Zentralverband des
Deutschen Handwerks
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Deutschen Handwerks
28.06.2022

Mehr Wertschätzung für das Handwerk

Der Trend in Richtung Studium ist ungebrochen. Was sich ändern muss, damit mehr junge Menschen eine Ausbildung im Handwerk starten, erläutert ZDH-Präsident Wollseifer im Magazin "HAND DRAUF".
Portraitfoto von Hans Peter Wollseifer auf der Dachterrasse im Haus des Deutschen Handwerks in Berlin

Hans Peter Wollseifer, Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks

"Wir brauchen einen gesellschaftlichen Bewusstseinswandel hin zu mehr Wertschätzung des Handwerks und berufspraktischer Arbeit und damit einhergehend eine Bildungswende. Berufliche Bildung muss uns allen wieder mehr wert sein, sie muss auf Augenhöhe mit akademischer Bildung gefördert und finanziert werden", so ZDH-Präsident Hans Peter Wollseifer im Interview mit Laura Nodoph von "HAND DRAUF".

Wie kann man den Fachkräftemangel im Handwerk in Deutschland aktuell in Zahlen fassen und was bedeutet er schon jetzt für die Branche?

Fehlen Fachkräfte, sind kurzfristig längere Wartezeiten die Folge. Das ist für Kundinnen und Kunden nicht erfreulich, aber zumindest verschmerzbar. Gravierender sind langfristig die Folgen, wenn wir die Fachkräftelücke nicht schließen, die sich schon jetzt im Handwerk mit geschätzt rund 250.000 auftut. Haben wir künftig nicht genügend qualifizierte Handwerkerinnen und Handwerker, drohen nahezu alle wichtigen Zukunftsprojekte ausgebremst, schlimmstenfalls sogar nicht realisiert zu werden: sei es etwa beim Klimaschutz oder der Mobilitätswende. 

Wie ist Ihre Zukunftsprognose für das Handwerk?

Die Bundesregierung hat sich viel vorgenommen. Wir stehen vor großen Aufgaben beim Klimaschutz, bei der Digitalisierung, bei der Modernisierung der Infrastruktur und im Wohnungsbau, bei ressourcenschonendem Leben und Arbeiten. All diese Aufgaben können nicht warten! Man muss kein Prophet sein, um vorauszusagen, dass wir all das mit dem jetzigen Stamm an Beschäftigten nicht bewältigen können. Dafür brauchen wir mehr junge Menschen, die ihre eigene Zukunft und die unseres Landes tatkräftig in die Hände nehmen, kurzum: mehr Handwerkerinnen und Handwerker.

Welche Lösungswege aus dem Fachkräftemangel sehen Sie?

Wir brauchen einen gesellschaftlichen Bewusstseinswandel hin zu mehr Wertschätzung des Handwerks und berufspraktischer Arbeit und damit einhergehend eine Bildungswende. Berufliche Bildung muss uns allen wieder mehr wert sein, sie muss auf Augenhöhe mit akademischer Bildung gefördert und finanziert werden. Es ist für die Zukunftsfähigkeit unseres Landes entscheidend, wieder mehr junge Menschen für das Handwerk zu gewinnen. Und die Argumente sind auf unserer Seite: Selten waren die Perspektiven mit einer handwerklichen Ausbildung so gut wie derzeit, was etwa Arbeitsplatzsicherheit oder Möglichkeiten zur Selbstständigkeit angeht.

Was sind Initiativen des ZDH, um den Fachkräftemangel zu beheben?

Wo immer es möglich ist, zeigen wir jungen Menschen, welche zukunftsrelevanten Berufe und Karrieremöglichkeiten es im Handwerk gibt. Dabei werben wir vor allem über Social Media und zu Corona-Zeiten digital. Wir entwickeln neue Ausbildungswege – Stichworte sind hier BerufsAbitur oder Höhere Berufsbildung – und auch ganz neue Berufe wie den Elektroniker für Gebäudesystemintegration. In unseren Handwerkskammern gibt es Ausbildungsberater und auf www.handwerk.de einen Überblick zu allen Berufen und den zugehörigen Ausbildungswegen. Flankiert wird das Ganze nun schon seit mehr als 10 Jahren von unserer Kampagne.

Die aktuelle Imagekampagne des deutschen Handwerks ist überall auf den Straßen zu sehen. Wie kam es zu der Idee und was ist das Ziel der Kampagne?

Mit dem provokativ zugespitzten Slogan: „Hier stimmt was nicht“ der aktuellen Kampagne wollen wir den Finger in die Wunde legen: Leider erfahren junge Menschen, die das Handwerk zu ihrem Beruf machen, immer noch weniger Wertschätzung als Studierende. Dabei sind es Handwerkerinnen und Handwerker, die unser Land am Laufen halten und zur Zukunfts- und Wohlstandssicherung so dringend vonnöten sind. Wenn aber zwischen tatsächlicher Relevanz und gesellschaftlicher Wahrnehmung eine solche Lücke klafft, stimmt doch etwas nicht.

Was raten Sie Betrieben, die unter dem Fachkräftemangel leiden und beispielsweise keine Mitarbeiter*innen oder Auszubildenden finden?

Jeder Betrieb muss alles daransetzen, ein attraktiver Arbeitgeber zu sein, vor Ort den eigenen Betrieb als Marke zu positionieren und so qualifiziertes Personal an den Betrieb zu binden und neue Beschäftigte anzuwerben. Dann werden sich auch leichter junge Leute finden, die eine Ausbildung im Betrieb beginnen. Natürlich müssen Betriebe auch aktiv um junge Talente werben, was sehr viele Betriebe mit unterschiedlichsten Aktionen auch tun: Das reicht vom Anreiz eines SmartPhones oder der Finanzierung des Führerscheins bis hin zu gemeinsamen Aktivitäten und Lernunterstützung.

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