Zentralverband des
Deutschen Handwerks
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Deutschen Handwerks
27.07.2023

Praxis Recht - Drohende Insolvenz des Vertragspartners

Handwerksbetriebe sollten Warnsignale einer drohenden Insolvenz bei Vertragspartnern erkennen und die richtigen Maßnahmen ergreifen. Das neue Praxis Recht bietet einen allgemeinen Überblick über die relevanten rechtlichen Aspekte.
Galvaniseur an der Kasse

Warnsignale

Handwerksbetriebe sollten auf bestimmte Warnsignale achten, die auf eine drohende Insolvenz des Vertragspartners (gewerbliche Kunden oder Lieferanten) hinweisen. In der Regel bildet sich eine drohende Insolvenz als schleichender Prozess ab. Folgende Anzeichen können bei gehäuftem Auftreten auf eine drohende Insolvenz hinweisen:

  • Überschreitung von Zahlungszielen (Kunden)
  • Bitte um Gewährung längerer Zahlungsziele (Kunden)
  • Hinauszögerung der Abnahme bei Werkverträgen (Kunden)
  • Neue Aufträge trotz Altschulden (Kunden)
  • Bitte um Ratenzahlung zur Tilgung der Altverbindlichkeiten (Kunden)
  • Lieferprobleme und nachlassende Qualität (Lieferanten)
  • Keine Gewährung von bisher üblichen Skonti-Abzügen (Lieferanten)
  • Neue Bankverbindung
  • Entlassungen von Beschäftigten
  • Neue Gesellschaftsform
  • Verlagerung des Betriebssitzes
  • Schließung von Niederlassungen

Sofortmaßnahmen

1. Gespräch mit der Geschäftsleitung suchen

Bei Vorliegen von Anzeichen einer drohenden Insolvenz des Geschäftspartners sollte schnellstmöglich das Gespräch mit dessen Geschäftsleitung gesucht und die Situation offen angesprochen werden, um sich Klarheit zu verschaffen und gegebenenfalls Lösungen für die künftigen Geschäftsbeziehungen zu finden. Absprachen (z.B. konkrete Ratenzahlungen mit kurzfristigen Zahlungszielen) sollten schriftlich festgehalten werden.

2. Alternativen prüfen

Das dauerhafte Ausbleiben benötigter Materiallieferungen kann zu eigenen Problemen im Betrieb führen, wenn infolgedessen eigene Aufträge nichtausgeführt werden können und Liquiditätsengpässe entstehen. Je wichtiger ein Lieferant für die Ausübung des eigenen Gewerbes ist, desto eher sollten sich Handwerksbetriebe bei Anzeichen einer drohenden Insolvenz nach Alternativen für benötigte Materiallieferungen umschauen


3.Insolvenzbekanntmachungen beobachten

Bei andauernden Anzeichen für eine drohende oder gar eingetretene Insolvenz des Vertragspartners, sollten Betriebe regelmäßig über www.insolvenzbekanntmachungen.de prüfen, ob bereits amtliche Bekanntmachungen erfolgt sind (z. B. Anordnung vorläufiger Maßnahmen nach Stellung eines Insolvenzantrags, Eröffnung eines Insolvenzverfahrens, Abweisung eines Insolvenzantrags mangels ausreichenden Vermögens des Schuldners).

Absicherung

Um eigenen Zahlungsausfällen im Falle angeschlagener Geschäftspartner vorzubeugen und eine ausreichende Liquidität zu gewährleisten, ist ein zuverlässiges Forderungsmanagement hilfreich. Folgende Sicherungsinstrumente können dabei sinnvoll sein:

