"Ausbildungsberufe bieten zukunftssichere Perspektiven"

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ZDH-Generalsekretär Holger Schwannecke sprach mit Michael Kierstein vom "Flensburger Tageblatt" über die hervorragenden beruflichen Perspektiven und Karrierechancen im Handwerk, die derzeit so gut wie kaum jemals zuvor sind.
Das Thema Fachkräftemangel beschäftigt auch das Handwerk: Welche Strategien verfolgen Sie, um eine attraktive Alternative zu Abitur und Studium zu sein?
Wir werben seit Jahren für die Ausbildungsberufe im Handwerk. Durch Kitawettbewerbe oder Kooperationen etwa mit der Initiative "Haus der kleinen Forscher" bringen wir schon kleine Kinder mit dem Handwerk in Kontakt. Azubis erzählen als Ausbildungsbotschafter in Abschlussklassen von ihren Berufen. Derzeit laufen wieder die Wettkämpfe in Europas größtem Berufswettbewerb, dem PLW "Profis leisten was". Wir haben neue Ausbildungswege wie das BerufsAbitur angestoßen, haben uns dafür stark gemacht, dass der Bachelor Professional und der Master Professional als neue Abschlussbezeichnungen eingeführt werden. Es gibt Ausbildungsberater in den Handwerkskammern, Speed-Datings, Workshops. Die Liste der Aktivitäten ließe sich fortsetzen, mit denen wir junge Menschen auf die vielfältigen Entwicklungschancen und Karriereperspektiven im Handwerk aufmerksam machen.
Da die Bewerbungszahlen dennoch runtergehen, muss man überall nach Interessenten suchen: Wie können Quereinsteiger, die noch nie einen Berührungspunkt mit dem Handwerk hatten, angeworben werden?
Indem es endlich an allen allgemeinbildenden Schulen, auch an Gymnasien, eine Berufsorientierung gibt, die auch über die Karriereperspektiven im Handwerk fernab der leider immer noch verbreiteten Klischees informiert. Denn tatsächlich ist es heute so, dass die berufliche Bildung Perspektiven eröffnet, die mancher akademische Weg nicht mehr bieten kann, etwa wenn es um die Arbeitsplatzsicherheit oder Möglichkeiten zur Selbstständigkeit geht. Und eines steht fest: Die Berufsoptionen sind derzeit im Handwerk so gut wie kaum jemals zuvor. Um Klimaschutz, Energie- und Mobilitätswende, energetische Gebäudesanierung und klimaeffizienten Wohnungsbau, SmartHome und E-Health umzusetzen, werden dringend qualifizierte Fach- und Führungskräfte gebraucht, wie auch für die rund 125.000 anstehenden Betriebsübergaben in den kommenden fünf Jahren. Wer schon ganz jung sein eigener Chef werden will, der ist im Handwerk richtig.
Was passiert, wenn Betriebe keine jungen Leute finden, werden die Mitarbeiter dann bis ins hohe Alter arbeiten und wie würde man dies für die alten Hasen attraktiv gestalten?
Im Handwerk haben wir schon immer das Wissen älterer Beschäftigter geschätzt und versucht, es für den Betrieb zu erhalten. Mit Qualifizierungen bleibt das Wissen der Älteren auf dem neuesten Stand. Vorbeugende Gesundheitsmaßnahmen helfen, dass für immer mehr Menschen längeres Arbeiten keine Zumutung, sondern eine positive Perspektive ist. Früher mussten noch die Ziegel fünf Stockwerke hochgeschleppt werden, heute erledigen das Aufzüge. Auch in anderen Gewerken erleichtern inzwischen technische Hilfsmittel die körperliche Arbeit. Für viele Tätigkeiten sind gerade Ältere hervorragend geeignet etwa für die Kundenakquise und -beratung, die Lehrlingsunterweisung und vieles mehr. Immer wichtiger wird es werden, ältere Beschäftigte rechtzeitig und vorausschauend für altersgerechte Aufgaben zu qualifizieren. Eine vorausschauende Personalpolitik wird künftig einen völlig neuen Stellenwert im betrieblichen Alltag einnehmen. Unsere Kammern und Verbände unterstützen die Betriebe hier nach Kräften: mit neuen Konzepten, individueller Beratung und Weiterbildungsangeboten.
