Zentralverband des
Deutschen Handwerks
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Deutschen Handwerks
03.01.2022

"Politik muss beruflicher Bildung höchste Priorität zumessen"

ZDH-Präsident Wollseifer forderte bei "dpa" eine deutliche Stärkung der beruflichen Bildung als dem entscheidenden Schlüssel zur Fachkräftesicherung.
Thema Fachkräftesicherung: Zwei junge Menschen im Blaumann lassen sich von einem Erwachsenen eine Maschine erklären.

"Der entscheidende Hebel, um die Fachkräftelücke zu schließen, bleibt es, in Deutschland mehr junge Menschen zu qualifizierten Fachkräften auszubilden. Deshalb gehört die berufliche Bildung als höchste Priorität in den Fokus politischen Handelns, deshalb muss Politik die berufliche Bildung mehr fördern – auch finanziell", so ZDH-Präsident Wollseifer gegenüber Andreas Hoenig von der dpa.

"Der Wirtschafts- und Klimaschutzminister hat sehr ambitionierte Pläne, die wir durchaus unterstützen. Klar ist aber auch, dass das nur mit dem Handwerk gehen wird. Wir sind die Umsetzer. Wir gestalten die Zukunft. Wir sind im wahrsten Sinne des Wortes die Zukunftsmacher, denn wir packen an und machen zur Realität, was vereinbart wurde. Ich habe den Eindruck, diese Botschaft ist mittlerweile in weiten Teilen der Politik angekommen, allerdings noch nicht bei allen, aber immerhin an entscheidenden Stellen. Nur mit beruflich qualifizierten Fachkräften des Handwerks sind die Klimaschutzziele, die Energieeffizienzziele, die E-Mobilität, der Ausbau der Ladesäulen und der Infrastruktur möglich.

Im Handwerk sind bereits im Moment fast 2,5 Millionen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Bereichen Klima- und Umweltschutz, Energieeffizienz und Energieversorgung, energetische Gebäudesanierung, dem Ausbau Erneuerbarer Energien und E-Mobilität tätig. Doch für all diese Aufgaben reicht das nicht, das ist zu wenig. Damit kriegen wir nicht das umgesetzt, was umgesetzt werden soll. Deshalb braucht es eine gezielt darauf zugeschnittene Fachkräfteinitiative.

Mehr Wertschätzung für berufliche Bildung

Wir müssen alles daran setzen, so rasch wie möglich tatsächlich die Wende hinzubekommen zu mehr Wertschätzung der beruflichen Ausbildung, aber auch ganz konkret hin zu mehr jungen Menschen, die sich für den beruflichen Ausbildungsweg entscheiden. Diese Wende muss schon deshalb ganz schnell gelingen, damit wir nicht in eine Situation geraten, in der Bürgerinnen und Bürger nicht mehr ausreichend mit handwerklichen Dienstleistungen und Produkten versorgt werden können. Und in der nicht genügend qualifizierte Handwerkerinnen und Handwerker für die so wichtigen Zukunftsaufgaben zu finden sind und dadurch Wachstum und Modernisierung gebremst werden. Damit das nicht eintritt, muss jetzt politisch die Einsicht wachsen, dass man die unterstützen muss, die unser Land und unsere Wirtschaft am Laufen halten und die das alles umsetzen. Das wird aber ganz sicher nicht allein zu lösen sein, indem Menschen aus Drittländern über das Fachkräfteeinwanderungsgesetz zu uns kommen.

Der entscheidende Hebel, um die Fachkräftelücke zu schließen, bleibt es, in Deutschland mehr junge Menschen zu qualifizierten Fachkräften auszubilden. Deshalb gehört die berufliche Bildung als höchste Priorität in den Fokus politischen Handelns, deshalb muss Politik die berufliche Bildung mehr fördern – auch finanziell. Wir brauchen einen Bewusstseinswandel in diese Richtung, der muss in diesem Jahr 2022 kommen. Sonst läuft das Ganze aus dem Ruder. Die Gleichstellung der beruflichen Bildung zur akademischen Bildung muss gesetzlich festgeschrieben werden. In der Schweiz gibt es das. Da sieht das auch ganz anders aus. Die haben viele junge Leute, die in die berufliche Bildung gehen, die sich qualifizieren, die Betriebe übernehmen. Die haben unser Problem nicht.

Wenn wir die gesetzliche Festschreibung haben, dann ist das zunächst erst einmal ein klares Signal – ein Signal an die ausbildenden Betriebe, aber auch an Schulen, an Eltern, an Lehrer, dass der Staat die berufliche Bildung wirklich gleichwertig zur akademischen Bildung einschätzt.

Engagement bei den Bildungsstätten des Handwerks nötig

Bei der Begabtenförderung werden die Begabten in der beruflichen Bildung mit 60 Millionen gefördert. In der akademischen Bildung mit 300 Millionen. Ähnlich ist es in anderen Bereichen auch. Die Berufsschulen müssen stärker finanziert werden. Das steht im Koalitionsvertrag. Das ist richtig, das begrüßen wir. Die 600 Bildungsstätten des Handwerks stehen aber nicht drin. Das aber sind die Hochschulen des Handwerks. Da braucht es zwingend ein entsprechendes Engagement.

Manche Berufsschule ist in einem grauenhaften Zustand. Brandschutz wird nicht mehr beachtet oder unzureichend beachtet. Hygienische Voraussetzungen sind katastrophal.

Man hat sich eine Menge im Koalitionsvertrag für die berufliche Bildung vorgenommen, aber das muss jetzt auch angegangen werden, und zwar schnell. So sollen etwa für Meisterabsolventen und Meisterabsolventinnen die Qualifizierungskosten weitgehend übernommen werden.

Es ist richtig, dass die neue Regierung im Bereich der beruflichen Bildung Vieles vorhat und verändern und modernisieren will. Aber es ist gleichzeitig wichtig, dort Kontinuität zu bewahren, wo es in den zurückliegenden Jahren erwiesenermaßen zum Vorteil der beruflichen Bildung war. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und seine Ehefrau haben sich an höchster Stelle im Staat für die duale Ausbildung stark gemacht, haben für eine höhere Wertschätzung beruflicher Bildung eine Lanze gebrochen und dafür geworben, das war von unschätzbarem Wert. Bessere Fürsprecher für das duale Ausbildungssystem – gerade auch im Handwerk – kann man sich kaum vorstellen.

Beruflich qualifizierte Fachkräfte anzuwerben, die unsere Wirtschaft hier am Laufen halten, das ist ein weiterer Weg. Der ist wichtig, bislang hat sich diese Anwerbung zu sehr auf den akademischen Bereich konzentriert. Sich auch um beruflich Qualifizierte zu bemühen, das haben wir nicht ausreichend gemacht. Aber auch wenn wir unsere Anstrengungen hier jetzt zu Recht verstärken, werden wir es nach meiner Einschätzung nicht schaffen, innerhalb von kurzer Zeit Zehntausende fachlich qualifizierte Leute pro Jahr nach Deutschland zu holen."

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