Zentralverband des
Deutschen Handwerks
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„Fit für 55“-Paket: Energie- und Klimapolitik gleichgewichten

ZDH-Kompakt zum Thema "'Fit für 55'-Paket: Energiepolitik und Klimapolitik gleichgewichtig gestalten" vom 6. April 2021.

ZDH-Kompakt, April 2021

Hintergrund

Eines der Kernanliegen des „Green Deal“ ist es, Klimaneutralität für Europa bis 2050 zu erreichen. Das künftige europäische Klimagesetz soll dieses Ziel rechtlich verbindlich festschreiben und ein Zwischenziel für 2030 formulieren: Bis zum Jahr 2030 sollen mindestens 55 % weniger Treibhausgase im Vergleich zu 1990 emittiert werden. Der Regelungstext wird derzeit zwischen Rat, Europäischem Parlament und Kommission verhandelt. Da sich der Rat auf ein Minderungsziel von mindestens 55 % und das Parlament auf 60 % festgelegt haben, ist ein Zielwert zwischen 55 % und 60 % zu erwarten.

Zur Umsetzung des 2030-Ziels hat die Kommission im Januar das sogenannte „Fit für 55“-Paket angekündigt. Es umfasst zwölf klima- und energiepolitische Regelungsvorhaben. Davon sind die Überarbeitung der Vorschriften für Energieeffizienz, erneuerbare Energien, Gebäudeenergieeffizienz und Abgasnormen für Fahrzeuge von besonderem Interesse für das Handwerk. Außerdem wird die Ausweitung des Emissionshandelssystems auf den für das Handwerk bedeutenden Mobilitäts- und Gebäudesektor geprüft.

Bewertung

Eine eventuelle Verschärfung des Treibhausgasminderungsziels für das Jahr 2030 lässt erwarten, dass sich das energiepolitische Dreieck aus Versorgungssicherheit, Bezahlbarkeit und Ökologie zugunsten ökologischer Belange verschiebt. In der Folge droht der klimapolitisch erforderliche Ausbau der Erneuerbaren Energien, auch aufgrund des schleppenden Netzausbaus, die Versorgungssicherheit und die Bezahlbarkeit der Energie zu gefährden. Aufgrund steigender Energiekosten, insbesondere für energieintensive Gewerke, werden zusätzliche Energieeffizienzinvestitionen erforderlich. Dies darf das energiepolitische Dreieck nicht aus dem Gleichgewicht bringen.

Neben einer Verschiebung des Zieldreiecks zugunsten der Treibhausgasminderung geht zudem von der Revisionsgeschwindigkeit der europäischen Energie- und Klimapolitik ein betriebswirtschaftliches Risiko aus. Da erst im Jahr 2018 mit dem „Energiewinterpaket“ die wesentlichen Teile der Energieeffizienz-, erneuerbare Energien- und Gebäudeenergieeffizienz-Richtlinien überarbeitet wurden, wird mit der nun im Rahmen des „Fit für 55“-Paketes anstehenden erneuten Überarbeitung des Regelungswerkes die für betriebliche Investitionen erforderliche Planungssicherheit gefährdet. Die unnötig hohe Überarbeitungsgeschwindigkeit der Vorschriften unterminiert angesichts weiterer Unsicherheiten im Hinblick auf die wettbewerbsrelevanten Parameter die Investitionsbereitschaft der Unternehmen, die Corona-bedingt ohnehin enorm unter Druck stehen.

Was zu tun ist

  • Um die Risiken, die mit der hohen Revisionsgeschwindigkeit verbunden sind, beurteilen zu können, ist es erforderlich, dass die Europäische Kommission stets eine detaillierte KMU-Folgenabschätzungen vornimmt.
  • Eine tatsächliche Klimaschutzwirkung des Emissionshandels sollte dadurch erreicht werden, dass mittelfristig sämtliche fossile Brennstoffe marktbasiert im europäischen Emissionshandelssystems bepreist werden.
  • Um überfordernde bürokratische Lasten zu vermeiden, wird eine Energieauditpflicht für KMU grundsätzlich abgelehnt. Stattdessen sind maßgeschneiderte Instrumente zur Energieverbrauchserfassung zu stärken.
  • Die sogenannten “alternativen Maßnahmen” der Energieeffizienz-Richtlinie müssen auf die nationale Energieeinsparpflicht anrechenbar bleiben.
  • Der Netzausbau muss vordringlich umgesetzt werden, um die Infrastruktur für Erneuerbare Energien passfähig zu machen. Dabei ist neben der Versorgungssicherheit ein besonderes Augenmerk auf die Bezahlbarkeit zu legen.
  • Auch Nah- und Fernwärme müssen zur Erreichung des Klimaziels beitragen. Hierzu muss der Anteil an erneuerbaren Energien gesteigert werden, der der Wärmeerzeugung zu Grunde liegt.
  • Hohe energetische Anforderungen an Gebäudesanierungen sind wegen ihrer technischen Komplexität kostensteigernd und sollten daher keinen generellen Vorrang gegenüber einfachen klimawirksamen Sanierungen haben. Zudem sind die energetischen Standards aufgrund der Heterogenität des Gebäudebestandes in Europa in den Mitgliedstaaten selbst festzulegen.
  • Im Bereich der Mobilität sind technologieoffen jene Antriebstechniken zu fördern, die Kosteneffizienz, Emissionsminderung und Verfügbarkeit in Einklang bringen.
  • Eine Reduktion der Emissionsgrenzwerte für leichte Nutzfahrzeuge muss voraussetzen, dass praxistaugliche Alternativlösungen verfügbar sind.

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  • „Fit für 55“-Paket: Energiepolitik und Klimapolitik gleichgewichtig gestalten
    ZDH-Kompakt, April 2021

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