Zentralverband des
Deutschen Handwerks
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Deutschen Handwerks
19.07.2022

"Genügend Fachkräfte wird es nur durch Ausbildung geben"

ZDH-Präsident Wollseifer tauscht sich im Präsidentengespräch mit BDVB-Präsident Rugen über das Engagement des Handwerks bei der Fachkräftesicherung aus.
Portraitfoto von Hans Peter Wollseifer auf der Dachterrasse im Haus des Deutschen Handwerks in Berlin

Hans Peter Wollseifer, Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks

Im Präsidentengespräch des "bdvb aktuell" sprechen ZDH-Präsident Hans Peter Wollseifer und BDVB-Präsident Willi Rugen über die Möglichkeiten der Fachkräftesicherung im Handwerk durch Ausbildung und Integration.

Herr Wollseifer, Herr Rugen, die öffentliche Wahrnehmung des Handwerks scheint sich gerade zu verändern. Beobachten Sie das auch?

Willi Rugen: Absolut. Die großen transformativen Aufgaben unserer Zeit – insbesondere die Eindämmung des Klimawandels – können nur mit einem starken Handwerk bewältigt werden. Das ist eine Erkenntnis, die sich mehr und mehr durchsetzt. Als Ökonomen sehen wir aber gleichzeitig die betriebswirtschaftlichen Herausforderungen, vor denen das Handwerk steht: Fachkräftemangel, unzuverlässige Lieferketten, Verkehrsprobleme, Kostensteigerungen – das Handwerk hat es gegenwärtig nicht leicht.

Hans Peter Wollseifer: Ich kann die Beobachtung bestätigen, dass zunehmend erkannt wird, wie wichtig das Handwerk für die Zukunftsgestaltung unseres Landes ist. Als Verband freut es uns, dass sich diese Erkenntnis endlich verstärkt in der Wirtschaft, Politik und Öffentlichkeit durchsetzt. Und ja: Tatsächlich sind die von Herrn Rugen angesprochenen Risiken nicht von der Hand zu weisen. Die Situation ist angespannt. Die Materialknappheit bereitet uns Sorgen. Ebenso die Energiekosten: In unserer Umfrage unter Handwerksbetrieben Anfang Mai hat mehr als die Hälfte der Teilnehmenden angegeben, dass sich diese für sie verdoppelt haben. Diese Entwicklungen machen die Angebotserstellung nahezu unmöglich, weil niemand weiß, was Material und Energie in ein paar Monaten kosten werden.

Welche Rolle spielen Zinsentwicklung und Inflation für Ihre Betriebe?

Hans Peter Wollseifer: Sie verschärfen die Situation zusätzlich. Die Inflation ist so hoch wie seit Jahrzehnten nicht mehr, und die Zinsen für eine Baufinanzierung haben sich im letzten Quartal verdoppelt. Das führt dazu, dass Kundinnen und Kunden Aufträge aufschieben oder stornieren. Aber bei allen Problemen gehört auch das zum Gesamtbild: Die Betriebe und Unternehmen im Handwerk können sich - anders als Konzerne und Großunternehmen - sehr schnell an neue Voraussetzungen anpassen, ich sage immer: Handwerksbetriebe sind die Schnellboote, die anders als große Tanker rasch ihren Kurs anpassen und gegebenenfalls umsteuern können – das ist ein großer Vorteil. Und man darf nicht vergessen, dass es mehr als genug zu tun gibt. Die Auftragsfülle ist immens. Leider ist auch der Fachkräftemangel immens.

Willi Rugen: Die Inflation ist tatsächlich eine extreme, gesamtwirtschaftliche Herausforderung. Wir müssen Verbraucher und Unternehmen – auch das Handwerk – entlasten. Allerdings darf das meiner Einschätzung nach nicht mit Hilfe eines Eingriffs in die Preisbildung geschehen, wie wir ihn beispielsweise an der Zapfsäule erleben. Letztlich brauchen wir die aktuellen Knappheitspreise, damit die Substitutionsmechanismen greifen und die Notenbanken ihre Geldpolitiken anpassen. Allerdings weiß ich nicht, ob der Zentralverband hiermit d’accord ist, ob man sich nicht eher eine Subventionierung der Energiekosten wünscht ...

