Zentralverband des
Deutschen Handwerks
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31.01.2022

AO – BFH: Keine Ablaufhemmung in sog. Bauträgerfällen

Der BFH hat in einem kürzlich veröffentlichten Urteil zur Frage der Ablaufhemmung bei sog. Bauträgerfällen entschieden.

Hintergrund

Die Festsetzungsfrist für die Umsatzsteuer beträgt nach § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO vier Jahre und beginnt gemäß § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Steuerpflichtige seine Jahressteuererklärung beim FA eingereicht hat.

Sachverhalt

Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine Tischlerei in der Rechtsform einer KG. Diese erbrachte im Streitjahr Bauleistungen (Errichtung einer Treppenanlage) an einen Bauträger (Firma X). Die Vertragspartner gingen —entsprechend der damaligen Verwaltungsauffassung— davon aus, dass die Firma X als Leistungsempfängerin die Umsatzsteuer schulde (§ 13b des Umsatzsteuergesetzes —UStG— a.F.). Die Klägerin wies daher in ihrer Rechnung keine Umsatzsteuer aus und erfasste diesen Umsatz auch nicht in ihrer eingereichten Umsatzsteuer-Jahreserklärung für das Streitjahr.

Im Anschluss an das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 22.08.2013 - V R 37/10 (BFHE 243, 20, BStBl II 2014, 128) beantragte die Firma X als Leistungsempfängerin mit Schreiben vom 30.12.2014 die Erstattung der von ihr als Steuerschuldnerin nach § 13b UStG a.F. an das FA gezahlten Umsatzsteuer.

Das FA forderte die Klägerin am 15.07.2015 auf, eine berichtigte Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr unter Berücksichtigung des Umsatzes an die Firma X einzureichen und wies auf die Möglichkeit hin, den zivilrechtlichen Zahlungsanspruch gegen den Leistungsempfänger an das Bundesland B abzutreten. Dem kam die Klägerin nicht nach, weil sie davon ausging, dass bereits Festsetzungsverjährung eingetreten sei und die Umsatzsteuerfestsetzung 2009 daher vom FA nicht mehr geändert werden könne. Mit dem gemäß § 164 Abs. 2 AO geänderten Umsatzsteuerbescheid 2009 vom 26.03.2018 erhöhte das FA unter Hinweis auf eine Hemmung der Verjährung nach § 171 Abs. 14 AO die Umsätze zum Regelsteuersatz um das Nettoentgelt von … € für die Bauleistung der Klägerin an die Firma X. Der Einspruch der Klägerin wurde mit Einspruchsentscheidung vom 05.07.2018 als unbegründet zurückgewiesen. Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage der Klägerin statt.

Der BFH wies die Revision des Finanzamtes als unbegründet zurück (Urteil vom 27.7.2021, V R 3/20) und führte in den Urteilsgründen u.a. wie folgt aus: „Die Voraussetzungen für die Ablaufhemmung gemäß § 171 Abs. 14 AO, wonach die Festsetzungsfrist für einen Steueranspruch nicht endet, soweit ein damit zusammenhängender Erstattungsanspruch nach § 37 Abs. 2 AO noch nicht verjährt ist (§ 228 AO), liegen nicht vor. (…)

Auch bei Anwendung von § 171 Abs. 14 AO kommt es (…) – neben dem Vorliegen eines mit dem Steueranspruch „zusammenhängenden Erstattungsanspruchs" – darauf an, dass dieser Erstattungsanspruch bereits vor Ablauf der Festsetzungsfrist entstanden ist. (…)

Im Streitfall ist danach eine Hemmung der Verjährung durch den Erstattungsanspruch der Leistungsempfängerin (Firma X) nach § 171 Abs. 14 AO nicht eingetreten. Denn der Umsatzsteuer-Erstattungsanspruch gegenüber der Firma X als Leistungsempfängerin entstand erst nach Ablauf der für die Klägerin geltenden Festsetzungsfrist. (…) Ausweislich des Tatbestandes des FG-Urteils beantragte die Leistungsempfängerin (Firma X) mit Schreiben vom 30.12.2014 die Erstattung der seinerzeit als Steuerschuldnerin zu Unrecht gezahlten Umsatzsteuer. (…) Da der Umsatzsteuer-Erstattungsanspruch der Leistungsempfängerin nach Maßgabe der formellen Rechtsgrundtheorie erst mit der Änderung des Umsatzsteuerbescheids 2009 gegenüber der Firma X frühestens in 2015 entstanden sein kann, ist eine Hemmung nach § 171 Abs. 14 AO ausgeschlossen. Denn die reguläre Festsetzungsverjährung trat bereits mit Ablauf des 31.12.2014 ein. (…)

Eine Befugnis des FA zur Änderung der Umsatzsteuerfestsetzung 2009 gegenüber der Klägerin ergibt sich auch nicht aus anderen Rechtsnormen. § 27 Abs. 19 UStG beinhaltet keine Ablaufhemmung für die Umsatzsteuerfestsetzung gegenüber dem leistenden Unternehmer und die Rechtsprechung des BFH zur (fehlenden) Steuerschuldnerschaft von Bauträgern als Leistungsempfänger von Bauleistungen stellt kein rückwirkendes Ereignis i.S. des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO dar (BFH-Beschluss vom 08.10.2019 - V R 15/18, BFHE 266, 28, Rz 29; FG Berlin-Brandenburg vom 28.03.2018 - 7 K 7243/16, EFG 2018, 989), das die Änderung eines Steuerbescheids rechtfertigt. Die Änderung der Steuerfestsetzung gegenüber der Leistungsempfängerin (Firma X) ist wegen fehlender Bindungswirkung auch kein Grundlagenbescheid (§ 171 Abs. 10 AO) für die Änderung der Steuerfestsetzung gegenüber der Klägerin nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO.“

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