Zentralverband des
Deutschen Handwerks
17.09.2025

Mittelstandspolitik muss Sache der ganzen Regierung sein

Im Handelsblatt-Gastbeitrag fordern ZDH, BFB und DIHK eine Kehrtwende in der Mittelstandspolitik. "Das ist keine Einzelaufgabe, sondern es braucht die gesamte Bundesregierung in ihrer ganzen Breite", betont ZDH-Generalsekretär Schwannecke.
Portrait Schwannecke

Im Reform-Herbst voll auf Mittelstand setzen!

Wer Deutschland aus der Krise führen will, muss seinen mutigen Mittelstand mitnehmen.  Wirtschaftspolitik muss daher vor allem die Kräfte kleiner und mittlerer Betriebe freisetzen. Sie lähmen stattdessen weiterhin hohe Kosten, zu viel Bürokratie und fehlende Planungssicherheit, mahnen Helena Melnikov, Holger Schwannecke und Peter Klotzki.

Der Zusammenhalt in unserer Gesellschaft wird auf eine harte Probe gestellt. Drei Entwicklungen zeigen das derzeit besonders deutlich: Östlich der NATO-Grenze führt Russland seit dreieinhalb Jahren einen Angriffskrieg gegen die Ukraine, zuletzt drangen russische Drohnen in polnischen NATO-Luftraum ein. Weltweit entfernen sich Menschen voneinander, die Unfähigkeit zum Diskurs nimmt zu. Darunter leiden viele Menschen, das belastet auf vielfältige Weise auch die wirtschaftliche Lage. Hinzu kommt die Verunsicherung im Inland: Wo ist der klare, wirtschaftspolitische Kurs? Der Start der neuen Bundesregierung war mit dem “Investitionsbooster” in Teilen zunächst ermutigend. Doch was die Unternehmen jetzt spüren und registrieren, sind weiterhin Belastungen - von nicht eingehaltenen Versprechen bei der Stromsteuer, halbherzigen Korrekturen beim Lieferkettengesetz bis zum Tariftreuegesetz. Ein drastisch steigender Mindestlohn und Rekordsozialabgaben treiben die Arbeitskosten in die Höhe. Positive Akzente pro Mittelstand? Fehlanzeige!

Gerade jetzt wirken sich die regulatorischen Fesseln mit unzähligen Berichts-, Dokumentations-, Genehmigungs- und Statistikpflichten drastisch auf die Wirtschaft aus. Sie halten unsere Wirtschaft von dem ab, was sie am besten kann: kreative und gute Lösungen für die Menschen finden – durch bessere Produkte und Dienstleistungen. Das bringt Produktivität und Wachstum, die ein wesentlicher Faktor sind für die Erfüllung staatlicher Aufgaben sowie für Stabilität, Sinnstiftung und Orientierung.

3,4 Millionen kleine und mittlere Unternehmen (KMU) und damit über 99 Prozent der deutschen Wirtschaft – Industrie und Handel, Dienstleistungen, Handwerk und Freie Berufe – können mit Innovationskraft und Verantwortung die Transformation anführen. Sie können für Wachstum und damit für Steuereinnahmen sowie Beitragsaufkommen sorgen. Doch das muss die Politik nicht nur wollen, das muss sie aktiv ermöglichen. Denn ohne Industrie lässt sich keine Verteidigung realisieren. Ohne Bauwirtschaft, Planung und Handwerk bleibt die Infrastruktur marode. Ohne Elektronik und Energieversorgung stockt die Modernisierung. Und all das funktioniert nur dann, wenn Freiberuflerinnen und Freiberufler wie Ärzte, Anwältinnen und Apotheker sowie viele kleine und mittlere Dienstleister die gesellschaftlichen und unternehmerischen Grundlagen dafür schaffen. Die Bundesregierung müsste diese Kräfte im eigenen Interesse bündeln und stärken. Runter mit der Bürokratie und nicht nur über Beschleunigung reden, sondern sie in den Betrieben vor Ort spürbar werden lassen. Runter muss auch die Einkommensteuerbelastung, denn sie ist DIE Steuer für den Mittelstand. Runter mit den viel zu hohen Energiekosten, runter mit den Lohnzusatzkosten, bevor diese Arbeit prohibitiv verteuern. Und eine verlässliche Wirtschaftspolitik aus einem Guss - das sind die Gebote der Stunde, damit die Innovationskraft der Unternehmen zu Wachstum werden kann.

Der Mittelstand ist das Herzstück der deutschen Wirtschaft. Das sind die Familienbetriebe, Kanzleien, Büros und Werkstätten, die Geschwindigkeit gewohnt sind. Agilität und Resilienz sind der Schlüssel unserer Zeit: schnelle Reaktionen, aber auch belastbare Planung. Da aktuell kein klarer Kurs erkennbar ist, wird dieses Potenzial verschenkt. Mit jedem Tag ohne Strategie steigt die Fallhöhe, steigt der Frust bei den Betrieben, verlieren mehr Menschen die Freude an der Selbständigkeit. Dabei liegt der Fahrplan auf der Hand: Entlasten, Hürden abbauen, Prioritäten setzen. Eine Wirtschaft in Wartestellung investiert nicht und gibt – im schlimmsten Fall – langfristig den Standort auf.

Nur wenn die Orientierung am Mittelstand im Zentrum der Wirtschaftspolitik steht, wird es mit unseren Wirtschaftsstandort aufwärts gehen, getragen von einem starken Mittelstand – das muss unser gemeinsames Ziel sein.

Deutschland braucht einen Wirtschaftsneustart. Der Reset-Button muss gedrückt werden. Das bedeutet: alles stoppen, was unnötig ist. An Rüstungsvorhaben und LNG-Terminals haben wir gesehen, dass schnelle Entscheidungen möglich sind. Jetzt gilt es, diesen Pragmatismus auf die gesamte Wirtschaft zu übertragen – Deutschland-Tempo nicht nur vor Rügen, sondern überall und für jeden Betrieb. Nicht mehr Regeln, sondern weniger. Nicht Kontrolle, sondern Vertrauen. Nicht Angst, sondern Freiheit.

Der Mittelstand ist belastbar, innovativ und bereit. Er hält das Land zusammen, im globalen Wettbewerb ebenso wie im Alltag der Menschen. Die Politik muss diese Kraft endlich nutzen. Nur wer auf den Mittelstand setzt, setzt auch auf die Zukunft.

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