Zentralverband des
Deutschen Handwerks
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Deutschen Handwerks
16.06.2022

Die Bildungswende muss gesetzlich verankert werden

ZDH-Präsident Wollseifer fordert bei "Media Pioneer", die Gleichwertigkeit beruflicher und akademischer Bildung gesetzlich zu verankern.
KFZ-Meister und Auszubildene arbeiten an einer Radaufhängung in der KFZ-Werkstatt.

Um mehr Fachkräfte gewinnen zu können, muss echte Gleichwertigkeit in der Bildungspolitik hergestellt werden. ZDH-Präsident Wollseifer fordert gegenüber Rasmus Buchsteiner von "Media Pioneer", dies verfassungsrechtlich zu verankern.

"Unsere Handwerksbetriebe befinden sich nach zwei Jahren Corona-Pandemie und aktuell durch die Auswirkungen des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine in einem konjunkturell extrem stürmischen Umfeld. Ein zu Jahresbeginn noch erwartetes konjunkturelles Durchstarten wird es nicht geben. Auch der bislang als Konjunkturanker wirkende Bau- und Ausbaubereich verliert zusehends an Stabilität, weil fehlende Materialien, gestörte Lieferketten und exorbitante Preissteigerungen es inzwischen vielfach unwirtschaftlich machen, Aufträge anzunehmen oder auszuführen. In dieser schwierigen Situation muss Politik alles vermeiden, was unsere Handwerksbetriebe noch zusätzlich belastet – sei es finanziell oder sei es durch bürokratische Vorgaben. Zugleich brauchen unsere Betriebe vor allem Liquidität und finanzielle Unterstützung. Ganz besonders aber muss Politik endlich eine "Bildungswende" vornehmen: hin zu einer echten gleichwertigen Behandlung von beruflicher und akademischer Bildung.

Einig sind wir uns mit der Politik inzwischen zumindest in dem Befund, dass wir Zehntausende zusätzliche qualifizierte Handwerkerinnen und Handwerker brauchen, um die von der Politik angestrebten "Wenden" beim Klima, bei Energie und der Mobilität umsetzen zu können. Das wird nur mit qualifizierten Handwerkerinnen und Handwerkern gelingen können. Daher nochmals unsere eindringliche Aufforderung: Wir müssen eine Bildungswende vornehmen, weil sie die Voraussetzung für alle anderen Wenden ist! Angesichts der zentralen Rolle von qualifizierten Fachkräften für unsere Zukunft müssen die Kompetenzen und Fähigkeiten, die über die berufliche Bildung erworben werden, wieder in gleichem Maße wertgeschätzt und anerkannt werden wie die an Hochschulen erworbenen Kompetenzen.

Bildungswende heißt: den Schritt dahin zu vollziehen, dass die Formel: Bildung = Bildung endlich Gültigkeit hat. Politik muss die Gleichwertigkeit beruflicher und akademischer Bildung gesetzlich verankern, am besten in der Verfassung. Eine solche rechtliche Festlegung würde zum einen zeigen, dass es Politik mit der Bildungswende ernst ist, und zum anderen wären Politiker bei ihren Entscheidungen im Bildungsbereich auch zur Mittelverteilung angehalten, berufliche und akademische Bildung gleichermaßen auszustatten. Echte Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung bedeutet beispielsweise, die Modernisierung von Bildungszentren und Berufsschulen schneller voranzubringen. Viele unserer über 600 handwerklichen Bildungszentren bundesweit sind  zu modernisieren und müssen weiterentwickelt werden. Die Berufsschulen sind in einem zum Teil erbärmlichen Zustand. Wir möchten gut ausgestattete Universitäten, aber genauso brauchen wir gut ausgestattete Berufsbildungszentren des Handwerks. Wenn eine Universität erweitert wird, zahlen Bund und Land das zu großen Teilen. Hier brauchen wir eine Finanzierung auf Augenhöhe und schnellere Prozesse. Und warum trennen wir eigentlich studentisches Wohnen vom Wohnen junger Azubis? Mein Vorschlag: Studentenwohnheime auch für Auszubildende öffnen. Warum müssen Azubis eigentlich Sozialabgaben auf ihre Ausbildungsvergütung zahlen? Und Handwerkerinnen und Handwerker, die ihren Meister machen, müssen immer noch einige Tausend Euro selbst zahlen. Das alles zeigt die Ungleichbehandlung. Momentan ist es so, dass wir in der Bildung eine Zwei-Klassen-Gesellschaft haben. Das muss sich ändern.

Die berufliche Bildung muss dringend der akademischen Ausbildung gleichgestellt und die Bedingungen der Berufsbildung attraktiver gestaltet werden. Es braucht endlich mehr Wertschätzung für berufliche Bildung. Nur dann können wir auch wieder mehr junge Menschen dafür gewinnen, den berufspraktischen Weg einzuschlagen, und so zu den qualifizierten Fachkräften zu werden, die unser Land so zwingend für alle Transformationsprozesse und damit für unsere Zukunft braucht."

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