Zentralverband des
Deutschen Handwerks
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28.06.2023

Wärmewende braucht ein starkes Handwerk

Beim ersten Entwurf des Gebäudeenergiegesetzes wurde die praktische Expertise des Handwerks nicht genug berücksichtigt. Umso wichtiger, dass dies im weiteren Gesetzgebungsprozess der Fall sein wird, so ZDH-Präsident Dittrich zu Jan Klauth von der "WELT".
ZDH-Präsident Jörg Dittrich

Herr Dittrich, ohne Handwerker wird die Wärmewende nicht gelingen. Schaffen wir das?

Es braucht einen Plan, um ambitionierte Ziele zu erreichen. Das geht aus dem bisherigen Gesetzentwurf nicht klar hervor. Das Handwerk hat den ersten Gesetzentwurf zum Gebäudeenergiegesetz (GEG) am Montag vor Ostern bekommen, als es um die Stellungnahme der Verbände ging – es blieben nur vier Arbeitstage um Ostern herum, um 150 Seiten durchzuarbeiten. Unsere Kritik an den Plänen, wie auch unsere Vorschläge, die auf den Praxiserfahrungen der Betriebe vor Ort basieren, sind nicht wirklich diskutiert worden und haben keinen Eingang in den Gesetzestext mehr gefunden. Ein solches Vorgehen ist unangemessen und entspricht nicht demokratischen Gepflogenheiten.

Die Ziele sind ja klar formuliert. Klimaneutralität bis 2045.

Aber der Weg zu diesem Ziel ist alles andere als klar. Noch liegt kein Gesetzentwurf vor, der etwa die Änderungen enthält, auf die sich die Ampelparteien nach der massiven Kritik am ursprünglichen Entwurf schließlich geeinigt haben. Es gibt bislang nur ein Leitplanken-Grundsatzpapier, das immer noch sehr ungenau ist. Da steht zwar etwas von "praktikablen Lösungen" drin. Doch wie ist das denn genau gemeint? Welche Verpflichtungen gelten denn nun genau ab welchem Datum? Welche Ausnahmen beispielsweise für Ältere sind vorgesehen? Wieso wird das nicht transparent gemacht? So nimmt man die Menschen im Land nicht mit. Und so schafft man auch keine Planungssicherheit für unsere Betriebe.

Wie meinen Sie das?

Die Betriebe wissen nicht, was sie ihren Kundinnen und Kunden raten sollen, und die wiederum wissen nicht, wie sie jetzt handeln sollen. Es ist beispielsweise unklar, in welcher Höhe für wen Förderungen gelten, und wie genau "sozial abgefedert" werden soll. Da werden wohl jetzt die wenigsten für Januar eine Wärmepumpe bestellen, sondern erst einmal abwarten – das macht die Wärmewende langsamer statt schneller.

Wie kann es sein, dass die Ampel plant, ohne nach der Machbarkeit beim Handwerk zu fragen? Es fällt mir schwer zu glauben, dass sich niemand aus dem Wirtschaftsministerium bei Ihnen erkundigt hat.

Das Handwerk ist beim GEG vorher nicht wirklich gehört und eingebunden worden. Sonst hätten unsere praxistauglichen Vorschläge vielleicht schon Eingang in den ersten Entwurf gefunden wie die Forderung nach der richtigen Reihenfolge für die Wärmewende mit einer zunächst kommunalen Wärmestrategie und darauf aufbauender Verpflichtungen zur Heizungsumstellung, oder die Forderung nach größerer Technologieoffenheit. Seit meinem Amtsantritt reise ich viel durch das Land. Überall höre ich Handwerker, die sagen: Wir wollen die Wärmewende schaffen und reichen der Politik die Hand – aber die Hand muss dann auch mal jemand nehmen. Es muss doch mit denen, die die politischen Pläne umsetzen sollen, besprochen werden, ob das überhaupt realistisch und machbar ist. Das passiert nicht ausreichend.

Sie haben die Wärmepumpen-Pläne der Ampel mit den Fünf-Jahres-Plänen in der DDR verglichen. War das nicht arg polemisch?

