Zentralverband des
Deutschen Handwerks
Zentralverband des
Deutschen Handwerks
25.02.2022

"Klimawende birgt Belastung wie Chance für das Handwerk"

ZDH-Generalsekretär Schwannecke erläutert im Magazin "HiBB" der Handwerkskammer Bremen, warum die Klimawende für das Handwerk gleichermaßen Belastungen wie Chancen bringen wird.
Ein Handwerker bringt ein Solardach an.

"Bereits heute arbeiten etwa 450.000 Handwerksbetriebe mit fast 2,5 Millionen Beschäftigten in knapp 30 Gewerken täglich in fast allen Bereichen am Erfolg der Energiewende mit, setzen Umwelt- und Klimaschutz um, sei es im Bau– und Ausbaubereich, an der Gebäudehülle, in der Anlagen- und Gebäudetechnik oder beim Netzausbau, bei der Umstellung der Energieversorgung auf erneuerbare Quellen oder der Umsetzung nachhaltiger Mobilitätslösungen. Klar ist jedoch schon jetzt, dass wir für mehr Klimaschutz und für eine gelungene Energie- und Verkehrswende zusätzlich tausende beruflich qualifizierte Fachkräfte im Handwerk brauchen werden. Das birgt die Chance für den dringend nötigen Bewusstseinswandel hin zu einer deutlich größeren Wertschätzung beruflicher Ausbildung", so ZDH-Generalsekretär Holger Schwannecke im Magazin "Handwerk in Bremen und Bremerhaven".

Die Klimaziele der Bundesregierung sind ambitioniert. Was bedeutet die angestrebte Klimawende für das Handwerk: Belastung oder Chance? 

Die Klimawende bringt für das Handwerk Beides: Belastung wie Chance. Bereits heute arbeiten etwa 450.000 Handwerksbetriebe mit fast 2,5 Millionen Beschäftigten in knapp 30 Gewerken täglich in fast allen Bereichen am Erfolg der Energiewende mit, setzen Umwelt- und Klimaschutz um, sei es im Bau– und Ausbaubereich, an der Gebäudehülle, in der Anlagen- und Gebäudetechnik oder beim Netzausbau, bei der Umstellung der Energieversorgung auf erneuerbare Quellen oder der Umsetzung nachhaltiger Mobilitätslösungen. Klar ist jedoch schon jetzt, dass wir für mehr Klimaschutz und für eine gelungene Energie- und Verkehrswende zusätzlich tausende beruflich qualifizierte Fachkräfte im Handwerk brauchen werden. Das birgt die Chance für den dringend nötigen Bewusstseinswandel hin zu einer deutlich größeren Wertschätzung beruflicher Ausbildung. Alle Techniken und Innovationen, die für die Energiewende und für Klimaschutz erforderlich sind, bauen wir ein. Die Handwerkerinnen und Handwerker der bau-, ausbau- und anlagentechnischen Gewerke arbeiten dabei direkt an der Schnittstelle zu den Verbrauchern und beraten, entwickeln und installieren nachhaltige Lösungen. Nur mit Handwerkerinnen und Handwerkern lassen sich die Klimaschutzvorhaben der Bundesregierung praktisch umsetzen. Fachkräftesicherung ist daher nichts weniger als eine Frage von Zukunfts- und Wohlstandssicherung in unserem Land. Deshalb brauchen wir endlich eine echte Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung – die dann auch gesetzlich festgeschrieben werden muss. Berufliche Bildung gehört auf Augenhöhe mit der akademischen Bildung – auch finanziell. Die mit der Klimawende verbundene Transformation stellt zugleich unsere Betriebe vor große Herausforderungen und bringt Belastungen mit sich, beispielsweise durch die gestiegenen Energie- und Strompreise und die daraus resultierende Notwendigkeit, im eigenen Betrieb klimarelevante Effizienzpotenziale zu bergen. Daher sollten bestehende und erfolgreiche Initiativen der Wirtschaft wie beispielsweise die Mittelstandsinitiative Energiewende und Klimaschutz des Handwerks eine langfristige Perspektive haben, und die Politik sollte sie durch die Aufnahme in das Klimaschutz-Sofortprogramm aktiv fördern. Neben solcher Unterstützung bleibt es aber generell weiter von entscheidender Bedeutung, die Rahmenbedingungen für unsere Betriebe mittelstandsfreundlich auszugestalten. Damit unsere Betriebe ihr ganzes Potenzial auch ausspielen und so die Klimawende mit Erfolg mit vorantreiben, sollte Politik unsere Betriebe nicht durch eine überbordende Bürokratie und eine zu hohe Steuer- und Abgabenlast demotivieren. Zudem setzt die Investitions- und Beschäftigungsplanung der Betriebe ein Mindestmaß an Vorhersehbarkeit und damit Verlässlichkeit der politisch gesetzten Rahmenbedingungen voraus.  

