Wiedergewählter ZDH-Präsident über Vorhaben in zweiter Amtszeit
Foto: ZDH/Henning Schacht
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Drei Jahre im Amt des ZDH-Präsidenten. Welche positiven Aspekte nehmen Sie mit in eine mögliche zweite Amtszeit – für das Handwerk und für Sie persönlich?
Die vergangenen Jahre haben gezeigt, wie stark das Handwerk ist, wenn wir geschlossen auftreten. Nur mit einer gemeinsamen Stimme können wir in diesen Zeiten einer fragmentierten Gesellschaft und aufgeheizter Debatten Gehör finden, als verlässlicher Partner wahrgenommen werden und die Interessen der Betriebe und der Beschäftigten wirksam in politische Entscheidungen einbringen. Persönlich besonders beeindruckt hat mich das Engagement unserer Ehrenamtsträger und Selbstverwaltungsorgane in ganz Deutschland. Nicht, dass ich nicht schon vorher darum gewusst hätte. Doch bei meinen vielen Besuchen vor Ort konnte ich diese Kraft aus der Fläche noch einmal ganz unmittelbar erleben. Diese Freude am Handwerker-Sein, dieses Engagement und gemeinsame Ziehen an einem Strang, das hat mich beeindruckt und motiviert mich ungeheuer.
Die Mittelstandspolitik wurde zuletzt von Ihnen deutlich kritisiert. Welche konkreten Verbesserungen der Wettbewerbsfähigkeit erwarten Sie nun von der Regierung?
Wir brauchen Reformen, die Betriebe und Beschäftigte im Alltag spürbar entlasten. Das beginnt damit, für weniger Formulare und Aktenordner zu sorgen, indem Bürokratie deutlich verringert wird. Gerade für kleinere Betriebe, die nicht für jede neue Regel eine eigene Stabsstelle aufbauen können. Wichtig ist auch eine Reform der Sozialsysteme, weil die Beitragsschraube für personalintensive Betriebe längst überdreht ist. Dazu eine Steuerpolitik, die Investitionen erleichtert und keine Fehlanreize setzt. Und schließlich verlässliche Energiepreise, die Planungssicherheit schaffen. Und in all diesen Bereichen kommt es bei politischen Entscheidungen darauf an, dass der Mittelstand im Auge behalten und nicht nur Industrieunternehmen adressiert werden. Zusammengenommen sind das alles Bausteine, damit das Handwerk in einem wettbewerbsfähigen Umfeld arbeiten kann.
Was müsste passieren, damit Betriebe nach gebrochenen politischen Versprechen wieder Vertrauen in die Politik gewinnen?
Vertrauen entsteht durch Taten, nicht durch Ankündigungen. Wenn Entlastungen versprochen werden, müssen sie auch kommen. Wenn Verfahrensvereinfachungen zugesagt werden, darf am Ende nicht noch ein Formular dazukommen. Die Betriebe erwarten Verlässlichkeit und Verbindlichkeit. Ich erlebe jeden Tag, wie sehr das Handwerk anpackt. Das erwarten wir auch von der Politik.
Bürokratie, Digitalisierung, Energiepreise, demografischer Wandel – wie bewahren Sie und der Verband die Motivation, diese Themen immer wieder mit Nachdruck voranzutreiben?
Unsere Motivation entsteht aus unserem Selbstverständnis als Selbstverwaltung. Wir vertreten uns als Handwerk aus dem praktischen Alltag heraus. Genau dieses Prinzip gibt uns die authentische Kraft. Die große Zahl der Ehrenamtlichen ist ein unschätzbarer Motor. Sie bringen die Erfahrungen aus ihren Betrieben ein. Wenn sie trotz vollem Arbeitsalltag Verantwortung übernehmen, dann verpflichtet uns das, ihre Anliegen mit Ausdauer und Klarheit zu vertreten. Wir wissen, dass wir Veränderungen nicht über Nacht erreichen. Aber wir wissen auch, dass wir ohne Ausdauer nichts verändern würden. Geduld und Ausdauer: Eigenschaften, die auch unsere Vorfahren brauchten und die uns Vorbild sein können.
Worauf freuen Sie sich in den kommenden drei Jahren? Und wo sehen Sie die größten Herausforderungen?
Meine Einschätzung lautet, dass die politische Situation im Land und in der Gesellschaft noch herausfordernder wird. Wir alle müssen bei immer mehr Strömungen trotzdem die Einheit des Handwerks wahren. Gerade in Zeiten großer Umbrüche ist eine gemeinsame Stimme wichtiger denn je. Die zentrale Aufgabe bleibt, darauf hinzuwirken, dass der Druck auf die Betriebe durch die steigenden Kosten und Abgaben, Personalengpässe und die digitale Transformation beherrschbar bleibt. Und es geht darum, den Betrieben vor dem Hintergrund der großen Veränderungsprozesse bei Demografie, Digitalisierung und Dekarbonisierung faire Rahmenbedingungen zu verschaffen. Ich bin überzeugt: Mit unserer starken Selbstverwaltung, dem Engagement unserer Ehrenamtlichen und einer klaren Positionierung gegenüber der Politik können wir viel bewegen und erreichen. Das Handwerk hat immer bewiesen, dass es Wandel gestalten kann. Genau daran werde ich mit voller Kraft und Freude weiter anknüpfen.