Hans Peter Wollseifer: Wir sind Verfechter der Sozialen Marktwirtschaft und ihrer Mechanismen und Prinzipien. Insofern teile ich Ihre Einschätzungen weitestgehend. Andererseits sehen wir, unter welchem Druck unsere Unternehmen stehen. Die Betriebe haben bereits während der Corona-Pandemie massiv gelitten. Manche waren lange geschlossen – denken Sie nur an den Messebau, an die Veranstaltungstechnik, an Friseure oder Konditoreien, die massive Einbußen erlitten haben. Und die an ihre Rücklagen, teils sogar ihre Altersversorgung gehen mussten, um den Betrieb weiterzuführen oder ihre Beschäftigten für die Zeit nach der Pandemie zu halten. Und nun kommen direkt im Anschluss Inflation, Energiekostenexplosion, Lieferkettenprobleme. Natürlich werden viele Betriebe von der Bundesregierung unterstützt – wir sehen aber gegenwärtig, dass die Politik bei den Hilfen zu wenig die spezifischen Belange von Klein- und Kleinstbetrieben im Blick hat, von denen viele die aktuelle Krise ohne weitere Unterstützung nicht überstehen werden.  Eine sinnvolle Entlastungsmaßnahme wäre es beispielsweise, die Energiesteuern auf das europaweit zulässige Mindestmaß zu senken.

Kommen wir zu einem anderen Thema: Herr Rugen hat es eingangs schon angesprochen. Das Thema Fachkräftemangel begleitet das Handwerk nicht erst seit gestern ...

Willi Rugen: Wobei man direkt konstatieren muss: Gegenwärtig entwickelt sich der Arbeitsmarkt meiner Beobachtung nach durchaus positiv. Trotz der unsicheren Lage stellen die Betriebe im Handwerk ein, weil sie wissen, dass es in Zukunft einiges zu tun gibt und sie dafür Personal brauchen. Ein gewisser Teil davon ist vermutlich ein Nachholeffekt nach der Pandemie, allerdings glaube ich, es ist sicher zu sagen: Die Konkurrenz um die Bewerber ist sehr groß, es gibt schlicht zu wenige junge Menschen oder Quereinsteiger, die sich vorstellen können, im Handwerk zu arbeiten.

Hans Peter Wollseifer: Ja, leider ist das so, wie auch die Zahlen zeigen: Im Schnitt der vergangenen Jahre konnten zwischen 15.000 und 20.000 Ausbildungsplätze, die unsere Betriebe angeboten haben, nicht besetzt werden. Es fehlten schlicht die Bewerberinnen und Bewerber. Dabei brauchen wir dringend beruflich qualifizierte Fachkräfte im Handwerk. Nach wie vor sind es schätzungsweise 250.000 Stellen, die wir nicht besetzen können – so sehr sich unsere Betriebe auch um Personal bemühen. Das ist ein Bremsklotz für die wirtschaftliche Entwicklung. Daher müssen wir dringend alle gemeinsam bei jungen Menschen dafür werben, sich für den beruflichen Bildungsweg zu entscheiden, der zurzeit wirklich beste Berufsperspektiven eröffnet. Mit Akademikern allein werden wir es nicht schaffen, die großen Zukunftsaufgaben in unserem Land zu bewältigen und wirtschaftlich erfolgreich zu sein.  

Mit welcher Entwicklung rechnen Sie denn für dieses Jahr?

Hans Peter Wollseifer: Jede Einschätzung ist derzeit ein Blick in die Glaskugel – in diesem Jahr trifft das sogar noch einmal mehr zu.  Wenn wir optimale Bedingungen hätten, also wieder stabile Lieferketten, einen Energiepreis-Stopp, Materialverfügbarkeit, dann wäre es im Bereich des Möglichen, den Umsatz nominal um bis zu sechs Prozent zu steigern. Das läge dann aber immer noch unterhalb der Inflationsrate – insofern stünde am Ende des Jahres real also eine Null oder ein Minus in den Büchern.

Willi Rugen: Man darf in diesem Zusammenhang nicht vergessen: Es stehen Lohnrunden an. Und um die Reallöhne aufrechtzuerhalten, wird es vermutlich nennenswerte Tariferhöhungen geben. Ob das zu einem weiteren Problem für das Handwerk werden wird, vermag ich noch nicht einzuschätzen. Aber es ist durchaus möglich, dass die höheren Lohnkosten an den Kunden weitergegeben werden können. Schließlich sind alle händeringend auf der Suche nach Handwerkern, die Betriebe sind gegenüber den Kunden in einer vergleichsweise starken Position.