Um Häuser energetisch zu sanieren und Elektro-Autos zu reparieren, brauchen die Handwerksbetriebe bestens ausgebildete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Kann die Klimawende trotz des Fachkräftemangels überhaupt gelingen? 

In den klimarelevanten Gewerken konnte die Beschäftigung seit 2014 um 6 Prozent (im Gesamthandwerk rund 3 Prozent) erhöht werden. Aber richtig ist auch: Im Gesamthandwerk waren schon vor der Pandemie Ende 2019 bei der Bundesagentur für Arbeit rund 140.000 unbesetzte Stellen im Handwerk gemeldet. Doch nicht alle Betriebe melden ihre offenen Stellen bei der Bundesagentur (BA), sodass von einer deutlich höheren Zahl auszugehen ist. Unsere Schätzungen gehen davon aus, dass vor der Pandemie rund 250.000 Stellen allein im Handwerk nicht besetzt werden konnten, weil die Betriebe keine geeigneten qualifizierten Fachkräfte finden konnten. Die Corona-Pandemie hat an dem hohen Bedarf an Fachkräften nichts geändert – im Gegenteil: Qualifizierte Fachkräfte werden in allen Wirtschaftsbereichen gebraucht, um Deutschland wirtschaftlich wieder auf Kurs zu bringen und vor allem auch, um die großen Zukunftsfelder wie Klimaschutz, Energie- und Mobilitätswende, Wohnungsbau wie auch energetische Gebäudesanierungen sowie den Infrastrukturausbau zu gestalten. Man muss kein Prophet sein, um vorauszusehen, dass all die zusätzlichen Vorhaben der neuen Regierung besonders im Klima- und Umweltschutz mit dem jetzigen Stamm an Beschäftigten im Handwerk nicht hinzubekommen sind. Wir brauchen mehr beruflich qualifizierte Fachkräfte im Handwerk. Und wir brauchen mit Blick auf die vielfältigen Aufgaben vor allem Generalisten. Da helfen die Diskussionen um zusätzliche Zertifizierungen, wie sie aktuell in Brüssel geführt werden, nicht weiter.

Was sind außer der Fachkräftesicherung die weiteren wichtigsten Voraussetzungen, damit das Handwerk seiner zentralen Rolle beim Klimaschutz gerecht werden kann?

Das Handwerk mit seinen gut 1 Million Betrieben und rund 5,6 Million Beschäftigten wird eine entscheidende Rolle im Klimawende-Transformationsprozess spielen. Das Handwerk ist auch gewillt und hat zugesagt, hierzu seinen Beitrag zu leisten. Doch dafür müssen für unsere Betriebe auch die Bedingungen stimmen: bei Steuern, Abgaben, Bürokratie, Fachkräften, Genehmigungsverfahren, Finanzierungsmöglichkeiten, Energiepreisen, Rohstoffversorgung. Das Handwerk ist wie ein Baum, der fest im Boden verwurzelt ist. Es gibt für unsere Betriebe zumeist kein Geschäftsmodell außerhalb des Standorts Deutschland. Und wie ein Baum, dem es an seinem Standort gut geht, einen positiven Beitrag für sein ganzes Umfeld leistet, so ist das auch mit unseren Betrieben. Wir brauchen eine echte Mittelstandspolitik, mit mehr Verständnis für die spezifischen Belange unserer Betriebe und Beschäftigten. Nur damit kann es am Ende auch eine erfolgreiche Transformationspolitik geben. Wenn unsere Betriebe einen tragfähigen und verlässlichen Standort vorfinden, dann können sie auch ihr ganzes Potenzial als starke und leistungsfähige Betriebe ausspielen.

Staatliche Fördermaßnahmen können Entwicklungen deutlich beschleunigen, siehe das Beispiel der Umweltprämie für E-Autos. Wie beurteilen Sie die Förderlandschaft für umweltfreundliches Bauen und die energetische Sanierung (auf Bundesebene)?

Es ist gut, dass die Bundesregierung nach dem unerwarteten Stopp sämtlicher gebäudebezogener KfW-Programme für unsere Betriebe und deren Kundinnen und Kunden zumindest rückwirkend wieder Planungssicherheit hergestellt hat. Dieser zwingend notwendigen Schadensbegrenzung muss nun aber auch sehr zügig ein neues, langfristig verlässliches Förderprogramm folgen. Schließlich wird der absehbar weiter deutliche Anstieg der Energiepreise dazu führen, dass sich Effizienzinvestitionen im Gebäudebereich – gerade auch bei Gebäudesanierungen – wirtschaftlich endlich stärker rentieren. Das allein wird aber nicht ausreichen. Gleichzeitig muss auch die Finanzierbarkeit dieser Investitionen sichergestellt sein. Ohne flankierende Förderung wird das nicht gelingen.

Schlagworte