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Warum wir eine Grenze für Sozialabgaben brauchen
Deutschland gehört weltweit zu den Ländern mit den höchsten Steuern und Sozialabgaben. Diese Abgaben an die Renten-, Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung sind an den Lohn gekoppelt und werden in der Regel je zur Hälfte von Arbeitgebern und Arbeitnehmern gezahlt. Genau das trifft das Handwerk besonders stark. Denn während in einigen Industriebetrieben der Lohn nur 5 bis 10 % der Gesamtkosten ausmacht, liegt er im Handwerk oft zwischen 40 und 80 %. Deshalb sind steigende Lohnzusatzkosten für Handwerksbetriebe eine deutlich höhere finanzielle Belastung. Untenstehendes Rechenbeispiel aus dem Dachdeckerhandwerk zeigt die konkreten Auswirkungen hoher Sozialabgaben auf Beschäftige und Betriebe.
Der Gesamtsozialversicherungsbeitrag hat längst die 40-Prozent-Marke überschritten und wird im Jahr 2025 voraussichtlich auf ein 20-Jahres-Hoch steigen. In zehn Jahren könnte dieser Beitrag laut einiger Prognosen bei 50 Prozent liegen. Um das zu verhindern, benötigen gerade kleinere und mittlere Betriebe und Unternehmen – das sind 99 Prozent der deutschen Wirtschaft – eine verantwortungsvolle Sozialpolitik mit verlässlichen politischen Entscheidungen. Die Sozialversicherungssysteme müssen durch nachhaltige und generationengerechte Reformen finanzierbar gehalten und zukunftsfest gemacht werden. Nur so ist es möglich, die wirtschaftliche Stärke des Handwerks dauerhaft zu sichern.
Sozialabgaben überschreiten 40-Prozent-Marke – die negativen Folgen sind vielschichtig
Geübte Geschäftsmodelle kommen in Schieflage, die Preise steigen. Die Folge können geringere Nachfrage und Einbußen bei der Konjunktur sein. Die Investitionstätigkeit wird gehemmt, Arbeitsplätze oder gar die Existenz ganzer Handwerksbetriebe gefährdet. Alle am handwerklichen Geschäftsprozess Beteiligten sind betroffen. Kundinnen und Kunden, angestellt beschäftigte Handwerkerinnen und Handwerker sowie Arbeitgeberinnern und Arbeitgeber – alle verlieren, wenn die Sozialabgaben für Arbeitnehmer und Lohnzusatzkosten für Arbeitgeber weiter steigen.
Kundinnen und Kunden: Handwerk muss bezahlbar sein
Handwerkliche Leistung darf nicht zu einem Luxusgut werden. Wenn die Kosten zur Beauftragung eines Handwerksbetriebs unerschwinglich werden, weichen Kundinnen und Kunden auf alternative Lösungen für ihre individuellen Anliegen aus. Das ist nicht im Sinne des Handwerks.
Handwerkerinnen und Handwerker: Arbeit muss sich lohnen
Die Auswirkungen auf Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind erheblich. Das untenstehende Beispiel einer Lohnabrechnung verdeutlich das Brutto-Netto-Lohngefälle: Von einem 22,51 Euro Brutto-Stundenlohn bleiben nach Abzug von Steuern und Sozialabgaben netto nur noch 14,82 Euro – ein deutlicher Einschnitt in die finanzielle Flexibilität. Steigen die Sozialabgaben weiter, würde das Nettogehalt noch stärker schrumpfen.
Handwerksbetriebe: Das Geschäftsmodell muss sich tragen
Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber sind stark belastet. Im Beispiel des angestellten Dachdeckergesellen belaufen sich die Arbeitgeberkosten pro Stunde – inklusive der Beiträge zur Berufsgenossenschaft, tariflicher Sozialkosten und anderer Lohnzusatzkosten – auf rund 32 Euro. Das entspricht rund 142 Prozent des Bruttogehalts des Arbeitnehmers. Schon jetzt sind die hohen Zusatzkosten für viele Betriebe kaum tragbar und eine Gefahr für ihre Wettbewerbsfähigkeit.
Fiktive Lohnkostenberechnung einer Gesellin/eines Gesellen im Dachdeckerhandwerk (Stand: Oktober 2025)
Beispiel Lohnabrechnung
Abgaben in % | Stunde | Monat | |
Bruttolohn | 22,51 EUR | 3.840 EUR | |
Lohnsteuer | 480 EUR | ||
Solidaritätszuschlag | |||
Kirchensteuer | |||
Rentenversicherung | 9,30 % | 354 EUR | |
Krankenversicherung (inkl. GKV-Zusatzbeitrag) | 8,55 % | 325 EUR | |
Pflegeversicherung | 2,40 % | 91 EUR | |
Arbeitslosenversicherung | 1,30 % | 50 EUR | |
Gesamtbelastung Sozialversicherung Arbeitnehmer | 21,55 % | 820 EUR | |
Nettolohn | 14,82 EUR | 2.504 EUR |
Beispiel Arbeitgeberbelastung
Abgaben in % | Stunde | Monat | |
Bruttolohn | 22,51 EUR | 3.804 EUR | |
Rentenversicherung | 9,30 % | 354 EUR | |
Krankenversicherung (inkl. GKV-Zusatzbeitrag) | 8,55 % | 325 EUR | |
Pflegeversicherung | 1,80 % | 68 EUR | |
Arbeitslosenversicherung | 1,30 % | 50 EUR | |
U1, U2, Insolvenzgeldumlage | 2,99 % | 114 EUR | |
Berufsgenossenschaft | 6,20 % | 236 EUR | |
Tarifliche Sozialkosten (SOKA) | 12,40 % | 472 EUR | |
Arbeitgeberbelastung | 42,54 % | 32,09 EUR | 5.422 EUR |
Zusammenfassung Beispielrechnung
Stunde | Monat | ||
Bruttolohn | 22,51 EUR | 3.840 EUR | 100 % |
Nettolohn | 14,82 EUR | 2.504 EUR | 65,8 % |
Arbeitgeberbelastung | 32,09 EUR | 5.422 EUR | 142,56 % |
Der Beispielrechnung zu Grunde liegende Annahmen
Lohnsteuer/Sozialversicherung: Geburtsjahr 1999, Steuerklasse 1, keine Kinder, keine Konfession, Zusatzbeitrag GKV: 2,5 Prozent
Die Beispielrechnung entspricht nicht einer Gehaltsabrechnung. Kalkuliert sind Lohnkosten, die direkt der Mitarbeiterin oder dem Mitarbeiter zuzurechnen sind und den Kunden in Rechnung gestellt werden. Nicht einberechnet sind Kosten für Urlaub und Krankheit sowie Gemeinkosten wie Personalkosten in der Verwaltung, Kosten für Material, Betriebs- und Verwaltungskosten, Versicherungen, Kosten für Kapitalverkehr, Rückstellungen und Kalkulatorische Kosten (Maschinen, Fuhrpark, Gebäude, Zinsen, Unternehmerlohn).