Zentralverband des
Deutschen Handwerks
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Deutschen Handwerks
28.09.2023

"Recht auf Reparatur – Chancen und Risiken für das Handwerk?"

Im EU-Parlament wird das "Recht auf Reparatur" verhandelt. Produkte sollen häufiger repariert und seltener durch neue Waren ersetzt werden. Dazu diskutiert Berichterstatter Prof. Dr. René Repasi (SPD) mit Tim Krögel, Leiter der ZDH-Vertretung bei der EU.
Repasi 2022

Das neue Recht auf Reparatur soll Verbraucherinnen und Verbraucher dazu animieren, mehr Produkte als bislang reparieren zu lassen. Zudem verspricht sich die Kommission davon mehr Wettbewerb bei Reparaturdienstleistungen. Wie bewerten Sie den begrenzten produktbezogenen Ansatz? 

Der Vorschlag der Kommission zur Förderung von Reparaturen geht ein aus meiner Sicht wichtiges Problem an: Es bedarf neuer Anreize für Verbraucherinnen und Verbraucher, damit Reparaturen verstärkt nachgefragt werden. Da macht es wenig Sinn, Produkte von vorneherein nicht mit einzubeziehen, die offensichtlich reparierbar sind und für die bereits eine Reparaturkultur besteht. Ich denke da besonders an Fahrräder und Kfz. Es gibt hier zwei grundsätzliche Ansätze: Entweder werden nur diejenigen Produkte einbezogen, für die zu wenig Reparaturen nachgefragt werden, oder man trifft eine grundsätzlichere Regelung und verbessert die Reparaturbedingungen insgesamt. Ich meine, dass ein solcher genereller Rahmen besser wäre. Davon könnten aus meiner Sicht auch Handwerkbetriebe profitieren, die Reparaturdienstleistungen anbieten.

Wird die Reparatur innerhalb der ersten zwei Jahre vorgenommen, handelt es sich um einen Gewährleistungsfall und der Anspruch richtet sich gegen den Verkäufer. Danach soll das Recht auf Reparatur direkt gegen den Hersteller bestehen. Was bedeutet das für Handwerksbetriebe, die Kaufverträge abschließen, und auf welche Veränderungen müssen sie sich einstellen?

Innerhalb der ersten zwei Jahre nach Kauf kann ein Mangel bislang gleichwertig durch Reparatur oder Ersatzlieferung behoben werden. Das schafft jedoch Fehlanreize und in zu vielen Fällen werden Produkte ersetzt, obwohl sie eigentlich hätten repariert werden können. Hier setzt das neue Gesetz an: die Reparatur soll künftig eindeutig den Vorrang bekommen. Was die Dauer der Gewährleistungsfrist anbelangt, gibt es bereits ein sehr buntes Bild in Europa. Einige Mitgliedstaaten haben deutlich längere Fristen als Deutschland mit dem Mindeststandard von zwei Jahren. Ich denke aber, wir kommen in Teufels Küche, wenn wir diese grundsätzliche Diskussion jetzt wieder aufmachen, zumal wir noch vor den Europawahlen im Juni 2024 eine Einigung erzielen wollen.

Nach den zwei Jahren wird die im Vorschlag vorgesehene Plattform helfen, die Vergleichbarkeit zwischen Reparaturangeboten zu verbessern und Reparaturbetrieben die Möglichkeit bieten, dass ihre Angebote verstärkt wahrgenommen werden. Inakzeptabel wäre dagegen ein Wettbewerb über den Faktor Arbeit, der zu geringeren Löhnen führt. Außerdem bedarf es immer noch des gesunden Menschenverstands: Nur weil ein Kunde aus Karlsruhe sein Produkt für 2,50 Euro weniger in Hamburg reparieren lassen kann, macht es überhaupt keinen Sinn, das Produkt nach Hamburg und wieder zurückzuschicken.

Reparaturen gehören zum Kerngeschäft vieler Handwerksbetriebe. Allerdings hapert es noch am fairen Zugang zu bezahlbaren Ersatzteilen und Reparaturinformationen. Wie kann das Recht auf Reparatur hier Abhilfe schaffen?

Für bezahlbare Reparaturen ist entscheidend, dass ein fairer Ersatzteilmarkt besteht. Noch sehe ich da erhebliche Probleme. Teilweise werden horrende dreistellige Preise für Ersatzteile gefordert, die man theoretisch für wenige Cent mit einem 3D-Drucker nachdrucken könnte. Ausflüchte wie der Schutz geistigen Eigentums oder von Geschäftsgeheimnissen lasse ich nicht gelten. Denn genau darum geht es beim Vorschlag zum Recht auf Reparatur: Wir wollen die Hersteller verpflichten, ihren Kunden und unabhängigen Reparaturdienstanbietern Ersatzteile und Reparaturanleitungen zu angemessenen Preisen zur Verfügung zu stellen. Nur so kann der Wettbewerb angeheizt werden.

Reparaturbetriebe sollen künftig ein Formular ausfüllen, das u.a. über den Preis informiert. In der Praxis können diese Angaben häufig nicht gemacht werden, ohne die Ware vorher genauer zu prüfen. Wie kann hier nachgebessert werden?

Das Europäische Formular für Reparaturinformationen ist nach meinem Verständnis nichts anderes als ein formalisierter Kostenvoranschlag. Ich sehe aber auch, dass der Aufwand für kleine Reparaturen unter Umständen unverhältnismäßig hoch ist und dazu führen könnte, dass Reparaturen im Niedrigpreissegment gar nicht mehr angeboten werden. Es kann auch sein, dass das Formular für kompliziertere Reparaturen schlicht und einfach nicht passt. Wir werden uns in den weiteren Verhandlungen damit beschäftigen. Alle Optionen liegen auf dem Tisch, auch ein Wegfall des Formulars ist denkbar. Ich hoffe, dass es gelingt, den Kostenvoranschlag in der EU so zu regeln, dass er auch für Handwerksbetriebe praktikabel ist. Gerne tausche ich mich dazu weiter mit Ihnen aus.

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