Zentralverband des
Deutschen Handwerks
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19.05.2022

FG Münster: Verfassungsmäßigkeit der Höhe von Säumniszuschlägen

Mehrere Senate des FG Münster haben kürzlich zur Frage der Verfassungsmäßigkeit der Höhe von Säumniszuschlägen entschieden.

Hintergrund:

Die Höhe der Säumniszuschläge beträgt nach § 240 Abs. 1 Satz 1 AO für jeden angefangenen Monat der Säumnis 1% des abgerundeten rückständigen Steuerbetrags. Die Regelung des § 240 AO besitzt zum einen eine Druckmittelfunktion und zum anderen den Zweck, vom Steuerpflichtigen eine Gegenleistung für das Hinausschieben der Zahlung fälliger Steuern zu erhalten.

In seiner Entscheidung vom 31. August 2021 (Az.: VII B 69/21) führt der Bundesfinanzhof (BFH) aus, die verfassungsrechtlichen Zweifel gelten aus seiner Sicht jedenfalls insoweit, als Säumniszuschläge nicht die Funktion eines Druckmittels zukommt, sondern die Funktion einer Gegenleistung oder eines Ausgleichs für das Hinausschieben der Zahlung fälliger Steuern, mithin also eine zinsähnliche Funktion.

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat mit Beschluss vom 08. Juli 2021 in den Verfahren 1 BvR 2237/14 und 1 BvR 2422/17 entschieden, dass § 233a AO in Verbindung mit § 238 Abs. 1 Satz 1 AO gegen Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) verstößt und daher verfassungswidrig ist, soweit er auf Verzinsungszeiträume ab dem 01. Januar 2014 zur Anwendung gelangt, und dass zwar eine Fortgeltung der genannten Regelung für Verzinsungszeiträume vom 01. Januar 2014 bis zum 31. Dezember 2018 geboten ist, dass es aber für ab in das Jahr 2019 fallende Verzinsungszeiträume bei der Unanwendbarkeit als Regelfolge des Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG bleibt. Daher stellt sich auch insoweit die Säumniszuschläge die Gegenleistung für einen durch das Hinausschieben der Zahlung erlangten Vorteils abbilden, die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Höhe der festzusetzenden Säumniszuschläge.

Sowohl der 11. als auch der 12. Senat haben in kürzlich veröffentlichten Beschlüssen (Beschluss vom 4. April 2022, Az. 11 V 2680/21 AO; Beschluss vom 25. April 2022, Az. 12 V 570/22 AO; Beschluss vom 25. April 2022, Az. 12 V 571/22 AO; Beschluss vom 25. April 2022, Az. 12 V 572/22 AO) zu der vorgenannten Frage entschieden. Die Abrechnungsbescheide, in denen Säumniszuschläge ausgewiesen wurden, haben die erkennenden Senate mit entsprechenden Beschlüssen von der Vollziehung ausgesetzt.

Zur Begründung führte der 12. Senat im Beschluss vom 25. April 2022, Az. 12 V 570/22 AO u.a. wie folgt aus: „In seiner Entscheidung vom 31.08.2021 (Az.: VII B 69/21) führt der BFH aus, die verfassungsrechtlichen Zweifel gelten aus seiner Sicht jedenfalls insoweit, als Säumniszuschläge nicht die Funktion eines Druckmittels zukommt, sondern die Funktion einer Gegenleistung oder eines Ausgleichs für das Hinausschieben der Zahlung fälliger Steuern, mithin also eine zinsähnliche Funktion.

Diese einschränkende Äußerung dürfte nach Ansicht des erkennenden Gerichts darauf beruhen, dass sich das Aussetzungsbegehren in dem dort zugrunde liegenden Verfahren auf die Hälfte der Säumniszuschläge, und zwar den in den Säumniszuschlägen enthaltenen Zinsanteil, beschränkt hat, so dass der BFH keine Entscheidung über eine darüber hinausgehende Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung zu treffen hatte. (…)

Die einheitliche Regelung zur unteilbar gesetzlich festgelegten Höhe der Säumniszuschläge kann nur insgesamt verfassungsgemäß oder verfassungswidrig sein. Für eine Aussetzung der Vollziehung genügen dabei bereits bestehende und vom BFH aufgezeigte Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Norm und die hieraus folgende unklare Rechtslage.“

Hinweis:

Gegen den Beschluss vom 4. April 2022, Az. 11 V 2680/21 AO wurde Beschwerde beim BFH eingereicht und diese wird dort unter dem Az. XI B 38/22 (AdV) geführt.

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