Zentralverband des
Deutschen Handwerks
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Deutschen Handwerks
18.02.2022

"Nicht ohne Minijobber"

Über die Vorzüge von Minijobs, Verbesserungswünsche für die geringfügige Beschäftigung und belastende Sozialabgaben sprach ZDH-Geschäftsführer Karl-Sebastian Schulte mit der "DHZ".
    Portraitfoto von Karl-Sebastian Schulte im Gespräch im Haus des Deutschen Handwerks in Berlin

    Karl-Sebastian Schulte, Geschäftsführer des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks,
    Geschäftsführer des Unternehmerverbandes des Deutschen Handwerks

    Im Gespräch mit Steffen Range von der Deutschen Handwerks Zeitung (DHZ) fordert ZDH-Geschäftsführer Karl-Sebastian Schulte eine Nachbesserung bei der Minijob-Grenze.

    Wie bewerten Sie die Ankündigung der Bundesregierung, die Minijob-Grenze anzuheben?

    Im Grundsatz ist es positiv, dass die Minijob-Grenze angehoben wird und diese künftig anhand der Entwicklung des gesetzlichen Mindestlohns dynamisiert werden soll. Das schafft verlässliche Rahmenbedingungen in unseren Unternehmen. Betriebe und betroffene Beschäftigte fordern das seit Langem. Bedauerlich ist aber, dass damit eine deutliche Reduzierung der möglichen Arbeitsstunden einhergeht. Während Minijobber bei Einführung des gesetzlichen Mindestlohns im Jahr 2015 noch 53 Stunden pro Woche arbeiten konnten, soll diese Obergrenze nun dauerhaft bei maximal 43 Stunden festgeschrieben werden. Das erschwert den Personaleinsatz und erfordert mehr Personalaufwand. Hier sollte dringend noch einmal nachgebessert werden.

    Welche Bedeutung haben Minijobs aus ZDH-Sicht?  

    In verschiedenen Gewerken des Handwerks haben Minijobs für den reibungslosen Geschäftsbetrieb eine teils große Bedeutung, weil sie unseren Betrieben die nötige Flexibilität für Stoßzeiten oder Randarbeitszeiten verschaffen. Und auch viele Minijobber entscheiden sich bewusst dafür, weil es zu ihrer Lebenssituation passt und sie sich beispielsweise in der Familienphase oder als Rentner etwas hinzuverdienen wollen. Bei den Gebäudereinigerinnen und Gebäudereinigern stehen zum Beispiel immer nur kleine Zeitfenster zur Verfügung, um Geschäfts- und Büroräume zu reinigen – noch dazu meistens zu der immer gleichen Zeit, früh morgens und spät abends. Hier geht es nicht ohne Minijobber. Das Gleiche gilt für die Lebensmittelgewerke, wie etwa Bäckereien: Auch hier ist der Kundenandrang in der Regel in den Morgen- und Abendstunden größer und es werden in diesen Stoßzeiten Minijobber zur Unterstützung des Personals eingesetzt. Auch für die wenigen Öffnungsstunden im Sonntagsverkauf werden Minijobber benötigt. Gerade in der Pandemie haben sich Minijobber bewährt, um Corona-bedingte Personalausfälle abzufedern.

    Teilen Sie die Befürchtung, dass Minijobs sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze verdrängen?

    Ein ganz klares Nein: Im Handwerk verdrängen Minijobber keine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung. Im Gegenteil: Indem Minijobber einen reibungslosen Geschäftsbetrieb ermöglichen, tragen sie dazu bei, dass der Betrieb erfolgreich ist und sichern somit auch die sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze. Eine Win-win-Situation also für alle.

    Wäre es aus Sicht des Handwerks nicht wünschenswert, wenn mehr gut entlohnte, sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze entstehen – auch um im Konkurrenzkampf mit der Industrie zu bestehen, die ja oft besser bezahlt und dem Handwerk Fachkräfte abspenstig macht?

    Unbestritten ist der Fachkräftemangel eines der Hauptprobleme unserer Betriebe und wird sich noch verschärfen. Laut Bundesagentur für Arbeit gelten viele Tätigkeiten im Handwerk bereits jetzt als "Mangelberufe". Allerdings kämpft nicht allein das Handwerk damit, qualifizierte Fachkräfte zu finden, sondern weite Teile der gesamten deutschen Wirtschaft. Das Lohnniveau im Handwerk ist insofern sicher nicht die Hauptursache, dass sich die Fachkräftelücke so schwer schließen lässt. Ausbildungsvergütungen und Tariflöhne sind in den vergangenen Jahren im Handwerk deutlich gestiegen. Darüber hinaus bieten viele Betriebe eine übertarifliche Entlohnung oder andere Vorteile, wie einen Dienstwagen oder flexible Arbeitszeit. Um stille Reserven am Arbeitsmarkt zu heben, muss sozialversicherungspflichtige Beschäftigung wieder attraktiver werden.

    Was müsste geschehen?

    Es muss sich lohnen, zu arbeiten. Die Beschäftigten müssen endlich mehr netto in ihrem Portemonnaie haben. Politik muss dafür sorgen, dass die Brutto-Netto-Schere nicht immer weiter auseinanderklafft. Dafür muss endlich die kalte Progression verringert werden und die Sozialabgabenlast darf keinesfalls weiter steigen. Hinzukommen muss eine bildungspolitische Kehrtwende für mehr beruflich Qualifizierte. Eine Chance, Fachkräfte für das Handwerk zu gewinnen, eröffnet sich übrigens durch den Strukturwandel dort, wo in der Industrie Arbeitsplätze wegfallen. In Niedersachsen erproben wir demnächst solche spannenden Drehscheibenmodelle für Quereinsteiger aus der Industrie.

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