Kreislaufwirtschaft konsequent
Die Revitalisierung der rund 370 Quadratmeter großen Fassade hat fast 25 Tonnen Kohlendioxid eingespart.
Foto: Mediashots/Marco Kessler
Für Christophe Lenderoth ist die Sache glasklar. “Um dem Klimawandel etwas entgegenzusetzen, müssen die Treibhausgase gesenkt werden”, sagt der Geschäftsführende Gesellschafter des Bremer Glas- und Metallbau-Unternehmens Lenderoth Service.
“Wir hören fast täglich von Extremwettereignissen, von Hurrikans, Überflutungen und Dürren als Folgen der Erderwärmung. Also müssen wir den CO2-Ausstoß senken – auch im Baubereich, der in Deutschland für einen Großteil des Abfallsaufkommens und der CO2-Emmissionen verantwortlich ist.” Funktionieren kann das mit “Urban Mining”. Das Konzept basiert auf der Erkenntnis, dass bereits verbautes Material aus unseren Städten erneut genutzt werden kann. Bei einer Sanierung wird die Wiederverwendung der Produkte gleich mitgedacht. Christophe Lenderoth hat am eigenen Firmensitz bewiesen, wie Kreislaufwirtschaft sich bewährt. Die alte Fassade des Verwaltungsgebäudes wurde rück- und mit Sekundärbaustoffen wieder aufgebaut. Dabei hat das Unternehmen konsequent auf Recycling von Glas und Aluminium und damit neue Standards gesetzt. Der Bremer Mittelständler zeigt, wie zukunftsweisendes Bauen geht – innovativ, ressourcenschonend und verantwortungsvoll.
Energieeffizienz wird eines der Zukunftsthemen unseres Gewerks sein. Intelligente Smart-Glass-Technologien sind hier richtungsweisend, etwa sich automatisch verdunkelndes Glas. Auch bei der Digitalisierung wird sich noch einiges tun.
Leidenschaft für Glas und nachhaltiges Bauen
Seit 1874 besteht die Firma, anfangs allein im Glas-, später dann im Metallbau. Wirtschaftsingenieur Christophe Lenderoth führt in fünfter Generation das Unternehmen mit 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Der Obermeister der Glaser-Innung Bremen lächelt, als er in seiner zurückhaltenden Art sagt, dass in seiner Familie “seit jeher eine Leidenschaft für Glas” besteht. Spektakulär sind etwa die von Lenderoth gebaute Ganzglastreppe in einem Projekt am Lago Maggiore oder die elektrisch betriebenen Glastrennwände und die eleganten Glasschiebetüren, die beweisen, wie Glas ästhetisch in neue Dimensionen vordringt. Doch die ambitionierten Premium-Glasprodukte sind es nicht, die der Firma momentan Aufmerksamkeit bescheren. Es ist Lenderoths Pionierleistung: Erstmals wurde weltweit eine komplette Aluminium-Glas-Fassade zurückgebaut, recycelt und wieder montiert. Verbaut wurden Elemente aus zu 100 Prozent End-of-Life- Aluminium und zu 64 Prozent recyceltem Glas. “Es gibt keinen Grund, so verschwenderisch mit den Ressourcen der Erde umzugehen, wie wir Menschen es uns momentan leisten”, sagt Christophe Lenderoth.
Pilotprojekt beweist: Das Handwerk kann Energiewende
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Gut 50 Jahre hatte die alte Pfosten-Riegel-Fassade am Firmengebäude hinter sich.
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Christophe Lenderoth (M.) mit seinen Industriepartnern Moritz Feid von Saint-Gobain Glass (l.) und Marcel Bartsch von Wicona (r.).
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Der Unternehmer wirkt, als könne ihn nichts aus der Ruhe bringen, doch beim Klimaschutz zeigt er Ungeduld. Es nervt ihn, dass darüber viel geredet, dann aber zu wenig gehandelt wird: “Alle können etwas tun, man muss es nur wollen.” So tatkräftig waren der Firmenchef und sein junges Planungsteam, als sie gemeinsam entschieden, was mit dem in die Jahre gekommenen Firmengebäude zu tun sei. Als Lenderoths Großvater es vor 50 Jahren baute, war Energieeffizienz kein Thema. Mit den Jahren pfiff im Winter der Wind durch die Büros, im Sommer verwandelte sich das Gebäude in einen Brutkasten. Warum also nicht der Welt zeigen, dass Aluminium und auch Glas sortenrein recycelt und wiederverwendet werden können? Die Bremer holten sich Unterstützung von zwei Kooperationspartnern: die Glasherstellersparte des französischen Industriekonzerns Saint-Gobain und das zum norwegischen Aluminiumkonzern Norsk Hydro gehörende Unternehmen Wicona, das nachhaltige Aluminiumlösungen für Gebäude entwickelt.
