Zentralverband des
Deutschen Handwerks
Zentralverband des
Deutschen Handwerks
30.09.2021

"Klischeefreier Blick und Vielfalt sind wichtig"

ZDH-Generalsekretär Holger Schwannecke über fesselnde ZDF-Krimis und die Notwendigkeit einer Darstellung jenseits schablonenhafter Klischees.
    Portraitfoto von Holger Schwannecke vor heller Strukturleinwand im Haus des Deutschen Handwerks in Berlin

    "Krimis schaffen es wie kaum ein anderes Genre, Menschen aus den verschiedensten Teilen der Gesellschaft vor ein und demselben Film zu versammeln. Umso wichtiger ist es, dass sich Krimis nicht der immer gleichen Klischees bedienen: des geldgierigen Unternehmers oder des eher tumben Handwerkers. Auch Krimis sollten keine schablonenhaften Bilder von Gruppen unserer Gesellschaft zeichnen. Das sehe ich als Aufgabe der Öffentlich-Rechtlichen – nicht nur für das Genre Krimi", so ZDH-Generalsekretär Holger Schwannecke im Interview mit Nikola Marquardt vom ZDF.

    Im vergangenen Jahr hatten Krimi-Erstausstrahlungen und -Wiederholungen einen Anteil von 17 % am Gesamtprogramm des ZDF. Was macht das Genre aus Ihrer Sicht so attraktiv?

    Es ist wohl die Mischung aus Spannung und Auflösung, aus dem Kampf von Bösem und Gutem, der Blick in Abgründe, die weit weg vom eigenen Alltag erscheinen, aber auch der Einsatz für Recht und Moral, die das Genre Krimi so attraktiv machen. Als Zuschauender überlegt man ständig mit, wer hinter den dargestellten Verbrechen steckt, und ist gespannt auf die Verbrechensaufklärung. Besonders fesselnd empfinde ich es, wenn man ins Nachdenken darüber kommt, wie die handelnden Akteure und ihre Taten moralisch einzuordnen und zu beurteilen sind. Wenn man also mit Themen und Werten konfrontiert wird, die einen über den Abspann des Filmes hinaus beschäftigen, die einen Blick in völlig andere Lebenswirklichkeiten öffnen. Dafür sind Krimis ein hervorragender Lockstoff. Sie schaffen es wie kaum ein anderes Genre, Menschen aus den verschiedensten Teilen der Gesellschaft vor ein und demselben Film zu versammeln. Umso wichtiger ist es, dass sich Krimis nicht der immer gleichen Klischees bedienen: des geldgierigen Unternehmers oder des eher tumben Handwerkers. Auch Krimis sollten keine schablonenhaften Bilder von Gruppen unserer Gesellschaft zeichnen. Das sehe ich als Aufgabe der Öffentlich-Rechtlichen – nicht nur für das Genre Krimi.    

    Non-fiktionale Kriminal-Programme wie "Aktenzeichen XY… ungelöst" haben eine große Tradition und einen aufklärerischen Anspruch. Wie werden die entsprechenden Formate in der ZDF-Familie diesem Anspruch aus Ihrer Sicht gerecht?

    Ich weiß, dass sich diese Formate in den vergangenen Jahren immer größerer Beliebtheit erfreut haben - nicht nur im Fernsehen. Viele neue Podcast-Serien befassen sich inzwischen mit realen Kriminalfällen und haben eine wachsende, vor allem junge Fangemeinde. Mein Geschmack ist es nicht unbedingt, doch ich halte non-fiktionale Programme wie "Aktenzeichen XY" durchaus für dienlich, ungelöste Verbrechen aufzuklären, der Gesellschaft ihre Mitverantwortung bei der Verbrechensprävention aufzuzeigen und über reale Ermittlungsabläufe zu informieren. Die Innovationskraft des Genres ist hier sicher noch nicht ausgeschöpft.    

    TV-Krimis stehen mitunter wegen der Format-immanenten Gewaltdarstellung in der Kritik. Wie sehen Sie ZDF-Krimis in diesem Kontext aufgestellt?

    Ich habe volles Vertrauen in die diversen Kontrollinstanzen des ZDF, das an dieser Stelle ganz anders als etwa das Privatfernsehen oder Streaming-Plattformen aufgestellt ist. Die ZDF-Kontrollinstanzen tragen Sorge dafür, dass mit dem Thema Gewalt reflektiert und verantwortungsvoll umgegangen wird. Das fängt bei der redaktionellen Mitarbeit am Drehbuch an und hört nicht auf bei der verantwortungsvollen Programmplatzierung. Auch die Jugendmedienschutzbeauftragte überwacht das. Und schließlich schaut auch der ZDF-Fernsehrat immer dort genau hin, wo Zweifel aufkommen, dass man dieser verantwortungsvollen Aufgabe nicht gerecht wird.

    Für die weitere Entwicklung will das ZDF auf Vielfalt vor und hinter der Kamera sowie eine Binnendifferenzierung des Genres und seiner Innovationskraft setzen. Wie bewerten Sie das?

    Das ist genau die Richtung, die das ZDF in diesem Genre einschlagen sollte. Denn Vielfalt vor und hinter der Kamera regt an, überrascht, sorgt für Irritationen und schließlich dafür, dass man den Zuschauerinnen und Zuschauer Einblick in neue Lebenswelten liefert und für aktuell gesellschaftlich relevante Themen sensibilisiert. Explizit wünschenswert wäre hier, wenn der Blick auf das Unternehmertum deutlich klischeebefreiter wäre. Auch hier sollte es Ziel sein, die ganze Bandbreite, Vielfalt und das Verantwortungsbewusstsein so vieler Betriebsinhaberinnen und Betriebsinhaber abzubilden. Nach meinem Geschmack müssen die noch allzu oft für die Rollen der skrupellosen Bösewichte herhalten. Genauso würde ich mir wünschen, wenn noch öfter Handwerkerinnen und Handwerker Teil der Handlung sind. Sie sind ein wesentlicher Teil der Wirklichkeit in unserem Land. Und sie verdienen eine entsprechende Abbildung in fiktionalen Formaten. Und ich versichere: Lebensgeschichten etwa aus dem Friseur-, Konditor-, Elektroniker oder Kfz-Handwerk – um nur einige wenige von über 130 Handwerksberufen zu nennen – sind genauso spannend wie die von Anwälten, Lehrern oder Barkeepern.

    Welchen ZDF-Krimi finden Sie persönlich besonders empfehlenswert?

    Generell schaue ich gerne Krimis, die mich nicht allein wegen ihrer Handlung fesseln, sondern gleichzeitig auch noch durch beeindruckende Landschaften führen. Richtig spannend fand ich zuletzt beispielsweise den Mafia-Zweiteiler "Im Netz der Camorra", der im idyllischen Südtirol vom Drama einer Weinbaufamilie erzählt.