Deutsch-französisches Handwerkstreffen ist gelebte Freundschaft

Foto: Studio Alterego & ZDH/Henning Schacht
Anlässlich des 25. Deutsch-Französischen Kammertreffens in Düsseldorf fordern ZDH-Präsident Jörg Dittrich und CMA-France-Präsident Joël Fourny mehr Tempo beim Bürokratieabbau, stabile Sozialabgaben und gezielte Ausbildungsförderung. Beide betonen: Das Handwerk ist Rückgrat der europäischen Wirtschaft – es braucht jetzt klare politische Signale, um zukunftsfähig zu bleiben.
Welches sind derzeit die größten Herausforderungen, denen sich das deutsche bzw. französische Handwerk gegenübersieht?
Dittrich: An strukturellen Herausforderungen für das Handwerk ist aufzuführen: Die Fachkräftesicherung bleibt drängend, gleichzeitig erdrückt viele Betriebe eine überbordende Bürokratie. Hinzu kommen dauerhaft zu hohe Energiepreise und steigende Sozialabgaben, Letztere treffen das lohnintensive Handwerk besonders hart. Dieser Nachteil und diese Belastungen gefährden die Wettbewerbsfähigkeit und bremsen Investitionen, insbesondere im Wohnungsbau. Das Handwerk braucht jetzt klare politische Signale für Entlastung und Zukunftssicherung.
Fourny: Handwerksbetriebe haben aufgrund ihrer Größe besondere Eigenheiten und spezifische Bedürfnisse. In dem komplexen wirtschaftlichen Umfeld, in dem wir uns befinden, sorgen Inflation, anhaltende Liquiditätsprobleme, Schwierigkeiten bei der Personalgewinnung und steigende Rohstoffpreise für große Sorgen bei den Unternehmern. Es fehlt an Planungssicherheit, was viele davon abhält, zu investieren. Dieses herausfordernde Umfeld verstärkt den Bedarf an Beratung, individueller Begleitung und Dienstleistungen, die auf die Realität der Handwerker zugeschnitten sind – die dennoch anpackend und resilient bleiben. Es ist unsere Aufgabe, ihnen zur Seite zu stehen, sie bei der Anpassung zu unterstützen und ihnen zu helfen, die richtigen Entscheidungen für eine erfolgreiche Zukunft zu treffen. Ebenso liegt es an uns, die nächste Generation von Handwerkerinnen und Handwerkern auszubilden, damit Inhaber Beschäftigte einstellen, sich weiterbilden und ihr Unternehmen weitergeben können – eine zentrale Herausforderung für die Zukunftsfähigkeit des Handwerks, die wirtschaftliche Dynamik unseres Landes und die Lebendigkeit unserer Regionen.
Was sind heute die wichtigsten Forderungen des französischen Handwerks gegenüber der nationalen Regierung und der Europäischen Union in Bezug auf die Regulierungspolitik?
Fourny: Sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene brauchen die Handwerksbetriebe mehr Planungssicherheit sowie eine Politik, die Stabilität und Vereinfachung bietet. Um Handwerksbetriebe bei ihrer Entwicklung zu unterstützen und den Bedarf an qualifizierten Fachkräften decken zu können, muss Ausbildung umfassend gefördert werden. Ebenso muss die Wettbewerbsfähigkeit verbessert werden, indem der bürokratische Aufwand und die zunehmende Regulierungsflut verringert werden. Das Prinzip “Think small first” muss konsequent verfolgt und Betriebe bei ihrer digitalen und ökologischen Transformation aktiv unterstützt werden. Das sind die Prioritäten, die wir für ein dynamisches und auch künftig attraktives, zukunftsfähiges Handwerk vorantreiben. Die wachsende Begeisterung für das Handwerk spiegelt sich in den Zahlen wider: In den Jahren 2022 und 2023 wurden in Frankreich 250.000 neue Handwerksbetriebe gegründet, was einer Neugründung alle zwei Minuten entspricht.
Welche ordnungspolitischen Forderungen richtet das deutsche Handwerk aktuell an die Bundesregierung und an die Europäische Union?
Dittrich: Das Handwerk fordert von der Bundesregierung wie auch von der EU eine konsequente Politik nach dem Prinzip “Think small first”. Zentral ist dabei die Stärkung der beruflichen Bildung: Sie ist ein Alleinstellungsmerkmal der deutschen Wirtschaft und ein Schlüssel zur Fachkräftesicherung. Diese Stärke muss auch europapolitisch aktiv verteidigt und weiterentwickelt werden. Auf EU-Ebene fordert das Handwerk zudem deutlich weniger Bürokratie, eine Reduktion der Verwaltungslasten um 35 %, praktikable Nachhaltigkeitsstandards für KMU sowie faire Vergabeverfahren mit besseren Zugangsmöglichkeiten für lokale Handwerksbetriebe.
Welche politischen Maßnahmen sind notwendig, damit handwerkliche Produkte und Dienstleistungen für Verbraucher auch künftig bezahlbar bleiben?
Dittrich: Der Besuch beim Bäcker oder der Ölwechsel in der Kfz Werkstatt muss bezahlbar sein für alle. Dafür braucht es echte Bürokratieentlastung, bezahlbare Energie, verlässliche Planungsprozesse und steuerliche Anreize. Besonders wichtig: Weil die Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme vor allem an den Lohn gekoppelt ist, belastet jede Erhöhung bei den Sozialabgaben besonders stark das lohnintensive Handwerk. Daher dürfen die Sozialabgaben nicht weiter steigen, denn sie verteuern die Arbeit besonders im lohnintensiven Handwerk und gefährden nicht nur die Beschäftigung, sondern auch die Preisstabilität für die Kunden.
