Zentralverband des
Deutschen Handwerks
Zentralverband des
Deutschen Handwerks
10.01.2023

Berufsorientierung jenseits von Klischees eröffnet Chancen

Damit noch mehr junge Frauen ihre Begabung zum Beruf und dann am besten im Handwerk machen, ist eine Berufsorientierung frei von Stereotypen wichtig, so ZDH-Präsident Dittrich im Gastbeitrag für "SHE works!".
Elektronikerin für Energie- und Gebäudetechnik installiert Photovoltaikanlage

Mehr junge Frauen könnten den Schritt in ihren Traumberuf wagen, würde die Berufsorientierung überholte Klischees über das Handwerk hinter sich lassen, schreibt ZDH-Präsident Jörg Dittrich in einem Gastbeitrag für das Karrieremagazin "SHE works!".

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

ja, ich bin der neue Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks. Und ja, ich komme aus Ostdeutschland. Auf diese Herkunft ist während meiner Kandidatur oft explizit hingewiesen worden. Warum ich es jetzt auch tue? Weil ich erlebt habe, wie ein solches Stereotyp Kommunikation erschweren kann. Weil ich nachempfinden kann, wie es Frauen geht, die sich mit geschlechterspezifischen Stereotypen konfrontiert sehen. Wie oft werden Frauen auf ihre Tätigkeit in einem "Männerberuf" angesprochen. Dabei sollte das inzwischen so normal sein, dass es nicht erwähnt werden muss.

Doch es bewegt sich was. In unserem Familienbetrieb werden zwei Frauen zu Dachdeckerinnen ausgebildet. Mutige, kluge Frauen, die ihre handwerkliche Begabung zur Berufung machen. Inzwischen sind es viele Frauen, die den Weg ins Handwerk starten. Doch ohne Frage ist noch deutlich Luft nach oben.

Meine Frau ist übrigens Geschäftsführerin in unserem Familienbetrieb. Sie hält mir nicht "den Rücken frei". Nein, sie steht neben mir. Gemeinsam leben wir in und mit unserer Firma und unseren Kindern. Diese individuell mögliche Harmonisierung von Arbeit und Leben bietet das Handwerk. Das deutlich zu machen, sehe ich als Aufgabe für mich und die Handwerksorganisationen. Die Rahmenbedingungen muss die Politik klären. Aber wir selbst können genau diese Attraktivität der Arbeit im Handwerk herausstellen.

Das Handwerk kann mit Zuversicht und Zutrauen in die Zukunft schauen: Alle Zukunftsprojekte unseres Landes - sei es Klima-, Energie- oder Mobilitätswende, Digitalisierung oder die Versorgung der immer älter werdenden Bevölkerung – können nur mit Handwerkerinnen und Handwerkern umgesetzt werden. Der Bedarf an handwerklichen Fachkräften, die diese Transformationsprozesse stemmen können, wird immer größer.

Die Fachkräftesicherung im Handwerk hat daher unbedingte Priorität. Als Handwerk müssen wir den Wettbewerb mit anderen Branchen nicht scheuen, sondern müssen noch stärker all die innovativen, erfüllenden und zukunftssicheren Betätigungsfelder in über 130 Berufen nach vorn stellen. Nur so werden wir noch mehr Frauen, mehr Abiturientinnen und Abiturienten, aber auch Menschen für das Handwerk begeistern, die es im Leben bisher vielleicht nicht so leicht hatten. Auch die Zuwanderung wird einen wichtigen Beitrag zu leisten haben.

Im Handwerk kann man das Klima hauptberuflich schützen. Tausende von Ladesäulen für E-Autos oder Wärmepumpen müssen eingebaut, Heizungen ausgetauscht, Häuser energieeffizient saniert werden. Bei mir als Dachdeckermeister sind es die Photovoltaik-Anlagen sowie Dach- und Fassadenbegrünung, die das Berufsbild erweitert haben.

Im Handwerk steckt viel Tradition und Bewährtes. Gleichzeitig ist das Handwerk offen für Neues, ist deutlich innovativer und digitaler als sein Ruf. Aus Innovationen entstehen immer wieder auch neue Berufsbilder wie das des Elektronikers für Gebäudesystemintegration. Im Handwerk stehen jedem etliche Aus- und Fortbildungsmöglichkeiten für ganz individuelle Karrierewege offen. Duale Studiengänge etwa richten sich an jene, die sich eher im akademischen Umfeld umschauen und dann während der Ausbildung ihre berufspraktischen Kompetenzen kennenlernen können. In trialen Studiengängen kann man in wenigen Jahren drei Abschlüsse machen: Gesellenbrief, Meisterbrief und den betriebswirtschaftlichen Bachelor. Um die Ausbildung insgesamt attraktiver zu machen, haben wir neue Ausbildungswege wie das BerufsAbitur angestoßen und uns dafür stark gemacht, dass der Bachelor Professional und der Master Professional als neue Abschlussbezeichnungen eingeführt wurden.

Zudem werben wir seit Jahren mit der Imagekampagne des Handwerks intensiv für unsere Ausbildungsberufe. Durch Kooperationen und Projekte an Kitas und Schulen bringen wir schon Kinder mit dem Handwerk in Kontakt. Azubis erzählen als Ausbildungsbotschafter von ihren Berufen. Und jedes Jahr finden die Wettkämpfe in Europas größtem Berufswettbewerb statt: den Deutschen Meisterschaften im Handwerk.

Junge Menschen können die vielfältigen Chancen, Optionen und Karrierewege, die das Handwerk ihnen bietet, allerdings nur ergreifen, wenn sie davon wissen. Daher setzen wir uns so vehement dafür ein, dass die Berufsorientierung endlich bundesweit an allen allgemeinbildenden Schulen, auch an Gymnasien, umfassend über alle Möglichkeiten der beruflichen Bildung aufklärt.  

Es muss noch offenkundiger werden: Eine perspektivenreiche und zukunftsorientierte Bildung ist gerade auch im Handwerk zu finden. Wer an der Umsetzung der Transformationen mitwirken will, der ist mit einer Ausbildung und einem Beruf im Handwerk genau an der richtigen Stelle.

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