E-Mobilität im Handwerk: Chance mit noch vielen Hürden

Welche Bedenken haben Handwerksbetriebe, wenn es darum geht, in Elektrofahrzeuge zu investieren?
Die Offenheit gegenüber E-Fahrzeugen ist im Handwerk klar gewachsen. Aber anders als in der Gesamtgesellschaft zählen für Handwerkerinnen und Handwerker weniger Lifestyle-Argumente als vielmehr technische und wirtschaftliche Fakten. Handwerker brauchen Fahrzeuge, die bei jedem Wetter, auf jedem Untergrund und zu jeder Jahreszeit zuverlässig funktionieren. Zuladung und Laderaum dürfen auch mit Batterieantrieb nicht eingeschränkt sein. Da gab es lange begründete Vorbehalte. Inzwischen hat sich bei den leichten Nutzfahrzeugen und Kombis einiges getan: Die Modellvielfalt ist größer, Reichweiten von 200 bis 350 Kilometern decken innerstädtische und regionale Einsätze meist gut ab. Aber in ländlichen Regionen oder bei hoher Zuladung und weiten Strecken – etwa im Baugewerbe – gibt es weiterhin Einschränkungen. Die Technik wird besser, aber der Wandel geht im Nutzfahrzeugbereich langsamer voran als bei Pkw. Unsere letzte Umfrage 2024 zeigt: Der größte Bremsklotz sind weiterhin die hohen Anschaffungs- und Betriebskosten, besonders im Vergleich zu konventionellen Antrieben. Deshalb spielen gezielte Fördermaßnahmen für die Fahrzeugmodernisierung im Handwerk eine wichtige Rolle.
Ist der angekündigte degressive Abschreibungssatz von 75 Prozent auf den Kaufpreis für neue und betrieblich genutzte Elektro-Neufahrzeuge ein ausreichender Anreiz?
Die Sonderabschreibung ist als Teil des Investitionssofortprogramms der Bundesregierung ein richtiger und kraftvoller Anreiz, um den Hochlauf der E-Mobilität auch im Handwerk zu beschleunigen. Sie unterstützt die Transformation der Wirtschaft und dient dem Klimaschutz. Ausdrücklich positiv ist, dass die neue Abschreibungsregelung auch für elektrisch betriebene Nutzfahrzeuge (Lastkraftwagen und Busse) gelten soll. Die Sonderabschreibung kann allerdings nur ein Baustein in einer verlässlichen Gesamtstrategie sein. Was wir brauchen, ist eine langfristig angelegte Politik mit einem Mix aus Kfz-Steuerbefreiungen, gezielten Förderungen, Beratungsangeboten und einem beschleunigten Ausbau der Ladeinfrastruktur.
Welche weiteren Hürden sehen Sie für eine nachhaltige Stimulierung der E-Auto-Nachfrage?
Der Preisunterschied zu konventionellen Fahrzeugen ist nach wie vor ein wesentliches Hemmnis. So lange der Kaufpreis für E-Autos vergleichsweise hoch ist, braucht es gezielte Unterstützungsmaßnahmen wie Förderungen oder Steuervergünstigungen, bis sich der Kaufpreis dem Niveau konventioneller Fahrzeuge annähert. Technisch sind viele E-Transporter heute schon auf einem guten Niveau. Limitierende Faktoren sind aber je nach Modell die Reichweite, die Zuladungsmöglichkeiten und die Zuglastfähigkeit. Doch die Entwicklung geht weiter und eine Fuhrparkmodernisierung ist ein längerer Prozess. Für Service- und Wartungseinsätze im urbanen Umfeld sind E-Fahrzeuge – Kombis und viele Kleintransporter mit elektrischem Antrieb - inzwischen eine echte Option. Bei den allerschwersten Nutzfahrzeugen und Spezialmaschinen im Baugewerbe wird es sicher noch länger dauern. Zudem: Die neue Sonderabschreibung greift bei Leasing-Fahrzeugen leider nicht, da sie ausschließlich vom Leasinggeber genutzt werden kann. Dadurch können sie viele Handwerksbetriebe als Leasingnehmer nicht für ihren Firmenfuhrpark nutzen.
Wie steht es um bürokratische Hürden? Welche Maßnahmen oder Vereinfachungen wären nötig, um den Zugang zu Fördermitteln zu erleichtern?
Derzeit gibt es faktisch keine bundesweiten Zuschüsse für gewerbliche Nutzfahrzeuge – die Frage stellt sich also leider nur theoretisch. Frühere Programme waren oft überbürokratisiert, mit komplexen Anträgen und langwierigen Verfahren – davon profitieren dann eher große Logistiker als kleine Handwerksbetriebe. Der Umweltbonus war da ein echtes Positivbeispiel: niedrigschwellig, unkompliziert, und auch für Betriebe mit Fahrzeugen bis 3,5 Tonnen nutzbar. Leider wurde er erst eingeschränkt und dann ganz gestrichen. Einige Länder, wie Berlin mit WELMO, haben das besser gemacht – aber auch viele dieser Programme laufen inzwischen aus. Wenn die Bundesregierung wieder Förderungen auflegen sollte, müssten diese sich am Modell des Umweltbonus orientieren, aber alle Nutzfahrzeugtypen einschließen.