Hans Peter Wollseifer:  Ganz so ist es sicher nicht. Handwerker sind keine Goldgräber, hier gilt weiter der Grundsatz, fair zu kalkulieren. Und auch wenn das Handwerk aktuell sehr gefragt ist, können dennoch nicht alle Kostensteigerungen bei Personal und Material vollständig an die Kundschaft weitergegeben werden. In Einzelfällen ist es sogar so, dass Betriebe vereinbarte Aufträge ausführen, mit denen sie kein Geld verdienen. Generell beobachten wir jedoch, dass Privatkunden durchaus Verständnis für Preissteigerungen aufbringen und vor allem mehr Verständnis als etwa kommunale Auftraggeber. Nur zehn Prozent der kommunalen Ausschreiber gestehen dem Handwerk Preisgleitklauseln zu. Das könnte dazu führen, dass sich immer weniger Betriebe an kommunalen Ausschreibungen beteiligen.

Dabei kommen erhebliche Aufträge auf das Handwerk zu – allein, wenn man sich Klimaschutz-Maßnahmen an öffentlichen Gebäuden anschaut ...

Willi Rugen: Ja, wenn man sieht, welche kommunalen und privaten Investitionen notwendig sind, um den Verkehrssektor, um Gebäude und industrielle Anlagen klimaneutral zu machen, kommt man nicht umhin zu sagen, dass die Aufgabe gewaltig ist. Und in der Tat liegt ein Großteil der Realisierung in Händen des Handwerks – denken wir nur an Wärmedämmung, Heizungsbau, Photovoltaik und vieles mehr. Das Problem an dieser Menschheitsaufgabe ist allerdings nicht das Geld, nicht die Technologie und nicht das Know-how. Der Fachkräftemangel schwächt bereits heute unsere Fähigkeit, die Klimaziele zu erreichen.

Hans Peter Wollseifer: Ich stimme Ihnen zu: Das technologische Know-how und die Technologie an sich sind gegeben. Aber der Fachkräftemangel stellt uns vor erhebliche Probleme, die Klimaziele zu erreichen. Doch das ist nicht der einzige Faktor, der dies erschwert. Die Anlagen, die Hardware, die Materialien, die wir benötigen, sind schlicht nicht in ausreichender Zahl vorhanden. Ein Beispiel: Wir müssten jeden Tag 2.000 Wärmepumpen einbauen. Die gibt es im Markt aber nicht. Noch problematischer ist das Thema Photovoltaik – hier verfügen wir noch nicht einmal mehr über eine eigene Produktion, sondern sind auf China angewiesen.

Wie können wir aus der Fachkräftemisere herauskommen?

Hans Peter Wollseifer: Wir haben als ZDH und Handwerk schon sehr lange darauf hingewiesen, dass wir mehr Fachkräfte ausbilden müssen. Wir sind dazu auch schon seit Jahren selbst aktiv, werben mit Projekten schon in Kitas und Schulen für das Handwerk, haben neue Bildungswege und Berufsabschlussbezeichnungen auf den Weg gebracht, rühren seit mehr als zehn Jahren mit unserer Handwerkskampagne immer stärker auch über Social Media für Handwerksberufe die Werbetrommel. Doch blieb es durch die Politik bislang vor allem bei politischer Beipflichtung, ohne dass die berufliche Bildung tatsächlich tatkräftig, auch finanziell unterstützt wurde. Das muss sich ändern. Heute sagt man uns: ‚Wir haben doch jetzt das Fachkräfteeinwanderungsgesetz‘. Das stimmt, dieses Gesetz haben wir lange gefordert und bei seiner Ausgestaltung intensiv mitgewirkt. Aber: Selbst dieses Gesetz holt uns ganz sicher nicht genügend Fachkräfte ins Land.