In welchen Bereichen sehen Sie heute den größten Bedarf an politischer Intervention zur Stärkung des französischen Handwerks?
Fourny: Seit zwei Jahren warnen wir die Regierung und haben schließlich eine Konsultation zur Finanzierung der Ausbildung erreicht. Die zentrale Herausforderung besteht darin, weiter bei Ausbildungsbetrieben die Fähigkeit zu bewahren, junge Menschen angemessen zu qualifizieren. Das ist einerseits wichtig, um den wachsenden Fachkräftebedarf der Betriebe zu decken, und andererseits, um den Erwartungen junger Menschen gerecht zu werden, die sich zunehmend für handwerkliche Berufe interessieren. Denn das Image des Handwerks wandelt sich gerade: 84 % der Jugendlichen möchten ihre Leidenschaft zum Beruf machen, und 50 % denken über eine Umorientierung in einen praktischen Beruf, vor allem ins Handwerk nach. Mit der Entscheidung, die Fördermittel künftig vorrangig auf die ersten Qualifikationsstufen und damit auf jene zu konzentrieren, die den höchsten Beitrag zur Arbeitsmarktintegration leisten, reagiert die Regierung auf eine zentrale Forderung der französischen Handwerkskammern. Die Gespräche waren konstruktiv und die angekündigten Maßnahmen gehen klar in die richtige Richtung.
In welchen Bereichen besteht aus Ihrer Sicht der dringlichste politische Handlungsbedarf der neuen Regierung, um Handwerksbetriebe in Deutschland wirksam zu stärken?
Dittrich: Der Bürokratieabbau muss endlich konkret spürbar werden, Investitionshemmnisse müssen fallen und Planungs- wie Genehmigungsverfahren beschleunigt werden, besonders im Wohnungsbau. Zugleich müssen Energiepreise gesenkt und Sozialabgaben stabilisiert werden. Das Handwerk ist bereit, seinen Beitrag zum wirtschaftlichen Aufbruch zu leisten, aber dafür braucht es schnell praxisnahe Entlastungen.
Was ist das Hauptziel dieser deutsch-französischen Treffen des Handwerks, obwohl Ihr Sektor im Allgemeinen auf den jeweiligen nationalen Märkten verankert ist?
Dittrich: Deutsch-französische Handwerkstreffen sind Ausdruck einer gelebten Freundschaft – wirtschaftlich und politisch. Dass der neue Bundeskanzler seinen ersten Auslandsbesuch nach Frankreich machte, war ein klares Zeichen: Die Beziehungen sollen vertieft werden. Diese politische Geste braucht Bestätigung im Alltag der Menschen, auch im Handwerk. In beiden Ländern ist das Handwerk Rückgrat der mittelständischen Wirtschaft. In solchen Treffen geht es darum, gemeinsame Herausforderungen anzugehen - etwa bei Fachkräften, Nachhaltigkeit oder Bildung – und konkrete Vorschläge zu erarbeiten, wie beide Regierungen das Handwerk gezielt stärken können. Die Themen des Handwerks sind eben auch nicht nur lokal, sondern vergleichbar in Frankreich und Deutschland.
Fourny: Ziel der deutsch-französischen Begegnungen ist es, unsere gemeinsame Arbeit fortzusetzen und die Anerkennung und Wertschätzung des Handwerks weiter voranzubringen. Das tun wir durch konkrete Projekte – etwa im Bereich der beruflichen Bildung, der grenzüberschreitenden Lernmobilität oder der Digitalisierung, die im Zeitalter der Künstlichen Intelligenz unumgänglich ist. Das Handwerk ist in Europa ein bedeutender Wirtschaftsbereich: Es umfasst 25 Millionen Betriebe und beschäftigt rund 90 Millionen Menschen. Wir sind überzeugt, dass es eine Schlüsselrolle für Vollbeschäftigung, Wettbewerbsfähigkeit, Wohlstand und Lebensqualität der Bürgerinnen und Bürger spielt, die dem Handwerk in hohem Maße vertrauen, in Frankreich zu 82 %. Weil es essenziell ist, die Besonderheiten handwerklicher Betriebe anzuerkennen, sind diese Treffen von großer Bedeutung. Sie ermöglichen es uns, das Handwerk in den europäischen politischen Entscheidungsprozessen zu verankern und unsere gemeinsamen Prioritäten – berufliche Bildung, Mobilität, Qualifikation, Bürokratieabbau, ökologischer Wandel – mit einer Stimme gegenüber den Institutionen der EU zu vertreten. Vom 19. bis 21. Mai werden die Handwerkskammern Frankreichs und Deutschlands erneut ihre Geschlossenheit unter Beweis stellen und zeigen, dass sie im Interesse des Handwerks – dem Herzstück der europäischen Wirtschaft – entschlossen in die Zukunft blicken! Angesichts der Herausforderungen, vor denen unser Wirtschaftsbereich und unsere Betriebe stehen, wünsche ich mir, dass diese 25. deutsch-französische Begegnung reich an Inhalten, konstruktiv und innovativ wird. Ich weiß um unseren gemeinsamen Willen, weiterhin mit konkreten Vorschlägen voranzugehen, damit dieses Treffen ein Impuls für die Zukunft ist– zum Wohle der wirtschaftlichen Dynamik Deutschlands, Frankreichs und Europas von morgen.