"Sozialsystem zukunftsfit machen"

Hans Peter Wollseifer, Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks
Foto: ZDH/Boris Trenkel
"Wirklich ganz große Sorgen machen uns die sozialen Sicherungssysteme. Wir brauchen eine strukturelle Rentenreform und nicht das, was im Koalitionsvertrag beschrieben ist. Das ist einfach viel zu wenig, um die sozialen Sicherungssysteme in die Zukunft zu tragen", so ZDH-Präsident Wollseifer gegenüber Andreas Hoenig von der dpa.
"Die neue Ampel-Regierung hat keine Schonfrist. Sie muss direkt loslegen in allen möglichen Bereichen, zum Beispiel bei der digitalen Transformation, bei einer Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren. Wenn 400 000 Wohnungen jährlich in Deutschland gebaut werden sollen, dann muss die neue Regierung dafür auch die nötigen Voraussetzungen schaffen, dann muss sie agieren. Und zwar jetzt agieren und nicht irgendwann.
Strukturelle Rentenreform notwendig
Wirklich ganz große Sorgen machen uns die sozialen Sicherungssysteme. Diese müssen an der Generationengerechtigkeit ausgerichtet und finanziert werden. Wir brauchen eine strukturelle Rentenreform und nicht das, was im Koalitionsvertrag beschrieben ist. Das ist einfach viel zu wenig, um die sozialen Sicherungssysteme in die Zukunft zu tragen. Wenn man das 48-Prozent-Mindestrentenniveau beibehalten will, am gesetzlichen Renteneintrittsalter nichts ändert, dann bleibt eigentlich nur übrig, die jüngeren Generationen mit höheren Beiträgen mehr zu belasten oder über den Bundeshaushalt noch mehr zu subventionieren. Den Kern des Problems löst man so nicht.
Es fällt schwer, einen grundsätzlichen Reformwillen für den Bereich der Sozialversicherungssysteme zu erkennen und das, obwohl die neue Regierung Nachhaltigkeit zu einer grundsätzlichen Leitplanke ihres Handelns erhoben hat: Da kann es doch nicht sein, dass sie ausgerechnet bei den Sozialversicherungssystemen die Nachhaltigkeit bei deren Finanzierung ignoriert.
40 Prozent-Grenze bei den Sozialversicherungsbeiträgen
Im Koalitionsvertrag fehlt die Aussage, dass wir bei der 40 Prozent-Grenze bei den Sozialversicherungsbeiträgen bleiben und diese rote Linie keinesfalls überschreiten. Für uns als personal- und damit lohnintensive Branche ist das sehr nachteilig.
Wir brauchen eine Finanzierung dahingehend, dass versicherungsfremde Leistungen auch von der Allgemeinheit getragen werden. Bund und Länder machen sich einen schlanken Fuß bei den Krankenhäusern, indem sie sich schleichend aus der Finanzierung der Investitionskosten zurückziehen und die Beitragszahler, also Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die Kosten über die Fallpauschalen mitfinanzieren müssen. Es wird also zu viel über den Lohnbezug finanziert. Das kann in der Zukunft nicht mehr der richtige Weg sein."