Willi Rugen: Dabei hört man, wenn man mit den Handwerksbetrieben spricht, immer wieder von tollen Beispielen für die Integration etwa von Geflüchteten aus Afghanistan oder Syrien – ich finde das sehr ermutigend, wie die Wirtschaft ganz praktisch nach Lösungen sucht. Ich verstehe allerdings nicht, dass wir Geflüchteten nicht erlauben, eine Arbeit aufzunehmen, selbst wenn sie Monate oder Jahre bei uns leben. Ebenso wenig ist nachzuvollziehen, dass junge Menschen nach abgeschlossener Ausbildung fortgeschickt werden, obwohl ihr Betrieb sie gerne halten würde. Doch es gibt meiner Ansicht nach ein weiteres Problem: Wir müssen das Handwerk attraktiver machen. Nicht so sehr auf der Verdienstseite, sondern vom Image her.

Hans Peter Wollseifer: Ich stimme Ihnen zu, dass wir im Handwerk absolute Integrationsspezialisten sind. Unsere Betriebe sind meistens klein, häufig familiär strukturiert, haben im Schnitt zwischen fünf und sieben Beschäftigte. Hier arbeiten alle eng zusammen und Menschen können gut integriert werden. Und trotzdem werden wir nur mit Zuwanderung die Fachkräftelücke nicht schließen können. Wir müssen dem Fachkräftemangel vor allem aus eigener Kraft etwas entgegensetzen, wir müssen unsere künftigen Fachkräfte hier im Land ausbilden. Ich sage: Wir brauchen als Voraussetzung für die Klimawende erst einmal eine Bildungswende. Politiker müssen den Mut haben zu sagen, dass wir in den vergangenen Jahren zu sehr auf Akademisierung gesetzt haben. Natürlich brauchen wir Top-Akademiker in Forschung, Ökonomie, Entwicklung. Aber es ist nicht zielführend, wenn 54 Prozent eines Jahrgangs studieren. Wir brauchen an den zentralen Stellen in unserer Gesellschaft und Wirtschaft beruflich qualifizierte Handwerkerinnen und Handwerker. Es ist daher an der Zeit, dem Handwerk wieder die gesellschaftliche Wertschätzung entgegenzubringen, die seiner Bedeutung entspricht. Für die gute Entlohnung sorgen wir bereits: Ein Architekt im ersten Berufsjahr verdient weniger als ein Gerüstbaumeister, um nur ein Beispiel zu nennen. Gegen das Klischee, dass das Handwerk schmutzig, hart und schlecht bezahlt ist, müssen wir alle gemeinsam angehen. Denn Handwerk heute ist innovativ, kreativ, digital und modern.

Was wünschen Sie sich hier von der Politik?

Hans Peter Wollseifer: Die Politik muss die berufliche Bildung im Rahmen einer Bildungswende unterstützen – ideell und finanziell. Nach dem Vorbild etwa der Schweiz sollte die Gleichwertigkeit der Bildung gesetzlich verankert werden, das ist unsere Forderung. Denn dann müssen alle Entscheidungen vor dem Hintergrund dieser gesetzlichen Verankerung getroffen werden. Und natürlich braucht es eine ausreichende Finanzierung. Eine neue Universität wird heute zu großen Teilen vom Bund finanziert. Wenn wir unsere handwerklichen Bildungszentren – die Akademien des Handwerks – modernisieren oder neu bauen, brauchen wir ebenfalls mehr Finanzierung und schnellere Prozesse.

Willi Rugen: Uns beschäftigt das Thema Bildung ebenso – wir engagieren uns im Bündnis für ökonomische Bildung (BÖB) für ein obligatorisches Schulfach Wirtschaft. Damit jeder junge Mensch das wirtschaftliche Rüstzeug für ein gutes Leben erhält. Aus der Perspektive Ihres Verbandes ist das ist vielleicht ebenfalls eine interessante Frage: Schließlich werden aus Ihren Meistern schnell Unternehmer, etwa, wenn sie selbst einen Betrieb gründen oder eine Nachfolge antreten. Woher haben sie eigentlich das betriebswirtschaftliche Know-how? Unterstützen Sie als Verband?