Neben dem Fachkräftemangel fehlt es aktuell vor allem an Rohstoffen. Wenn Baustellen deshalb stillzustehen drohen: Welche Möglichkeiten sehen Sie, gut ausgebildete Kräfte zu halten?
Zur Not steht die Kurzarbeit dafür zur Verfügung. Aber vor allem können wir gerade wieder einmal die unternehmerische Kreativität im Handwerk beobachten, mit der sich die Baubetriebe auf die veränderten Gegebenheiten einstellen: Sie bauen ihre Materiallager auf, wo immer das möglich ist, und weichen – in Abstimmung mit ihren Auftraggebern - auf andere verfügbare Stoffe aus, selbst wenn diese teurer sind.
Auch die Preise für die Bauherren steigen wegen des Rohstoffmangels. Oft können Kostenvoranschläge nicht eingehalten werden. Doch wenn der Bauherr nicht zahlen kann, bleibt auch der Betrieb auf Kosten sitzen. Sehen Sie eine Lösung für das Problem?
Unsere Betriebe berichten uns, dass private und gewerbliche Auftraggeber offenbar dazu bereit sind, die steigenden Kostenbelastungen mitzutragen – denn Bauherren haben auch ein Interesse, dass es am Bau weitergeht. Ganz anders sieht es bei den öffentlichen Auftraggebern gerade auch auf kommunaler Ebene aus. Wir setzen uns aktuell intensiv dafür ein, im Haushaltsrecht Klarheit zu schaffen, dass öffentliche Auftraggeber bei laufenden Verträgen auch einen Teil der Mehrkosten übernehmen können. Denn es dürfte wohl kaum im Interesse der Kommunen sein, Unternehmen in die Insolvenz zu treiben, nur weil man darauf besteht, dass Verträge erfüllt werden, die betriebswirtschaftlich nicht mehr darstellbar sind. Schließlich erwirtschaften die Betriebe die Gewerbesteuer, auf die die Kommunen maßgeblich angewiesen sind.
Auch an der Spitze von Unternehmen wird es eng. Einen passenden Nachfolger zu finden, gestaltet sich immer schwieriger. Was sollten Unternehmer tun, um ihr Lebenswerk (den eigenen Betrieb) langfristig zu sichern?
Idealerweise sollte man sich bereits bei einer Gründung Gedanken dazu machen, wie ein Nachfolgeplan aussieht. Der ZDH hat hierzu übrigens ein Infopaket mit allen wichtigen Hinweisen und Vordrucken zum Thema Notfallvorsorge zusammengestellt, das Betriebe über ihre Verbände oder Kammern beziehen können. Allgemein sprechen wir davon, dass man sich spätestens ab dem Alter von 55 Jahren konkrete Gedanken über die Nachfolgeregelung machen und entsprechende Vorkehrungen treffen sollte. Kunden und Lieferanten sollte man auf die Übergabe vorbereiten. Und natürlich braucht es Zeit, um den passenden Nachfolger zu finden und einzuarbeiten. Hier kann das Netzwerk unserer Beratungsstellen in den Handwerkskammern helfen. Dort kennt man mögliche Kandidatinnen und Kandidaten etwa aus den Gesellen- und Meisterkursen. Zudem gibt es die bundesweite Datenbank nexxt-change, die vom Bundeswirtschaftsministerium betrieben wird. Alle Handwerkskammern – aber auch die IHKn, die Sparkassen sowie die Volks- und Raiffeisenbanken – machen da mit.