Zentralverband des
Deutschen Handwerks
Zentralverband des
Deutschen Handwerks
20.12.2021

AO – FG Münster: Verfassungsmäßigkeit Höhe Säumniszuschläge

Das FG Münster hat in einem kürzlich veröffentlichten Beschluss entschieden, dass nach der Entscheidung des BVerfG zur Vollverzinsung keine Zweifel an der Höhe der Säumniszuschläge bestünden.

Dies gelte jedenfalls soweit mit § 240 AO auch Zinsvorteile des Steuerpflichtigen ausgeglichen werden sollen.

Hintergrund:

Wird eine Steuer nicht bis zum Ablauf eines Fälligkeitstages entrichtet, so ist für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von 1 % des abgerundeten rückständigen Steuerbetrags zu entrichten (§ 240 Abs. 1 Satz 1 AO).

Säumniszuschläge sind ein Druckmittel eigener Art, das den Steuerschuldner zur rechtzeitigen Zahlung der festgesetzten und kraft Gesetzes sofort zu leistenden Steuerschuld anhalten soll, so dass sie insoweit eine Art Zwangsmittel darstellen. Darüber hinaus verfolgt § 240 AO den Zweck, vom Steuerpflichtigen eine Gegenleistung für das Hinausschieben der Zahlung fälliger Steuern zu erhalten. Durch Säumniszuschläge werden schließlich auch die Verwaltungsaufwendungen abgegolten, die bei den verwaltenden Körperschaften dadurch entstehen, dass Steuerpflichtige eine fällige Steuer nicht oder nicht fristgemäß zahlen.

Sachverhalt:

Dem Beschluss vom 23. September 2021 (12 V 6/21 AO) liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Der Antragsgegner setzte für den Voranmeldungszeitraum 02/2013 Umsatzsteuer fest, die in der Folgezeit durch Umbuchung vollständig getilgt wurde. In 2016 beantragte die Antragstellerin den Erlass der entstandenen Säumniszuschläge zu dieser Umsatzsteuer. Weil bei der Antragstellerin Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung vorgelegen hätten, erließ der Antragsgegner daraufhin die Hälfte der Säumniszuschläge wegen sachlicher Unbilligkeit. Er führte aus, ein weitergehender Erlass komme nicht in Betracht, da die Säumniszuschläge im Übrigen eine Gegenleistung für das Hinausschieben der Zahlung und einen Ausgleich für die Verwaltungskosten darstellten. Auf Antrag der Antragstellerin hin erließ der Antragsgegner einen Abrechnungsbescheid, der Säumniszuschläge zur Umsatzsteuer 2013 für einen Zeitraum vor dem 1. Januar 2019 sowie eine entsprechende Zahlung durch die Antragstellerin auswies.

Die Antragstellerin hat Klage unter dem Az. 12 K 3010/20 AO erhoben, über die der Senat noch nicht entschieden hat.

Aufgrund eines Antrages der Antragstellerin hat der Senat mit Beschluss vom 16. März 2021 die Vollziehung des Abrechnungsbescheides in der Fassung der Einspruchsentscheidung ab Fälligkeit bis einen Monat nach Bekanntgabe einer Entscheidung im Klageverfahren 12 K 3010/20 AO bzw. einer anderweitigen Erledigung des Klageverfahrens 12 K 3010/20 AO insoweit aufgehoben, als darin Säumniszuschläge i. H. v. X € ausgewiesen sind.

Die dagegen von der Antragstellerin erhobene Beschwerde hat der Bundesfinanzhof (BFH) mit Beschluss vom 10. Juni 2021 als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung hat der BFH unter anderem angeführt, dass nicht nur gegen die Höhe der in § 233a der Abgabenordnung (AO) und in § 238 Abs. 1 Satz 1 AO normierten Zinssätze ab dem Jahr 2012 erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken bestünden, die eine Aussetzung nach § 69 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) geboten erscheinen lassen, sondern, dass auch Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der gesetzlich festgelegten Höhe der Säumniszuschläge nach § 240 Abs. 1 Satz 1 AO bestünden. Dies gelte jedenfalls insoweit, als den Säumniszuschlägen nicht die Funktion eines Druckmittels zukomme, sondern die Funktion einer Gegenleistung oder eines Ausgleichs für das Hinausschieben der Zahlung fälliger Steuern, mithin also eine zinsähnliche Funktion. Ob und inwieweit der weitere Zweck, den Verwaltungsaufwand auszugleichen, hier ebenfalls zu berücksichtigen sei, sei bislang noch nicht entschieden.

