte er das nicht verstanden, heute ist er dankbar: "Ich bin sehr stolz auf diesen Meistertitel, denn den kriegt man nicht geschenkt. Zu einem ordentlichen Handwerksbetrieb gehört ein Meistertitel, da bin ich konservativ. Und die Kundschaft achtet und respektiert den Meisterbrief. Er ist ein Vertrauenszertifikat und ein Qualitätssiegel."

Bis dahin hatte sich noch kein Experte für Blechblasinstrumente an der Küste angesiedelt. Aber der Bedarf war da: Nahezu jede größere Stadt in der DDR besaß ein Orchester, das seine Dienste benötigte, so wie auch viele Volkseigene Betriebe. Das Geschäft lief gut. Doch nach der Wiedervereinigung drehte sich das Blatt: Viele Sinfonieorchester wurden aufgelöst und Betriebsorchester hatten kein Geld mehr. Plötzlich traten vor allem Hobbymusiker auf den Plan. Münkwitz musste umdenken. Er vergrößerte seinen Laden in Rostock, verkaufte nicht mehr nur Blechblasinstrumente, sondern auch Keyboards und Noten, Eintrittskarten und CDs, er organisierte Konzerte und Veranstaltungsreihen – und beschäftigte bisweilen vier Angestellte.

Dann kamen die großen Ketten, die Billiginstrumente aus dem fernen Osten. Und Tickets wurden nun übers Internet verkauft. Münkwitz musste ein zweites Mal umdenken und besann sich auf "meine Wurzeln". Ab 2000 konzentrierte er sich fortan wieder auf den Blechblasinstrumentenbau als seinem Kerngeschäft. Und die Menschen griffen wieder zu ihren Instrumenten und Münkwitz konnte feststellen: "Wenn man ein gutes Handwerk und eine gute Beratung anbietet, dann hat man einen Riesenvorteil gegenüber Hochglanzbroschüren und dem Internet. Das Handwerk hat wirklich goldenen Boden."

Wenn man ein gutes Handwerk und eine gute Beratung anbietet, dann hat man einen Riesenvorteil gegenüber Hochglanzbroschüren und dem Internet. Das Handwerk hat wirklich goldenen Boden.

Seitdem ist er Einzelkämpfer, aber einer mit vielen Freiheiten. Nicht nur, dass er sich seiner Leidenschaft für die historischen Trompeten widmen kann, sondern auch, dass er sich die Zeit nehmen kann, dieser Leidenschaft auf Reisen nachzugehen und seine Kenntnisse auch über Deutschland und sogar Europa hinaus weiterzugeben. Wenn es sein enger Terminplan und zuletzt Corona zulassen, dann ist er einmal im Jahr für bis zu vier Wochen in Tansania. Angeregt von einem befreundeten Pfarrer zieht er dort mit seinem Werkzeugkoffer von Kirche zu Kirche und setzt Instrumente wieder in Stand. Denn in Tansania gibt es wegen seiner Vergangenheit als ehemalige deutsche Kolonie zwar jede Menge Posaunenchöre, aber keinen einzigen Instrumentenbauer. Mittlerweile ist sein Projekt gewachsen. Münkwitz führt verschiedene Workshops durch, in denen er sein Wissen weitergibt.

Weil ihm die Zeit fehlt und er nicht immer vor Ort in der Werkstatt sein kann, hat Münkwitz im heimischen Brandshagen zwar keinen Auszubildenden mehr, doch sein Wissen vermittelt er trotzdem noch weiter, vor allem in Workshops. Drei davon gibt es pro Jahr: im Rostocker Handwerkerbildungszentrum der Handwerkskammer Ostmecklenburg-Vorpommern, imenglischen Cambridge und in Bloomington in den USA, wo die Indiana University Jacobs School of Music beheimatet ist. Dann kommen ungefähr ein Dutzend Handwerkerinnen und Hanwerker sowie Musikerinnen und Musiker, aber auch interessierte Laien zusammen. Irgendein Vorwissen ist nicht notwendig, lacht Münkwitz, "aber Angst vor Muskelkater und schmutzigen Händen darf man nicht haben". Alle bekommen ein Stück 0,4 Millimeter dickes Messingblech in die Hand – und am Ende der Woche hat jede und jeder von ihnen eine funktionierende Naturtrompete gefertigt.

Die Menschen, denen er beibringt, eine einfache Trompete zu bauen, sind erledigt, aber stolz und vor allem glücklich, wenn sie ihr eigenes Instrument in den Händen halten. Dieses Gefühl hat auch Münkwitz durch sein ganzes, langes Berufsleben getragen: "Ich musste mein ganzes Leben nicht einen Tag arbeiten. Ich durfte arbeiten."

Ich musste mein ganzes Leben nicht einen Tag arbeiten. Ich durfte arbeiten.

Jahrbuch 2023

Diese Handwerk-Story wurde zuerst im ZDH-Jahrbuch 2023 veröffentlicht. Das Jahrbuch zeigt auf, wie mit dem geballten Können von Handwerkerinnen und Handwerkern Zukunft gestaltet wird.

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