Wertvolle Rohstoffe ein zweites Mal verwenden
Nach der Demontage der alten Fassade wurde das Material in Containern vor Ort sortiert. Die Aluminiumelemente wurden anschließend im Hydro-Werk in Dormagen wiederaufbereitet und zu neuen Aluminiumprofilen gepresst.
Foto: Mediashots/Marco Kessler
Die Revitalisierung der rund 370 Quadratmeter großen Fassade hat Lenderoth zufolge 25 Tonnen Kohlendioxid eingespart. Weltweit ein einzigartiges Projekt, das auch in Berlin registriert wurde. Bundesbauministerin Klara Geywitz schaute im Sommer 2024 bei der Firma im Bremer Gewerbegebiet vorbei. Wie Lenderoth ist Geywitz Fan der Kreislaufwirtschaft. Dies sei der Schlüssel für klimagerechtes Bauen. Christophe Lenderoth unterstreicht: “Wollen wir ambitionierte Klimaziele erreichen, müssen wir wertvolle Rohstoffe in der Kreislaufwirtschaft wiederverwenden. Zirkuläres Bauen ist einer der wichtigsten Hebel zur Dekarbonisierung des Bausektors.” Nachhaltigkeit will er als kollektive Aufgabe verstanden wissen: “Der müssen wir uns alle stellen!”
Der Mittelständler verhehlt nicht, dass sein Pilotprojekt knapp zehn Prozent teurer war als eine konventionelle Fassadenrenovierung aus Primärrohstoffen – auch, weil das genaue Sortieren beim Rückbau mehr Zeit gekostet hat. Christophe Lenderoth sieht sein Geld gut investiert, denn er hat bewiesen, dass Kreislaufwirtschaft funktioniert und nimmt damit auf dem Markt eine Vorreiterrolle ein. “Künftige Projekte lassen sich kostenneutral umsetzen”, schätzt er. “Schön wäre, wenn die öffentliche Hand mit ihren Gebäuden eine Vorreiterrolle einnehmen würde.”
Veränderung ist die einzige Konstante. Wir bringen die permanente Bereitschaft zur Veränderung mit und investieren in Menschen und Technik.
Mit Authentizität bei der Gen Z punkten
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Die Revitalisierung der Fassade hat nicht nur den CO2-Fußabdruck verringert, sie hat auch das Betriebsklima verbessert und dem Unternehmen einen Reputationsschub verpasst. Denn die Lenderoth Service GmbH wurde für den Großen Preis des Mittelstands nominiert. Darüber hinaus hat sich das Pionierprojekt als prima Recruitment-Tool entpuppt. Christophe Lenderoth weiß natürlich, dass er im Wettbewerb um gute Nachwuchs- und Fachkräfte im Glas- und im Metallbau steht. Mit einer Unternehmensphilosophie, die auf kühne Wertschöpfungsprozesse im Einklang mit gesellschaftlicher Verantwortung setzt, punktet er bei der jungen Generation. Nichts ist überzeugender als ein Chef, der authentisch rüberkommt, wenn er sagt: “Wir bieten heute die Lösungen für das Bauen von Morgen!”
Kreislaufwirtschaft
Das Handwerk hat eine lange Nachhaltigkeitstradition. Es übernimmt eine Schlüsselrolle beim Entkoppeln des Wirtschaftswachstums vom Ressourceneinsatz, bei der Schließung von Materialkreisläufen und bei der Reduzierung von Abfallströmen: Handwerkerinnen und Handwerker reparieren, setzen in Stand, restaurieren, konservieren, modernisieren und vermitteln die für den Transformationsprozess erforderlichen Fähigkeiten im Rahmen der Aus- und Weiterbildung.
Jahrbuch 2025
Diese Handwerk-Story wurde zuerst im ZDH-Jahrbuch 2025 veröffentlicht. Das Jahrbuch steht unter dem Motto "Zukunft kommt von Können. Und wir können alles, was kommt." Es zeigt: Das Handwerk ist innovativ, vielfältig und kompetent und übernimmt gesellschaftliche Verantwortung.