Ein häufig genanntes Hindernis für die Akzeptanz von E-Autos ist die Ladeinfrastruktur. Sind diese Zweifel Ihrer Ansicht nach noch berechtigt?
Die Ladeinfrastruktur hat sich in den vergangenen zwei bis vier Jahren deutlich verbessert, insbesondere im öffentlichen Raum und entlang von Fernstraßen. Für viele Handwerksbetriebe, die regional agieren, ist die Ladefrage meist gut lösbar. Im Bäckerhandwerk werden beispielsweise zumeist feste eigene Verkaufsstellen oder einzelne Gastrokunden im Umfeld beliefert, danach können die Fahrzeuge direkt am Hauptstandort geladen werden, optimalerweise mit eigener Photovoltaik. Herausfordernder bleibt es für Betriebe mit längeren Fahrstrecken, ohne eigenen Betriebshof oder mit einem Standort in Innenstädten, wo die Fahrzeuge im öffentlichen Raum geparkt werden müssen. Diese Betriebe sind dann auf öffentliche Ladepunkte oder Schnellladeeinrichtungen nahe gelegener Tankstellen angewiesen. Das kann ein erhebliches Hindernis sein. Gerade in diesen Fällen und aufgrund der steigenden Nachfrage braucht es deshalb weiter abgestimmte Lösungen zwischen Kommunen, Netzbetreibern und Wirtschaft, die den Ausbau von Ladeinfrastruktur vorantreiben.
Haben Handwerksbetriebe ausreichend Informationen oder Beratung, um eine fundierte Entscheidung zwischen traditionellen Fahrzeugen und Elektroautos zu treffen?
Viele Handwerkskammern, Fachverbände und Innungen bieten gezielte Beratungen an, um Betriebe zu einer fundierten Entscheidung zu befähigen. Auch einige Städte sowie die Elektromobilitätsagenturen der Bundesländer unterstützen mit gezielten Angeboten. Hervorzuheben sind zudem spezielle Mobilitätsberatungen einzelner Handwerksorganisationen, die Fahrprofile von Betrieben analysieren und Möglichkeiten in Bezug auf unterschiedliche Angebote bewerten. Teils gibt es spezielle Elektromobilitätstage der Handwerkskammern. Wichtige Ansprechpartner sind darüber hinaus natürlich die Nutzfahrzeughändler und -handwerker vor Ort. Optimalerweise berät dann auch der Elektrohandwerker hinsichtlich der betrieblichen Ladeinfrastruktur und der Integration in eigene Fotovoltaikanlagen.
Abgesehen von dem neuen Steuervorteil: Wie wirken sich Elektroautos langfristig auf die Betriebskosten von Handwerksbetrieben aus?
In einigen Projekten und Beratungsangeboten wurden Modellrechnungen für unterschiedliche Einsatzbereiche durchgeführt. Diese fielen meist sehr positiv aus. Insbesondere vor dem Hintergrund steigender Benzin- und Dieselpreise. Leider sind zuletzt auch die Stromkosten deutlich gestiegen. In der schon erwähnten Umfrage standen hohe Stromkosten immerhin an dritter Stelle der genannten Hindernisse zum Übergang zur Elektromobilität. Langfristig wird der Übergang weg von konventionellen Kraftstoffen hin zu Strom aber zu deutlichen Einsparungen bei Betrieben führen. Schwieriger ist es, wenn große Investitionen für Ladeinfrastruktur, insbesondere für schwere Nutzfahrzeuge, auf dem Firmengelände nötig werden.
Wie wichtig ist es für Handwerksbetriebe, auch im Hinblick auf ihr Image und ihre Kundenwahrnehmung, auf E-Autos umzustellen?
Das können wir aktuell nur grob einschätzen und liegt natürlich im Ermessen der einzelnen Betriebe. Die Bedeutung ist bei einem SHK- oder Elektrobetrieb, der Wallboxen installiert, vermutlich größer als bei anderen Gewerken. Sinngemäß gilt dies für alle Klimahandwerke. Aber auch beispielweise im Lebensmittelhandwerk sehen wir immer mehr nachhaltige Komplettpakete: mit regionalen Rohstoffen, eigenen erneuerbaren Energien und modernem Fuhrpark.
Wie sehen Sie die Entwicklung der E-Mobilität in den nächsten 5-10 Jahren, besonders im Hinblick auf das das Handwerk?
Es geht stückweise voran: Die Modellvielfalt wird immer größer. Wenn wir von E-Mobilität im Handwerk reden, reicht das vom E-Lastenrad eines Schornsteinfegers über Kleintransporter von Elektrohandwerkern bis hin zu schweren Nutzfahrzeugen und Sonderfahrzeugen im Baugewerbe. Hier wird es unterschiedliche Geschwindigkeiten geben. Auch weil Handwerksbetriebe ihre Fahrzeuge in der Regel über viele Jahre hinweg nutzen, vollzieht sich der Umstieg auf E-Mobilität schrittweise. Abgesehen von den Kosten dürften technische Hürden bei leichten und mittelschweren Nutzfahrzeugen in naher Zukunft kaum noch eine Rolle spielen. Wie schnell die Elektrifizierung bei schweren Nutzfahrzeugen vorankommt, bleibt hingegen abzuwarten.