Zentralverband des
Deutschen Handwerks
18.09.2025

Jetzt handeln: Europa braucht eine Wettbewerbsagenda

Gemeinsame Erklärung der Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft anlässlich des Spitzengesprächs mit der Präsidentin der Europäischen Kommission Ursula von der Leyen am 18. September 2025
Spitzengespräch Ursula von der Leyen

Europa steht massiv unter Druck. Hohe Energiepreise, ein hoher Fachkräftebedarf und unnötige Bürokratie bremsen Innovation und Investitionen. Geopolitische Spannungen, ein intensivierter globaler Subventionswettbewerb und wachsende Herausforderungen für die multilaterale, regelbasierte Handelsordnung tragen zur Verschärfung der Lage bei. 

Die Wettbewerbsfähigkeit vieler Standorte in der Europäischen Union ist gefährdet. Die Rolle Europas in der Welt wird hinterfragt. Mit Blick auf die vergangenen Wochen und Monate muss jedem klar sein: Ein wirtschaftlich geschwächtes Europa kann seine Interessen und Werte weniger gut durchsetzen. Die Wiedergewinnung wirtschaftlicher Stärke muss daher oberste Priorität europäischer Politik sein.

Die vier Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft – BDA, BDI, DIHK und ZDH – fordern eine entschlossene Wettbewerbsagenda und unterstützen die EU-Kommission bei allen Maßnahmen, die diesem Ziel dienen. Die Stärke der EU entsteht vor allem aus ihrer wirtschaftlichen Einheit sowie guten Standortbedingungen im Binnenmarkt – und Deutschland spielt dabei eine zentrale Rolle. Ein starkes Europa benötigt einen starken Standort Deutschland. Umgekehrt gilt: Nur wenn die EU als Ganzes erfolgreich ist, kann auch die deutsche Wirtschaft wieder erfolgreich sein.

Ein Jahr nach dem Draghi-Bericht sehen wir, dass seine Diagnose richtig war. Die EU-Institutionen müssen endlich wirtschaftskonform und pragmatisch handeln. Sie müssen ihren Ankündigungen zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit Europas endlich Taten folgen lassen. Der Wettbewerb wartet nicht auf uns. Die deutsche Bundesregierung muss diesen Kurs ambitioniert und geschlossen unterstützen.

Kernforderungen für eine Europäische Wettbewerbsagenda

Im Zentrum einer zukunftsgerichteten europäischen Wirtschaftspolitik müssen dabei jetzt fünf Punkte stehen:

1. Bürokratierückbau beschleunigen – Wettbewerbsfähigkeit stärken

Die EU-Rechtssetzung muss besser und schneller werden – mit verpflichtenden Folgenabschätzungen und Wettbewerbsfähigkeitschecks für alle wirtschaftsrelevanten Gesetze, einer stringenten Anwendung des One in, two out-Prinzips sowie dem konsequenten Abbau regulatorischer Doppelungen und unverhältnismäßiger Belastungen. Die EU sollte bestehende Überregulierungen durch weitere Omnibus-Pakete abbauen und langfristig regelmäßige Überprüfungen von Gesetzen durchführen. Komplexe Regulierungen und exzessive Berichtspflichten dürfen die Innovations- und Investitionskraft unserer Unternehmen nicht lähmen. Um Planungs- und Genehmigungsverfahren zu beschleunigen, sind zudem ambitionierte Vereinfachungen im Umweltrecht notwendig.

2. Energie bezahlbar und verlässlich sichern

Europa braucht einen schnellen Netzausbau, Technologieoffenheit und die faire Anrechnung internationaler Klimaschutzbeiträge – nur so bleibt Energie für Unternehmen planbar und wettbewerbsfähig. Die ambitionierten Klimaziele der EU erfordern Investitionen in historischem Ausmaß. Ein Clean Industrial Deal muss deshalb Klimaschutz und Wettbewerbsfähigkeit untrennbar verbinden und garantieren, so dass Energie auch bei steigendem Bedarf bezahlbar und verlässlich verfügbar bleibt. Damit die Industrie investieren kann, muss auch das EU-Emissionshandelssystem rasch zukunftsfest gemacht werden. Entscheidend ist ein zuverlässiger und wirksamer Schutz vor Carbon Leakage.

3. Binnenmarkt vertiefen – Fachkräftemobilität erleichtern

Der Binnenmarkt ist der Heimatmarkt der deutschen Wirtschaft und das wirtschaftliche Rückgrat Europas. Er muss basierend auf der Binnenmarkt-Strategie der EU-Kommission schnell und spürbar vertieft werden. Im Vordergrund steht, die Freiheiten im Waren- und Dienstleistungsverkehr zu vereinfachen und so weit wie möglich von noch bestehenden Auflagen zu befreien. Neben immer noch zu unterschiedlichen Vorschriften für Produkte und Verpackungen besteht vor allem im Bereich Dienstleistungen und Arbeitnehmermobilität enormes Potenzial. Der Abbau von Entsendungshürden etwa durch mehr und bessere Digitalisierung sowie Entbürokratisierung, eine moderne Koordinierung der Sozialversicherung und die raschere Anerkennung von Berufsabschlüssen würden den Binnenmarkt und das grenzüberschreitende Wirtschaften nachhaltig stärken.

4. Märkte öffnen und Resilienz stärken

Europa muss zügig neue Handelsabkommen abschließen und stabile Wertschöpfungsverbünde sowie Lieferketten aufbauen, um seine Stärke global abzusichern und die wirtschaftliche Resilienz zu erhöhen. Die Abkommen mit Mercosur, Indien, Australien, Indonesien und Malaysia sind rasch zu finalisieren und ratifizieren. Parallel gilt es, Lieferketten zu diversifizieren, um Abhängigkeiten von einzelnen Ländern zu reduzieren. Auch sind Rohstoffpartnerschaften gezielt auszubauen.  Strategische Kooperationen – etwa von Global Gateway Projekten – sind so zu gestalten, dass auch mittelständische Unternehmen aller Branchen und Regionen profitieren. Ein Level Playing Field ist Voraussetzung dafür, dass europäische Unternehmen im globalen Wettbewerb bestehen können.

5. Mittelstand entlasten – praxisgerechte Regeln schaffen

Ein starker Mittelstand ist eine zentrale Voraussetzung für eine widerstandsfähige und innovative europäische Wirtschaft. Gerade kleine und mittlere Unternehmen (KMU) werden jedoch durch überbordende Bürokratielasten in ihrer Wettbewerbs- und Handlungsfähigkeit eingeschränkt. Daher sollten bestehende Belastungen konsequent reduziert werden – praxisnah im Betrieb und rechtssicher. Vorschriften sollten verbindlichen Folgenabschätzungen unterzogen werden, welche die Realität der KMU ernst nehmen. Ein verpflichtender KMU-Tauglichkeitstest muss jeder neuen EU-Regelung vorausgehen, gemäß dem Prinzip Think small first. Gerade kleine und mittlere Betriebe sowie sogenannte Small Mid-Caps leiden besonders unter hohen Energiekosten, langen Genehmigungsverfahren und unübersichtlichen Berichtspflichten. Die Mittelstandspolitik muss wieder einen zentralen Platz in der europäischen Wettbewerbsfähigkeitsagenda erhalten.

Die Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft fordern die EU-Institutionen und die Bundesregierung auf, jetzt schnell und entschlossen zu handeln – für Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit und eine starke Zukunft Europas.

Zum Livestream der EU-Kommission kommen Sie hier: https://audiovisual.ec.europa.eu/en

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