Zentralverband des
Deutschen Handwerks
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06.12.2021

"Wegen Materialengpässen weiter lange Wartezeiten am Bau"

ZDH-Präsident Wollseifer äußert sich in der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (FAS)" zum Einfluss der Lieferengpässe auf den Haus- und Wohnungsbau.
Dachdecker legt Dachziegel auf einem Dach aneinander.

"Auch wenn ich Bauherren gerne Anderes sagen würde, kommen wir an der Realität leider nicht vorbei: Kundinnen und Kunden werden leider wegen der Materialengpässe vielfach mit längeren Wartezeiten und mit höheren Preisen rechnen und das entsprechend einplanen müssen. Wir gehen nicht davon aus, dass die Beschaffungspreise wieder geringer werden, sondern schätzen sogar, dass sie auf einem deutlich höheren Niveau als vor den Preissprüngen in diesem Jahr verbleiben werden", so ZDH-Präsident Hans Peter Wollseifer gegenüber Birgit Ochs-Koffka von der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung".
 

Für Lieferengpässe und Materialknappheit auf den Baustellen haben vor allem im Sommer für Schlagzeilen gesorgt. Wie ist die Situation jetzt?

Die Lage hat sich insgesamt etwas entspannt und viele Baumaterialien sind wieder besser verfügbar. Wie sich die neuen 3G-Regeln am Arbeitsplatz, die auch für den Logistikbereich gelten, auf die Lieferketten auswirken werden, bleibt abzuwarten. In jedem Fall sind die Beschaffungspreise weiter deutlich höher als in den Vorjahren und machen den Kunden wie auch den Betrieben zu schaffen. Die Baupreise liegen wegen dieser hohen Materialpreise deutlich über dem Vorjahresniveau. Das erschwert besonders privaten Auftraggebern die Finanzierung von Bau- und Sanierungsvorhaben. Unsere Handwerksbetriebe stehen vor allem bei schon bestehenden Verträgen mit der öffentlichen Hand oft vor dem Problem, dass die öffentlichen Auftraggeber in der Regel die nicht vorhersehbaren Preissteigerungen im Einkauf nicht als Gründe für Preisanpassungen akzeptieren. Dadurch werden diese Aufträge für unsere Betriebe oft ein betriebswirtschaftliches Verlustgeschäft. Offenbar haben viele öffentliche Auftraggeber aber bisher leider wenig aus der aktuellen Situation gelernt, denn die Mehrheit der Ausschreibungen findet noch immer ohne die Möglichkeit statt, Preisgleitklauseln zu nutzen, mit denen sich solche Ausnahmesituationen wie in den vergangenen Monaten abfedern ließen. Noch geringer ist die Bereitschaft zu Preisanpassungen in laufenden Verträgen. Da muss man sich nicht wundern, dass öffentliche Aufträge für Betriebe immer unattraktiver werden und Betriebe es sich zwei Mal überlegen, ob sie sich um solche öffentlichen Aufträge überhaupt bewerben. Das aber kann wohl kaum im Interesse von Kommunen, Ländern und auch dem Bund sein, besonders wenn man sich die Investitionsvorhaben beim Wohnungsbau und zum Klimaschutz vor Augen hält, die die neue Regierung in den kommenden Jahren plant.

War 2021 diesbezüglich ein ungewöhnlich schwieriges Jahr?

2021 war sicherlich ein Ausnahmejahr, das viele Betriebe vor bisher ungekannte Herausforderungen gestellt hat: zum einen dadurch, dass zeitweise nahezu alle Baumaterialien nur sehr schwer zu beschaffen waren, und zum anderen, weil die Preisanstiege historisch waren und die meisten Kalkulationen über den Haufen geworfen haben.

