Zentralverband des
Deutschen Handwerks
Zentralverband des
Deutschen Handwerks
07.07.2022

Zeit für eine Bildungswende

ZDH-Präsident Wollseifer fordert in der "Fuldaer Zeitung" mehr Wertschätzung für das Handwerk und die berufliche Bildung.
Eine Auszubildende und ein Ausbilder schleifen eine Tischplatte in einer Tischlerei.

"Es muss in den Köpfen ankommen, dass akademische und berufliche Bildung gleich wichtig sind und daher auch gleichwertig behandelt werden müssen. Genau diese Botschaft muss Politik mit einer gesetzlichen Festschreibung der Gleichwertigkeit setzen", so ZDH-Präsident Hans Peter Wollseifer in einem Gastkommentar für die "Fuldaer Zeitung".

"Wir leben in einer Zeit, die geprägt ist von unterschiedlichen und ineinandergreifenden Krisen. Leider verstärken die Effekte dieser Krisen sich gegenseitig noch: Der brutale russische Überfall auf die Ukraine und die nicht enden wollende Corona-Pandemie; gestörte Lieferketten und Materialengpässe; Inflation und eine große Unsicherheit, wie es künftig um unsere Energieversorgung steht. Als wären das nicht schon genug der Herausforderungen, muss unser Land in dieser wirtschaftlich schwierigen Lage gleichzeitig noch große Transformationsleistungen vollbringen. Denn nicht weniger als Energiewende, Klimaschutz, Mobilitätswende, Nachhaltigkeit, Digitalisierung und die Versorgung einer immer älter werdenden Bevölkerung stehen auf der Agenda.

250.000 Fachkräfte fehlen

Damit all das gelingen kann, braucht es in Deutschland ausreichend qualifizierte Handwerkerinnen und Handwerker, die das umsetzen. Es braucht Menschen, die Solarpaneele einbauen und Ladesäulen für E-Autos installieren; Menschen, die die ältere Bevölkerung mit Brillen, Hörgeräten, Prothesen, orthopädischen Schuheinlagen und Zahnersatz versorgen, und Bäder altersgerecht umbauen. Millionen Handwerkerinnen undHandwerker sind aktive Zukunftsgestalter und berufliche Klimaschützer, wenn sie Windparks bauen, Heizungen austauschen und Häuser energieeffizient sanieren und bauen.

Kurzum: Deutschlands Zukunftspläne können nur mit dem Handwerk gelingen, denn was die Politik auf dem Papier beschließt, setzen Handwerkerinnen und Handwerker in die Realität um. Aber allein im Handwerk mit seinen 130 Berufen fehlen bereits jetzt geschätzt über 250.000 Fachkräfte, Tendenz steigend. Und in den nächsten fünf Jahren suchen rund 125.000 Handwerksbetriebe nach einer Nachfolge. Es wird über die Zukunft unseres Landes entscheiden, ob es uns gelingt, diese Lücken zu schließen.

Akademische und berufliche Bildung sind gleich wichtig

Hierfür müssen Politik und Handwerk an einem Strang ziehen. Gemeinsam müssen wir dafür sorgen, dass wieder mehr junge Menschen den Weg in eine Ausbildung im Handwerk finden. Das aber wird nur passieren, wenn ein gesellschaftliches und politisches Umdenken eintritt. Wir müssen weg von der Vorstellung, dass nur ein Studium beruflichen und persönlichen Erfolg bringen kann, und hin zu mehr Anerkennung und Wertschätzung der beruflichen Bildung. Die Zwei-Klassen-Behandlung von akademischer und beruflicher Bildung muss ein Ende finden, denn für die Transformation benötigen wir in Deutschland alle Talente – egal, ob sie sich auf dem akademischen oder dem beruflichen Bildungsweg für ihre künftige Arbeit qualifizieren. Es muss in den Köpfen ankommen, dass akademische und berufliche Bildung gleich wichtig sind, und daher auch gleichwertig behandelt werden müssen. Genau diese Botschaft muss die Politik mit einer gesetzlichen Festschreibung der Gleichwertigkeit von akademischer und beruflicher Bildung in der Gesellschaft setzen – bei Jugendlichen, bei Eltern und Lehrern.

Das Handwerk möchte sich mit ganzer Kraft einbringen und beitragen zu einer gelingenden Transformation in Deutschland. Wir sind gerne Partner und Unterstützer der großen und wichtigen politischen Vorhaben. Aber klar ist: Dafür brauchen wir mehr Menschen, die mit anpacken. Wir brauchen eine Bildungswende als Voraussetzung für alle anderen 'Wenden'."

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