Ich habe gesagt, dass die Wärmepumpen-Pläne bei mir Erinnerungen an die Fünf-Jahres-Pläne hochkommen lassen. Das war - bei aller Sachlichkeit – polemisch überspitzt: Etwas kontrovers sollte es hin oder wieder schon sein. Wenn wir uns zu leise äußern, werden wir nicht gehört. Um es klar zu sagen: Wäre es ohne Änderungen beim ursprünglichen Wärmepumpen-Plan der Regierung geblieben, hätte sich das Handwerk zurückgelehnt und gesagt: Viel Spaß – das wird so nichts. Was ich damit sagen will: Das bloße Zählen von Wärmepumpen führt nicht zum Ziel. Bei vielen Gebäuden ist es sinnvoller, energetisch zu sanieren, oder sie an die Fernwärme anzuschließen, anstatt eine Wärmepumpe einzubauen. Das spart viel mehr CO₂ ein.

Sie fühlen sich also an die DDR erinnert, die sie selbst noch miterlebt haben als Dachdecker in Dresden?

Ich erlebe gerade häufig, dass Kunden im ganzen Land eine Wallbox (Anm.d.Red.: private Ladesäule für Elektroautos) einbauen möchten. Das klappt aber oft nicht, weil die Stromnetze und -kapazitäten dafür nicht ausgelegt sind. Bei der Wärmepumpe ist es ähnlich: Würde der Strompreis durch ein höheres Angebot sinken, rechnete sich die Pumpe auch eher. Aber Energiequellen wie etwa Atomkraftwerke abzuschalten und zu sagen: "Theoretisch soll sich das mal rechnen, aber wir wissen noch nicht so richtig, ob der Strompreis fällt" – das sind Widersprüche, die die Ampel aufbringt. Wundert es da, dass sich so mancher Handwerker die Frage stellt, ob nicht an der Realität vorbei regiert wird. Ähnlich ist es mit der Diskussion um die Anpassung der F-Gase-Verordnung auf EU-Ebene.

Inwiefern?

Dabei geht es um die genutzten Kältemittel in Klima- und Kühlanlagen, aber auch in Wärmepumpen. Für die weit überwiegende Mehrheit der jetzt schon eingebauten Pumpen werden F-Gase genutzt (Anm.d.Red.: fluorierte Treibhausgase, die besonders klimaschädlich sind). Sollte die Verordnung mit einem Verbot an F-Gasen 2030 in Kraft treten, würde das das Aus für zahlreiche bis dahin eingebaute Wärmepumpen und schlimmstenfalls deren Ausbau und Ersatz durch andere Wärmepumpen bedeuten. Denn man kann nicht einfach klimaschonenderes Propangas als Ersatzkühlmittel dort einfüllen, wo jetzt F-Gase verwendet werden. Langfristig rechnet sich die Anschaffung einer Wärmepumpe finanziell aber nicht, wenn sie statt 20 Jahren nur sieben Jahre in Betrieb ist. Im Übrigen ist Propan brennbar und explosiv. Zusätzlich ist also die Frage offen, ob bei einem Austausch die Pumpe wegen der Brandschutzvorschriften noch an derselben Stelle stehen dürfte. Es müssen bei der Wärmewende also schon jetzt dringend mögliche europäische Vorgaben mitgedacht werden.

Sie befürchten also, dass Wärmepumpen, die erst kürzlich installiert wurden, bald schon wieder herausgerissen werden müssen?

Ja und wir haben bei der Bundesregierung hierzu nachgefragt. Die Antwort lautete: Das haben wir im Blick.

Für den Einbau tausender Wärmepumpen braucht es mehr Handwerker. Die Entwicklung läuft aber in die exakt andere Richtung. Statt ins Handwerk, zieht es jährlich mehr junge Menschen an die Universitäten.

