Zentralverband des
Deutschen Handwerks
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31.10.2021

Wenn Gesundheitsschutz zur Gefahr für Instrumentenbauer wird

Durch die europäische Chemikalienverordnung REACH könnten wichtige Metalle für den Bau von Blechblasinstrumenten verboten werden.
Eine Person spielt während eines Konzerts ein Flügelhorn.

Die sogenannte REACH-Verordnung – ein Regelwerk der EU, wonach bestimmte Metalle nicht mehr verwendet werden dürfen – soll eigentlich die Gesundheit von Menschen schützen. Für Instrumentenbauer kann sie aber zur Gefahr werden. Das befürchtet nicht nur Kerstin Voigt, Instrumentenbaumeisterin und Inhaberin eines der größten Betriebe im vogtländischen Musikwinkel. Zum Musikwinkel gehört Markneukirchen, das als Wiege des Orchesterinstrumentenbaus gilt. Kerstin Voigt sucht gezielt die Zusammenarbeit mit der Wissenschaft. Handwerker brauchen die Hilfe von Forschungseinrichtungen. Allein sind sie so komplexen Themen wie REACH nicht gewachsen, glaubt Voigt, deren Familie seit Generationen vom Musikinstrumentenbau lebt. Die heutige Meisterwerkstatt für Metallblasinstrumente trägt den Namen ihres Vaters Jürgen Voigt, der 1988 sein eigenes Unternehmen gegründet und sich vor allem mit seinen Posaunen einen erstklassigen Ruf in der internationalen Fachwelt erarbeitet hat. Mittler-weile fertigen gut 40 Mitarbeiter rund 30.000 verschiedene Artikel, darunter Zulieferteile und Baugruppen für andere Instrumentenmacher sowie Schalmeien, die ins In- und Ausland verkauft werden.  

Bei REACH handelt es sich um eine Chemikalienverordnung, in der zum Beispiel Nickel, Blei und Chrom als gefährliche Stoffe eingestuft sind. Alle drei Metalle werden beim Bau von Instrumenten verwendet, meist in Legierungen. Bei den Posaunen, Trompeten oder Flügelhörnern der Marke Jürgen Voigt findet sich Nickel vor allem im Neusilber, das wegen seiner Korrosionsbeständigkeit gegen Handschweiß oder Speichelsäure unverzichtbar ist. Andererseits kann Nickel Allergien auslösen. Deshalb soll das Metall überall dort verboten werden, wo Menschen dreimal pro Woche länger als zehn Minuten mit ihm in Berührung kommen.

Kerstin Voigt möchte handeln, bevor es zu spät ist. Sie vertraut auf die Unterstützung durch das Institut für Musikinstrumentenbau (IfM) im nahegelegenen Zwota. Dort ist die Problematik seit Jahren bekannt. Bisher konnte noch kein Ersatz für Neusilber gefunden werden. In Kooperation mit der TU Bergakademie Freiberg versucht das IfM, zukünftig neue Legierungen für den Instrumentenbau zu entwickeln. Aktuell werden verschiedene alternative Materialien charakterisiert. Dabei geht es um akustische Eigenschaften, aber auch um die Frage, wie sich das Material beim Biegen, Löten oder Zerspanen verhält.

Nicht zuletzt spielt die Akzeptanz der Kunden eine wichtige Rolle, da gerade Profimusiker sehr sensibel sind – wie Kerstin Voigt weiß. Sie setzt neben der Forschung auch auf Lobbyarbeit und engagiert sich daher im Vorstand des Bundesinnungsverbandes der Musikinstrumentenhersteller.

Dass sich solcher Einsatz lohnt, zeigt das Beispiel der Orgelbauer, die für Blei eine Ausnahmeregelung erkämpfen konnten. Beim Blei steht den Metallblasinstrumentenbauern mit der Legierung Ecobrass inzwischen eine Alternative zur Verfügung. Das Schwermetall Blei wird in Weichloten oder als Legierungselement verwendet, damit bei der Bearbeitung von Messing die Späne brechen. Ein ähnlicher Erfolg für Nickel im Neusilber ist jedoch nicht in Sicht. Das liegt auch an den geringen Mengen, die im Musikinstrumentenbau benötigt werden. Aufwändige Entwicklungen würden unweigerlich drastische Preissteigerungen nach sich ziehen, die am Markt derzeit nicht durchsetzbar wären.

Quelle: www.deutsche-handwerks-zeitung.de vom 15. September 2021

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