Zentralverband des
Deutschen Handwerks
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Deutschen Handwerks
22.12.2021

"Umsatzprognosen sind aktuell Blick in die Glaskugel"

ZDH-Generalsekretär Schwannecke gibt im "handwerk magazin" einen Ausblick auf das kommende Jahr 2022.
Portraitfoto von Holger Schwannecke vor heller Strukturleinwand im Haus des Deutschen Handwerks in Berlin

Umsatzprognosen in diesen Tagen gleichen einem Blick in die Glaskugel, denn "zu groß sind die Unsicherheiten wegen der besorgniserregenden Entwicklung der Pandemie, der Dauer der Lieferkettenprobleme und den immer größeren Fachkräfteengpässen", erläutert Holger Schwannecke, Generalsekretär des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH), im Gespräch mit Patrick Neumann vom handwerk magazin.

Wie fällt Ihre Prognose fürs Jahr 2021 aus?

Vor der Zuspitzung der Corona-Lage hat sich für das laufende Jahr mit einem Umsatzwachstum von rund 2 Prozent ein überraschend gutes Ergebnis abgezeichnet. Dieses hat einmal mehr die Tatkraft unserer Branche und ihrer Fähigkeit verdeutlicht, flexibel zu agieren und die sich bietenden Geschäftsmöglichkeiten zu nutzen. Trotz immenser Herausforderungen bei der Materialbeschaffung haben unsere Betriebe bis zuletzt alle Register gezogen und die mit jeder wegfallenden Corona-Einschränkung sich ergebenden Chancen genutzt. Viele konnten ihr Ergebnis stabil halten oder sogar leicht zulegen. Gedämpft wird der konjunkturelle Aufwärtstrend von den fehlenden Fachkräften und Auszubildenden in unseren Betrieben. Auch angesichts von bereits wieder bestehenden und möglicherweise noch drohenden Corona-Einschränkungen kommt die Erholungsdynamik aktuell ins Stocken und die tatsächliche Umsatzentwicklung im Jahr 2021 könnte geringer als prognostiziert ausfallen.

Und was erwarten Sie für 2022?

Für das kommende Jahr 2022 haben wir – Stand Ende Oktober - für das gesamte Handwerk ein Plus von 4 Prozent erwartet. Allerdings sind Umsatzprognosen im Moment sprichwörtlich ein Blick in die Glaskugel. Zu groß sind die Unsicherheiten wegen der besorgniserregenden Entwicklung der Pandemie, der Dauer der Lieferkettenprobleme und den immer größeren Fachkräfteengpässen. Wenn die wirtschaftliche Erholung im Handwerk andauern soll, muss die Ampel-Regierung schnell für eine Verstetigung des Erholungsprozesses sorgen: Sie muss für unsere Betriebe langfristig Planungssicherheit in Bezug auf Arbeitsvorgaben und Schutzkonzepte in der Pandemie schaffen. Die derzeitige Unsicherheit und der Zick-Zack-Corona-Kurs ist Gift für die zarte Konjunkturerholung – auch weil die aus dem Takt geratenen Logistikketten sich so nicht normalisieren können.

Welche drei Themen/Herausforderungen werden das Gesamthandwerk 2022 massiv beschäftigen und warum?

Das Megathema für das Handwerk ist und bleibt die Fachkräftesicherung. Der Mangel an qualifizierten Fachkräften kann auch im nächsten Jahr zur Bremse eines sonst noch stärkeren Umsatzwachstums im Handwerk werden. Die Betriebe suchen schon jetzt wieder händeringend nach qualifizierten Fachkräften. Die Corona-Pandemie hat nichts am hohen Fachkräftebedarf geändert – im Gegenteil: Qualifizierte Fachkräfte werden nach der akuten Krise in allen Wirtschaftsbereichen gebraucht, um Deutschland wirtschaftlich wieder auf Kurs zu bringen und besonders auch, um die Zukunftsfelder wie Energie- und Mobilitätswende, Klimaschutz, Wohnungsbau, digitalen wie analogen Infrastrukturausbau zu gestalten. Man muss kein Prophet sein, um vorauszusehen, dass wir die geplanten Vorhaben der neuen Bundesregierung besonders im Klima- und Umweltschutz mit dem jetzigen Stamm an Beschäftigten nicht hinbekommen werden. Wir brauchen dringend mehr qualifizierte Fachkräfte, damit besonders der Klimaschutz am Ende nicht daran scheitert, dass diejenigen fehlen, die ihn umsetzen.

Eine zunehmende Herausforderung für unsere Handwerksbetriebe sind die Liefer- und Materialengpässe. Hier muss die Politik alle ihr zur Verfügung stehenden Möglichkeiten etwa bei öffentlichen Aufträgen nutzen. Bezogen auf die langfristigen Herausforderungen einer finanziell prekären Lage der Sozialversicherungssysteme und einer international immer weniger wettbewerbsfähigen Besteuerung von Betrieben und Unternehmen muss die Ampel endlich grundsätzliche politische Strukturreformen angehen.

Gibt es ein Leitthema, das Sie 2022 im ZDH intensiv verfolgen?

Neben der Fachkräftesicherung stehen die Themen generationengerechte Sozialversicherungssysteme, wettbewerbsfähiges Steuersystem, weiterer Bürokratieabbau, Unterstützung der digitalen Transformation sowie Bewusstseinsschärfung in der Politik für die Unverzichtbarkeit des Handwerks für Klimaschutz- und Nachhaltigkeitsvorhaben ganz oben auf der ZDH-Agenda. Von der neuen Bundesregierung erwarten wir, dass sie vor allem kleine und mittlere Betriebe und Unternehmen entlastet und stärkt und ihnen unterstützend unter die Arme greift, wenn es um die berufliche Ausbildung als Schlüssel zur Gewinnung von qualifiziertem Personal geht. Die Potenziale von Klimaschutz und Nachhaltigkeit müssen noch entschlossener für den wirtschaftlichen Aufschwung genutzt werden. Wenn das gelingt, kann 2022 ein echtes Chancenjahr werden.

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