Zentralverband des
Deutschen Handwerks
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29.02.2024

Weltneuheit: Eine Trompete ohne Nickel und Blei

Die Trompete "la rossa" aus dem "Musicon Valley" im Vogtland kommt ohne Schwermetalle aus.
Trompeten

Das Herz des Musikinstrumentenbaus schlägt im „Musicon Valley“ im Vogtland – Markneukirchen, Erlbach, Klingenthal und Schöneck. Hier werden in mehr als 120 Unternehmen mit rund 1.200 Beschäftigten Musikinstrumente von Weltniveau gefertigt. Nun hat ein pfiffiger junger Musikinstrumentenbauer aus Markneukirchen ein neuartiges Blechblasinstrument entwickelt, das weltweit einzigartig ist, und es auf den klangvollen Namen „la rossa“ getauft: Eine Reminiszenz an das kupferrote Haar der italienischen Diva Milva. „La rossa“ ist eine komplett blei- und nickelfreie Jazztrompete, die auch für Allergiker unbedenklich ist. Sie besteht aus reinem Kupfer und einer speziellen Bronze. Die kürzlich mit dem Sächsischen Staatspreis für Design und Innovation sowie dem Umweltpreis der Handwerkskammer Chemnitz ausgezeichnete Trompete hat alle Musikertests mit Bravour bestanden und überzeugt durch einen wunderbaren Klang und die hohe Handwerkskunst. Geschaffen wurde sie von Max Hertlein, Metallblasinstrumentenbaumeister und Mundstückspezialist beim Traditionsunternehmen Werner Chr. Schmidt. Musiker bewerteten Intonation und Ansprache des Instruments um zehn Prozent besser als bei einer konventionellen Trompete. Doch die aufwendige Herstellung hat ihren Preis: die rote Trompete kostet rund 25 Prozent mehr als eine konventionelle.

Zur Kundschaft gehört auch das André Rieu Orchester

Hertlein hat eine ganze Reihe bekannter und weniger bekannter Kunden: Ludwig Güttler zum Beispiel, Wolfgang Schwalm von den Wildecker Herzbuben, Prof. Jörg Wachsmuth vom Melton Tuba Quartett, Prof. Walter Hilgers, Karl-Heinz Georgi vom Gewandhausorchester Leipzig, aber auch Bläser des André Rieu Orchesters und der Staatskapelle Dresden.

Nickel und Blei spielen eine Schlüsselrolle beim Bau von Metallblasinstrumenten

Die beiden Schwermetalle sorgen als Bestandteile von Neusilber oder Messing dafür, dass sich die Metalle gut bearbeiten lassen. Später beim Musizieren verhindern sie Korrosion durch Handschweiß oder Speichelsäure. Andererseits können Nickel und Blei Allergien auslösen, besonders, wenn sie längere Zeit mit der Haut in Berührung kommen. Das passiert auch bei Produkten wie Piercings, Brillen, Armbänder und Schmuck, deren Verarbeitung die europäische EU-Chemikalienverordnung REACH regelt. Künftig sollen von dieser Verordnung auch Musikinstrumente erfasst werden, für die bislang noch vorübergehend Ausnahmen gelten. In der Branche herrschen Verunsicherung bis hin zur Existenzangst, weil die Regelung wohl bald auch die Verwendung kleinster Mengen von Schwermetallen untersagt. Das war der Ansporn für Max Hertlein, ein komplett blei- und nickelfreies Instrument zu entwickeln.

Gesamter Arbeitsprozess neu gedacht

In fünf Jahren Entwicklungsarbeit war eine ganze Reihe von Problemen zu lösen. Als Ersatzmaterial für die üblichen Legierungen wählte Hertlein neben einer speziellen Bronze hauptsächlich Kupfer. Es hat im Messing und im Neusilber mit bis zu 85 Prozent ohnehin den höchsten Anteil. Allerdings lässt sich reines Kupfer nur extrem schwer bearbeiten, weil es sehr weich und ein guter Wärmeleiter ist. Eine wichtige Anforderung an ein Metallblasinstrument ist außerdem: Das Material muss dünn und hart sein. Mit seinem handwerklichen Know-how hat es Hertlein geschafft, das Kupfer so zu verdichten, dass es diese Eigenschaften auch bei den 0,4 mm dünnen Blechen für das Schallstück und den 0,5 mm dünnen Rohren, Bögen und Ringen erreicht. Auch das Löten gestaltete sich als äußerst kompliziert. Hertlein, der dabei von seinem Großvater und Firmeninhaber Bernhard Schmidt unterstützt wurde, musste den gesamten Arbeitsprozess neu denken und die Reihenfolge der Lötvorgänge komplett verändern. Für den kleinen Handwerksbetrieb mit drei Mitarbeitern hat sich der Aufwand gelohnt: Bei einer Prüfung des Reinheitsgrades per Spektralanalyse an der TU Dresden wurde der Trompete bescheinigt, dass sie keinerlei Spuren von Blei oder Nickel enthält.

Ältester Mundstückhersteller der Welt

Als ältester Mundstückhersteller der Welt fertigt der Familienbetrieb seit 1842 hochwertige Mundstücke für alle Metallblasinstrumente. Mundstücke steuern mit 65 Prozent auch heute noch den Hauptteil des Umsatzes bei. Zudem stellen Seniorchef Bernhard Schmidt, sein Enkel Max Hertlein und ein Geselle seit über 30 Jahren Metallblasinstrumente wie Konzerttrompeten, Jazztrompeten, Wald- und Doppelhörner, Posaunen, Jagdinstrumente etc. her. Aber auch Reparaturen und historische Restaurationen von Metallblasinstrumenten gehören zum Alltag.

Vom Großvater an das Handwerk herangeführt

Mit "la rossa" ist Max Hertlein Vorreiter in der Branche und hat den Grundstein für die Zukunft gelegt. Sein Ziel ist es, die lange Tradition des Familienbetriebes in inzwischen siebenter Generation fortzuführen. Hertlein selbst spielte von klein auf Trompete und hatte daher den Ehrgeiz, diese Tradition fortzuführen. Er erwarb dafür bereits mit 23 Jahren 2017 schließlich seinen Meistertitel.

Altes Handwerk mit neuen Ideen verbinden

Bis Blei und Nickel komplett ersetzt werden können, ist es noch ein langer Weg. Damit der traditionelle Instrumentenbau nicht zum Erliegen kommt und sich weiterentwickeln kann, warten die Musikinstrumentenbauer deshalb dringend auf praxisrelevante Ergebnisse aus der Wissenschaft. Diese arbeitet bereits intensiv an Alternativen für die Zusammensetzung herkömmlicher Legierungen im Musikinstrumentenbau. Wissenschaftler des Instituts für Metallformung an der TU Bergakademie Freiberg forschen gemeinsam mit dem Institut für Musikinstrumentenbau (IfM) im vogtländischen Zwota an der Entwicklung von neuen bleifreien Messinglegierungen und am Ersatz für Nickel im Neusilber.

Quellen: www.so-geht-saechsisch.de, Pressemitteilung vom 7. Januar 2024;
                  Freie Presse, Pressemitteilung vom 27. Januar 2024;
                  www.deutsche-handwerks-zeitung; Pressemitteilung vom 18. Januar 2024;
                  SuperIllu 03/24

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