Im August äußerten Sie sich so: "Unsere Betriebe tun da gerade ihr Bestes, damit sich das nicht oder nur in Maßen auf Kundenseite auswirkt. Im Gesamthandwerk liegt die durchschnittliche Auftragsreichweite derzeit bei 8,8 Wochen. Die Auftragsreichweite gibt an, wie lange der Auftragsbestand noch ausreicht. Im Bau- und Ausbaubereich jedoch ist es so, dass man aktuell mit mindestens zehn und manchmal sogar bis zu 15 Wochen rechnen muss, bis ein Auftrag begonnen und abgearbeitet wird." Hat sich an der Auftragsreichweit etwas geändert, und wie sind die Aussichten für das kommende Jahr?

Die Auftragsreichweiten sind besonders im Baubereich weiter hoch, was aber auch darauf zurückzuführen sein dürfte, dass sich der Baufortschritt verzögert hat, weil Material fehlte. Im 3. Quartal 2021 betrug die Auftragsreichweite in den Bauhauptgewerken bei etwa 14, in den Ausbaugewerken bei etwa 11 Wochen.

Wie haben sich die Kosten in diesem Jahr im Vergleich zu 2020 entwickelt?

Keine Frage: Bauen ist teurer geworden und nach den Entwicklungen der vergangenen Monate wird Bauen auch künftig teurer als vor Corona sein, denn es ist nicht davon auszugehen, dass die Einkaufspreise für Materialien wieder auf das Vorkrisenniveau zurückgehen. Wie sich die Kosten im laufenden Jahr im Vergleich zum Vorjahr entwickelt haben, lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt abschließend noch nicht im Detail sagen, allerdings in der Tendenz geht es eindeutig nach oben. Das Statistische Bundesamt weist bis August 2021 deutlich höhere Preissteigerungen für die verschiedenen Bausparten aus als in den Vorjahren, was vor allem auf die deutlich höheren Materialpreise zurückzuführen ist. Es ist also damit zu rechnen, dass die Baupreise 2021 nochmals mit höherer Dynamik steigen - nachdem sie bereits in den Vorjahren kräftig gestiegen sind.

Zu einem gewaltigen Preisanstieg (vor allem auch für Holz) kam es unter anderem auch, weil viele Betriebe Material gehortet haben. Wie ist die Situation jetzt?

Sicherlich haben Betriebe Material eingelagert, um weiter arbeiten zu können, aber das war ganz sicher nicht die zentrale Ursache für die gewaltigen Preisanstiege. Natürlich können wir nicht direkt in alle Lager unserer Betriebe blicken, aber es kann schon davon ausgegangen werden, dass die Vorratshaltung von Materialien aktuell eine eher untergeordnete Rolle bei der Preisentwicklung spielt, zumal sich die Versorgungslage insgesamt etwas verbessert hat. Bei einzelnen Materialkomponenten beispielsweise elektronischen Chips bestehen sicherlich weiter Engpässe. Das liegt in diesem Fall aber auch an Schwierigkeiten in internationalen Lieferketten. Die Lage in den Betrieben hängt also stark davon ab, welche Materialien ein Gewerk benötigt.

Worauf müssen sich Bauherren für 2022 einstellen?

Auch wenn ich Bauherren gerne Anderes sagen würde, kommen wir an der Realität leider nicht vorbei: Kundinnen und Kunden werden leider wegen der Materialengpässe vielfach mit längeren Wartezeiten und mit höheren Preisen rechnen und das entsprechend einplanen müssen. Wir gehen nicht davon aus, dass die Beschaffungspreise wieder geringer werden, sondern schätzen sogar, dass sie auf einem deutlich höheren Niveau als vor den Preissprüngen in diesem Jahr verbleiben werden. Dazu kommen politische Entscheidungen beispielsweise für höhere Energieeffizienzstandards oder zur verpflichtenden Nutzung von erneuerbaren Energiequellen bei Neubauten, die das Bauen zusätzlich verteuern. Und da unsere Betriebe ihren Fachkräftebedarf nach wie vor nicht vollständig decken können, werden auch die Wartezeiten zumindest lang bleiben, tendenziell vermutlich sogar eher weiter steigen.

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