Hans Peter Wollseifer: Auch wir fordern seit vielen Jahren das Schulfach Wirtschaft – bereits 2010 haben wir uns gemeinsam mit dem Gemeinschaftsausschuss der deutschen gewerblichen Wirtschaft für das Thema ökonomische Bildung in den Schulen stark gemacht. Wir gehen aber sogar noch einen Schritt weiter und wünschen uns wieder den Werkunterricht in der Grundschule, der dann in der fünften Klasse am besten in ein Fach Wirtschaft mündet. Wenn wir über Qualifizierungen bis zur Betriebsführung reden, müssen wir uns zunächst bewusst machen: Es gibt über 130 handwerkliche Berufe, viele unserer Betriebe sind Ein-Mann-Unternehmen, aber es gibt auch Handwerksunternehmen mit 1.000 und mehr Beschäftigten. Das ist eine unglaubliche Bandbreite an Tätigkeiten und Betriebsgrößen.

Und bringt äußerst unterschiedliche Ansprüche an Betriebsführung oder Finanzierung mit sich. Wie werden Sie dem gerecht?

Hans Peter Wollseifer: Mit einer Vielzahl von Qualifizierungsmöglichkeiten. Für junge Menschen, die sich noch nicht entscheiden können, ob sie eine akademische oder handwerkliche Ausbildung absolvieren möchten, gibt es das BerufsAbitur, mit dem sie eine Lehre und das Abi miteinander verbinden können. Der Meisterqualifizierung fällt im Bereich des Handwerks natürlich eine zentrale Rolle zu. Für die Meisterprüfung wird bereits das Know-how in Personalführung, Personalentwicklung und Betriebswirtschaft vermittelt, das für die Führung eines Betriebes notwendig ist. Auch berechtigt der Meister zu einem Hochschulstudium und ermöglicht es, ein betriebswirtschaftliches Studium noch draufzusatteln. Eine weitere Option ist, sich zum Betriebswirt des Handwerks fortzubilden. Nicht zu vergessen das triale Studium: Wer eine Hochschulzugangsberechtigung vorweisen kann, kann innerhalb von viereinhalb Jahren eine Lehre machen, die Gesellen- und Meisterprüfung ablegen und Betriebswirtschaft studieren. Parallel dazu arbeiten wir an Exzellenz-Akademien für das Handwerk und unterstützen unsere Mitglieder bei Gründungen oder Übernahmen über 53 Handwerkskammern deutschlandweit mit 900 eigenen Beraterinnen und Beratern.  

Abschließend eine letzte Frage: Wir haben bereits über die Chancen der Klimawende gesprochen. Zur Klimawende gehört aber auch die Verkehrswende. Wie stehen Sie dazu?

Hans Peter Wollseifer: Zunächst einmal halte ich es für unerlässlich, dass unsere Gesellschaft klimafreundlicher wird – auch im Mobilitätsbereich. Elektromobilität und der Ausbau des ÖNPV sind dafür wichtige Ansätze. Wir wünschen uns aber insgesamt Technologieoffenheit und die Berücksichtigung der Belange des Handwerks in der politischen Debatte. Im Handwerk treiben wir die Antriebswende voran. Die Betriebe beschäftigen sich auch mit ressourcenschonendem Mobilitätsmanagement. Und wo es geht, werden auch zunehmend Lastenräder eingesetzt. Das Handwerk als entscheidender Dienstleister für die nachhaltige Stadtentwicklung und die Energiewende wird aber auch in Zukunft auf seine – dann klimaschonenden – Transporter angewiesen bleiben. Inzwischen gibt es Kommunen, in deren Innenstädten sich Handwerksbetriebe immer schlechter bewegen können. In Köln, Frankfurt, München, Bonn und vielen anderen Städten können wir mit unseren Lieferfahrzeugen nicht mehr oder nur sehr schwer parken. Die Reduzierung des Kraftfahrzeugverkehrs ist sinnvoll – davon könnte das Handwerk sogar profitieren. Aber ebenso wie Ver- und Entsorger und wie die Notdienste müssen auch Handwerkerinnen und Handwerker mit ihren Transportern zu den Kundinnen und Kunden kommen. Eine Wärmepumpe kann ich nicht mit dem Fahrrad anliefern und auch nicht ohne mobile Werkstatt installieren. Es gibt Betriebe in den Ballungszentren, die keine Aufträge mehr in der Innenstadt annehmen, wenn ihnen die Kunden keinen Parkplatz bereitstellen können. Die Kommunalpolitik muss hier weiter denken, als es gegenwärtig oft der Fall ist, und das Handwerk als Partner der Mobilitätswende und nachhaltigen Stadtentwicklung begreifen.

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