Die Gesellschaft ist bildungspolitisch vor Jahrzehnten falsch abgebogen. Das Bildungsmantra lautete Abi und Studium für möglichst viele. Das hat sich auch auf die Erziehung ausgewirkt, zu viele Eltern drängen ihre Kinder in Richtung Studium, obwohl immer öfter das mit einem Studium verbundene Aufstiegsversprechen nicht mehr eingelöst werden kann. Und es geht um Bürokratie. Danach gefragt, ob sie sich später einmal selbstständig machen möchten, geben inzwischen 80 Prozent und mehr der Meisterabsolventinnen und -absolventen an, dass sie das aus "Angst vor den Formularen" und weiterer Bürokratie nicht planen. "Diesen ganzen Kram mit der Bürokratie tu ich mir nicht an", hört man dann oft. Wenn es nicht gelingt, die Selbstständigkeit hierzulande attraktiver zu machen, werden noch weniger Leute den Weg ins Handwerk wählen.

Der ZDH hat schon vor drei Jahren mehr als 60 Vorschläge zum Bürokratieabbau im Handwerk gemacht. Wie viele wurden bis heute umgesetzt?

Einige Vorschläge wurden in die Entlastungsgesetze der vorherigen Bundesregierung aufgenommen. Es kommen aber stets neue Vorschläge hinzu, so dass die Ampel-Koalition aus unserem aktualisierten Katalog aus dem Vollen schöpfen kann. Und das ist auch dringend nötig. Und was besonders gravierend ist: Es entstehen immer noch mehr Vorschriften als abgeschafft werden. Die überbordende Bürokratie kann zum Killer der Klimawende werden, wenn hier nicht endlich wirksam Abhilfe geschaffen wird. In Deutschland gibt es auf Seiten des Staates ein aufgestautes Misstrauen gegenüber Unternehmertum, das kulminiert in überbordenden Vorschriften und Kontrollen.

Ein harter Vorwurf, das müssen Sie erklären.

Unternehmen und Betriebe werden nicht erst dann bestraft, wenn sie das Gesetz verletzen, sondern wenn sie nicht nachweisen können, dass sie das Gesetz eingehalten haben. Ein Beispiel: In den Lebensmittelgewerken muss bei jeder Kühltruhe zweimal am Tag die Temperatur kontrolliert werden. Wenn dann alles stimmt und in der Tabelle nur ein Haken eingetragen wird, anstatt bei jedem Gerät jedes Mal die exakte Temperatur, gibt es behördliche Strafen. Solche Beispiele gibt es viele.

Beim Nachwuchs sind Sie auf die Generation Z angewiesen. Der wird ja häufig nachgesagt sie sei eher arbeitsscheu und stelle zu hohen Anforderungen. Teilen Sie das?

Jede Generation tickt anders als die vorherige. Das war immer schon so und kann durchaus Schwung bringen. Aber als Angehöriger einer älteren Generation verstehe ich tatsächlich manches Mal das Verhalten nicht, weil ich da so anders geprägt bin. Nach meinem persönlichen Eindruck hat jedoch der Wille dazu, sich durch Probleme durchzubeißen, auch mal etwas aushalten, in den letzten Jahren abgenommen – nicht zuletzt vermutlich auch als Folge der multiplen Krisen. Zugleich nehme ich aber auch eine sehr selbstbewusste Jugend wahr, die es nicht anders kennt, als umworben zu werden. Die jungen Menschen wissen sehr wohl, was sie wert sind, und fordern das auch ein: Sei es mehr Jobsicherheit, mehr Geld oder kürzer zu arbeiten.

Brauchen wir die Vier Tage Wochen im Handwerk? Einige Betriebe haben gute Erfahrungen damit gemacht.

Diese Diskussion ist insofern fehl am Platz, als es ja längst die Möglichkeit gibt, vier Tage zu arbeiten. Jeder Beschäftigte ist berechtigt, seine individuelle Arbeitszeit frei zu verhandeln. Starre arbeitsrechtliche Regularien wie die gesetzliche Tageshöchstzeit lassen allerdings wenig Raum für flexible Lösungen bei der Planung der Dienstzeit. Der Gesetzgeber müsste hier die Regeln flexibilisieren. Aber machen wir uns ehrlich: Die Herausforderungen, vor denen das Land steht, die wollen wir mit kürzerer Arbeitszeit wie einer Vier-Tage-Woche und vollem Lohnausgleich schaffen? Ich kann mir nicht vorstellen, dass das ökonomisch funktioniert.

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