Zentralverband des
Deutschen Handwerks
Zentralverband des
Deutschen Handwerks

Aus der Krise lernen: Systemrelevanz einheitlich definieren

ZDH-Kompakt zum Thema "Aus der Corona-Krise lernen: Systemrelevanz einheitlich definieren" vom 28. September 2020.

ZDH-Kompakt, September 2020

Ausgangslage

Während des massiven Corona-Lockdowns im zweiten Quartal 2020 mussten zeitnah komplexe und folgenreiche Entscheidungen getroffen werden: Welche Unternehmen dürfen – grundsätzlich bzw. nach Maßgabe bestimmter Hygiene-Regelungen – weiterhin mit Kundenkontakt tätig bzw. geöffnet bleiben? Wem steht Kindernotbetreuung zu? Welche Unternehmen erhalten bei Versorgungsschwierigkeiten vorrangig Zugang zu hygienespezifischen Produkten? Wie wird z.B. grenzüberschreitende Mobilität in größtmöglichem Umfang gewährleistet? Welche Ausnahmen gelten bei lokalen Zugangs- und Ausgangsbeschränkungen?

Für diese Entscheidungen gab es zunächst keine Erfahrungswerte und damit auch keine einheitlichen Maßstäbe und Verfahrensregelungen. Zwar bemühten sich Bund und Länder um möglichst abgestimmte Regelungen. Gleichwohl entschieden letztere nach ihren jeweils eigenen Kriterien. Weitere Unterschiede resultierten aus den Konkretisierungen auf kommunaler Ebene.

Dies führte zu einem Flickenteppich unterschiedlichster Regelungen, die gerade auch für diejenigen Handwerksunternehmen Unsicherheiten und administrativen Aufwand bewirkten, die unverzichtbar bei der Aufrechterhaltung grundlegender Dienste waren: von der Lebensmittel- und Gesundheitsversorgung über die Gewährleistung der Hygiene im Krankenhaus- und Pflegbereich bis hin zur Aufrechterhaltung öffentlicher und privater Infrastruktur durch Notdienste.

Aus den damaligen Problemen müssen rasch die grundsätzlichen Lehren gezogen werden – gerade auch in Anbetracht möglicherweise anstehender neuerlicher, zumindest regionaler Einschränkungen in Abhängigkeit von der weiteren pandemischen Entwicklung in Herbst und Winter.
 

Schwächen bestehender Regelungen

Systemrelevanz und Zugehörigkeit zur sog. kritischen Infrastruktur (KRITIS) waren bisher die zentralen Maßstäbe, anhand derer Corona-bedingte Entscheidungen seitens der Länder und Kommunen getroffen wurden.

Zurückgegriffen wurde dabei mangels anderweitiger Hilfestellungen auf bereits vorliegende Konzepte und Auflistungen insbesondere des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) und des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnologie (BSI). Diese Listen waren jedoch in gänzlich anderem thematischem Zusammenhang entwickelt worden, z.B. die BSI-Liste mit dem Ziel, für einzelne Sektoren und Bereiche Vorgaben zur Sicherstellung der Cybersicherheit festzulegen.

Zudem sind diese Listen im Corona-Kontext nicht unmittelbar geltendes Recht und geben nur sehr allgemeine Hinweise, die für die praktische Anwendung im jeweiligen Bundesland und dann vor Ort auch erst noch konkretisiert werden mussten – nicht zuletzt dahingehend, welche konkreten Tätigkeiten im jeweiligen Entscheidungskontext tatsächlich „systemrelevant“ bzw. „kritisch“ sind. Hieraus und aus den damit verbundenen Umsetzungsschwierigkeiten müssen nicht nur im Lichte der weiteren Corona-Entwicklung die erforderlichen Lehren und Konsequenzen gezogen werden. Wie aktuell dies weiterhin ist, zeigen nicht zuletzt die Diskussionen zur künftigen Ausgestaltung etwaiger Reisebeschränkungen oder zum Zugang zu Schnelltest- und Impfkapazitäten.
 

Was zu tun ist

Notwendig ist ein bundesweit weitestmöglich einheitlicher und dann auch bindender Maßstab für die Entscheidungserfordernisse bei einem regionalen oder gar bundesweiten Lockdown:

  • Bund, Länder und Gemeinden müssen ein gemeinsames Grundverständnis dafür erzielen, welche Tätigkeiten im Pandemie-Kontext systemrelevant bzw. kritisch sind. In einer solchen Positivliste muss definiert werden, welche vor- und nachgelagerten Produkte und Dienstleistungen für die Funktionsfähigkeit des jeweiligen Bereichs notwendig sind. So sollte ein Textil- oder ein Gebäudereiniger nicht erst aufwändig seine unverzichtbare Relevanz für die Sicherstellung der Hygiene z.B. im Gesundheits- oder Schulbereich belegen müssen.
  • Die bisherige Orientierung auf öffentliche Infrastrukturen muss ergänzt werden um Tätigkeiten, die auch für die private Lebensführung notwendig sind; z.B. handwerkliche Gesundheits- oder Notdienste.
  • In die Entwicklung der Positivliste müssen die betroffenen Wirtschaftskreise von Anfang an einbezogen werden.
  • Kommunale Konkretisierungsentscheidungen müssen zwecks möglichst großer Vergleichbarkeit und Vereinheitlichung bundesweit transparent gemacht werden.
  • Notwendig ist gleichfalls ein bundeseinheitliches Verfahren für den Nachweis und die Bestätigung systemrelevanter bzw. kritischer Tätigkeiten.
  • Die Verflechtung der Wirtschaft erfordert zudem einheitliche EU-Vorgaben.

Zum Herunterladen

  • Aus der Corona-Krise lernen: Systemrelevanz einheitlich definieren
    ZDH-Kompakt, September 2020

Schlagworte