  • Informationsbeschaffung und Bonitätsauskunft über Handels- und Unternehmensregister/Wirtschaftsauskunftei/Schufa-Auskunft
  • Leistungserbringung nur gegen Vorauskasse, Anzahlung oder angemessene Zahlungsraten
  • Bei Werkverträgen: Geltendmachung des gesetzlichen Anspruchs auf Abschlagszahlungen und falls nötig Ausübung des Unternehmerpfandrechts an den vom Unternehmer hergestellten oder ausgebesserten Sachen des Bestellers
  • Bei Bauverträgen (§ 650a BGB): Geltendmachung der gesetzlichen Ansprüche des Bauunternehmers gegen den Besteller auf Einräumung einer Sicherungshypothek oder Bauhandwerkersicherung
  • Einforderung von Bankbürgschaften
  • Abschluss einer Warenkreditversicherung
  • Factoring (Forderungsverkauf)
  • Eigentumsvorbehalte an zu liefernden Waren (Vorteil im Falle der Insolvenz des Geschäftspartners: Die unter Eigentumsvorbehalt gelieferten Waren können grundsätzlich herausverlangt werden, wenn noch keine vollständige Zahlung erfolgt ist und der Vertrag nicht fortgeführt wird)

 

Hinweis: Diese Maßnahmen können unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls nicht in jeder Situation verhindern, dass durch Kunden geleistete Zahlungen nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Vertragspartners vom Insolvenzverwalter zurückgefordert werden (Insolvenzanfechtung).

Eröffnung des Insolvenzverfahrens

Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens wurde gestellt

Ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Vertragspartners ist entweder durch den Schuldner selbst oder durch dessen Gläubiger möglich. Falls ein Eröffnungsantrag beim zuständigen Insolvenzgericht gestellt wurde, kann das Gericht bereits vor der Entscheidung über den Insolvenzantrag vorläufige Maßnahmen anordnen, um in dieser frühen Phase Nachteile von Gläubigern abzuwenden. Insbesondere kann das Gericht einen vorläufigen Insolvenzverwalter bestellen. Dieser sollte frühzeitig kontaktiert werden, um die Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners abzuklären. Die Verfügungsbefugnis kann entweder auf den vorläufigen Insolvenzverwalter übergehen oder weiterhin vorerst beim Schuldner verbleiben (evtl. unter Zustimmungsvorbehalt des vorläufigen Insolvenzverwalters). Falls das Gericht ein Insolvenzgutachten beauftragt hat, sollte der Gutachter kontaktiert werden.

Insolvenzverfahren wurde eröffnet

Wenn ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Vertragspartners eröffnet wurde, sollte schnellstmöglich rechtliche Expertise eingeholt werden, um ausstehende Forderungen bestmöglich durchzusetzen und das Risiko von Insolvenzanfechtungen abzuklären.

Bei Regelinsolvenzverfahren sollte unverzüglich der zuständige Insolvenzverwalter bzw. bei Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung der Sachwalter kontaktiert werden, um die weitere Vorgehensweise abzuklären.

  • In einem Regelinsolvenzverfahren hat der Insolvenzverwalter bzgl. sämtlicher bestehender Vertragsbeziehungen ein sog. Erfüllungswahlrecht: Ist ein Vertrag nach Insolvenzeröffnung auf beiden Seiten nicht oder nicht vollständig erfüllt, kann der Insolvenzverwalter die Erfüllung des Vertrages entweder verlangen oder ablehnen. Gläubiger können den Insolvenzverwalter laut Gesetz aktiv dazu auffordern, dieses Wahlrecht auszuüben. Zur Schaffung klarer Rechtsverhältnisse kann dieses Aufforderungsrecht Klarheit und Planungssicherheit für Betriebe schaffen.
  • Bei Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung liegt das Erfüllungswahlrecht beim Insolvenzschuldner. Die Aufforderung zur Ausübung des Wahlrechts hinsichtlich offener Verträge ist in diesem Fall daher an den Insolvenzschuldner zu richten.

 

In Zweifelsfällen bezüglich der gesetzlichen Bestimmungen sollte das Beratungsangebot der Handwerkskammern, Innungen und Fachverbände in Anspruch genommen werden.

Praxis Recht zum Download

  • Praxis Recht "Drohende Insolvenz des Vertragspartners"

Bitte beachten

Bei den hier zur Verfügung gestellten Informationen handelt es sich um allgemeine Hinweise zu handwerksrelevanten Rechtsthemen. Darüberhinausgehende Informationen und insbesondere individuelle Beratungen sind dem ZDH nicht gestattet. Bitten nutzen Sie bei weitergehenden Fragen zu den hier dargestellten Themen die Beratungsangebote Ihrer Handwerksorganisation vor Ort (Handwerkskammern, Innungen und Fachverbände).

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