Mit Schreiben vom 8. September 2021 beantragt der Antragsgegner eine Änderung des Beschlusses vom 16. März 2021 gemäß § 69 Abs. 6 Satz 2 FGO. Zur Begründung führt er an, dass sich nach Ergehen des Aussetzungsbeschlusses im März 2021 durch die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes vom 08. Juli 2021 Az.: 1 BvR 2237/14 und 1 BvR 2422/17 neue Umstände im Sinne des § 69 Abs. 6 Satz 2 FGO ergeben hätten. In dieser Entscheidung habe das Bundesverfassungsgericht die die Vollverzinsung umfassenden Regelungen des § 233a AO i. V. m. § 238 AO lediglich für einen Verzinsungszeitraum ab dem 1. Januar 2019 für die Zukunft für verfassungswidrig und unanwendbar erklärt. Die hier streitigen Säumniszuschläge beträfen aber Zeiträume vor dem 1. Januar 2019.

Der erkennende Senar gab dem Antrag des Antragsgegners statt und lehnte unter Änderung des Beschlusses vom 16. März 2021 den Antrag auf Aufhebung der Vollziehung des Abrechnungsbescheides ab. Zur Begründung führte der Senat u.a. wie folgt aus:

„Zu Recht beruft sich der Antragsgegner für seinen Änderungsantrag nach § 69 Abs. 6 Satz 2 FGO auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes vom 08.07.2021 - 1 BvR 2237/14, 1 BvR 2422/17. (…) Aufgrund der vorgenannten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes hat der Senat nunmehr keine erheblichen Bedenken an der Gültigkeit des § 240 AO. Dies gilt jedenfalls soweit mit dieser Norm auch Zinsvorteile des Steuerpflichtigen ausgeglichen werden sollen.

Das Bundesverfassungsgericht hat ausdrücklich die Fortgeltung der § 233a AO i. V. m. § 238 AO für die Zeit vor dem 01.01.2019 angeordnet. Soweit das Bundesverfassungsgericht ausgeführt hat, dass eine Erstreckung der Unvereinbarkeitserklärung auf die anderen Verzinsungstatbestände nach der Abgabenordnung zulasten des Steuerpflichtigen, namentlich auf Stundungs-, Hinterziehungs- und Aussetzungszinsen nach §§ 234, 235 und 237 AO, nicht in Betracht komme, und darüber hinaus keine Ausführungen zu den Säumniszuschlägen im Sinne des § 240 AO enthält, folgt daraus für die hier zu treffende Entscheidung nichts Gegenteiliges. Denn wenn schon die Vollverzinsung nach § 233a AO i. V. m. § 238 AO trotz verfassungsrechtlicher Bedenken bis zum 31.12.2018 nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes weiter gilt, so folgt daraus im Erst-Recht-Schluss, dass auch Säumniszuschläge zumindest bis zum 31.12.2018 und jedenfalls bzgl. des darin enthaltenen Verzinsungsanteils nicht wegen Verfassungswidrigkeit aufzuheben sind. Denn Säumniszuschläge verfolgen nicht nur den Zweck, Gegenleistung für das Hinausschieben der Zahlung fälliger Steuer zu sein, sondern sind auch Druckmittel, um den Steuerschuldner zur rechtzeitigen Zahlung der festgesetzten Steuerschuld anzuhalten, und dienen auch der Abgeltung von Verwaltungsaufwendungen, die bei der verwaltenden Körperschaft dadurch entstehen, dass der Steuerpflichtige eine fällige Steuer nicht oder nicht fristgemäß zahlt (…). Im vorliegenden Fall wurden die Säumniszuschläge zu 50 % erlassen, sodass der Restbetrag im Wesentlichen dem gleichen Zweck wie eine Verzinsung nach § 233a AO i. V. m. § 238 AO dient. Gelten aber nach der oben genannten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes die Regelungen zur Vollverzinsung – trotz verfassungsrechtlicher Bedenken – bis zum 31.12.2018 fort, so gilt dieses nach Auffassung des Senates – jedenfalls bei der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung – für den vorliegenden Fall entsprechend. Denn die der Antragstellerin nicht erlassenen Säumniszuschläge betragen – ohne Berücksichtigung, dass damit auch Verwaltungskosten abgegolten sein könnten – bei prozentualer Betrachtung für jeden angefangenen Monat nur 0,5 Prozent.“

Schlagworte