Zentralverband des
Deutschen Handwerks
07.05.2025

Dittrich: Brot ist mehr als Nahrung, es ist Heimat und Handwerk

Der zum Brotbotschafter 2025 ernannte ZDH-Präsident Jörg Dittrich über seine Liebe zu gutem Brot und das unverzichtbare Können der Handwerksbäcker.
Brotbotschafter Jörg Dittrich

ZDH-Präsident Jörg Dittrich wirbt 2025 als neuer Brotbotschafter für die deutsche Brotkultur und mehr Wertschätzung für das Bäckerhandwerk. Im Interview spricht er über Kindheitserinnerungen an Brot, Bürokratie im Handwerk und die Zukunft des Brotes.

Warum sind Sie prädestiniert, das Amt des Brotbotschafters anzutreten?

Bin ich das? Ich bin eher dankbar, dass die Bäcker es mir zutrauen. Aber ganz sicher ist meine eigene Begeisterung für handwerkliches Können und die Liebe zu hochwertigen Handwerksprodukten aus eigener Erfahrung gut nachvollziehen. Es motiviert mich, als Botschafter für ein so besonderes Handwerksprodukt wie Brot und deutsche Brotkultur, die sogar zum immateriellen Kulturerbe zählt, unterwegs sein zu dürfen. Ich freue mich darauf, die Vielfalt und die Geschichten rund um das Brot zu teilen, sei es bei gemütlichen Abendessen mit Familie und Freunden oder bei Veranstaltungen, bei denen ich die Menschen für die Kunst des Brotbackens begeistern kann. Ich werde so oft als möglich in diesem Jahr auch bei meinen Reden auf die Aufgabe als Brot-Botschafter verweisen.

Was verbinden Sie mit Brot und der Deutschen Brotkultur?

In meiner Heimat Sachsen ist die „Bemme“ – ein belegtes Brot – ein fester Bestandteil des Alltags, sei es als Pausensnack, in den Brotdosen meiner Kinder oder als Herzstück des Abendbrots. Backkunst hat in Sachsen eine lange Tradition und ist berühmt für seine Köstlichkeiten wie den Dresdner Christstollen oder die Pulsnitzer Pfefferkuchen. Deutschland ist weltweit für die Vielfalt und Qualität seines Brotes bekannt – seit über zehn Jahren steht die deutsche Brotkultur sogar im bundesweiten Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes der UNESCO. Auf meinen Reisen als Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH) genieße ich es, in lokalen Bäckereien vor Ort vorbeizuschauen und die regionale Back- und Brotspezialitäten zu entdecken – ein wahrer Genuss.

Welchen Stellenwert hat das Bäckerhandwerk in der Gesellschaft?

Der Beruf des Bäckers ist so alt wie die Zivilisation selbst und hat bis heute eine immense gesellschaftliche Bedeutung. Wenn Kinder in der Kita nach einem Handwerk gefragt werden, dann ist „Bäcker“ oft das Erste, was ihnen einfällt. Gern singe ich auch mit meinen Kindern das bekannte Lied um das Backen in der Weihnachtsbäckerei zu Weihnachten. Für viele Menschen gehört der Biss in ein frisch gebackenes Sonntagsbrötchen und der kleine Plausch in der Dorf- oder Stadtteilbäckerei zum Alltag. Doch das Bäckerhandwerk ist nicht nur sozial und kulturell wichtig, sondern auch ein wichtiger wirtschaftlicher Pfeiler unseres Landes. Mit über 9.200 Meisterbetrieben, einem Gesamtumsatz von 17,55 Milliarden Euro und 235.200 Beschäftigten ist es ein entscheidender Wirtschaftsfaktor Deutschlands.

Wie arbeiten Sie als Präsident des ZDH mit dem Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks zusammen?

Ich habe eine lange und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit Roland Ermer, dem Präsidenten des Zentralverbandes des Deutschen Bäckerhandwerks. Unsere Wege kreuzten sich bereits 2011, als er Präsident des Sächsischen Handwerkstages wurde, und ich 2012 Präsident der Handwerkskammer Dresden, eine der Kammern, die im sächsischen Handwerkstag organisiert sind. Gemeinsam setzen wir uns für die Belange der Handwerksbetriebe ein und haben uns als zuverlässige Gesprächspartner schätzen gelernt. Der ZDH arbeitet eng mit dem Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks zusammen, insbesondere in unserer Arbeitsgemeinschaft der Fachverbände des Lebensmittelhandwerks (AGLMHW).

Was ist Ihr Lieblingsbrot?

Ganz klar: ein frisches Mischbrot. Das ist einfach zeitlos gut: außen knusprig und innen herrlich saftig.

Was essen Sie gerne zum Frühstück?

Am Wochenende genieße ich ein frisches Brötchen, egal ob hell oder dunkel. Der Duft, wenn es aufgeschnitten wird, und das Gefühl, in eine herrlich knusprige Kruste zu beißen: einfach genial.

Was wird bei Ihnen zu Hause zum Abendbrot gegessen?

Bei uns zu Hause ist das klassische Abendbrot fester Bestandteil des Tages. Wir mögen es bodenständig und unkompliziert: eine gute Scheibe Brot, manchmal getoastet und mit Apfelmus bestrichen – eine einfache, aber köstliche Kombination.

Haben Sie eine besondere Kindheitserinnerung zum Thema Brot oder einen persönlichen “Brotmoment“?

Ja, und zwar eine sehr schöne! Während meiner Kindheit in Dresden gab es noch zahlreiche kleine Familienbäckereien, viele davon nur wenige Gehminuten entfernt. Sechs oder sieben davon waren fußläufig in meiner direkten Umgebung. Besonders erinnere ich mich an das frische Mischbrot, das ich oft einfach nur mit Butter und einer Prise Salz gegessen habe – ein häufiger und unvergesslicher Genuss in meiner Kindheit!

Welches ist Ihr Lieblingsweihnachtsgebäck?

Als Dresdner müsste ich natürlich den berühmten Rosinenstollen nennen – aber mein persönlicher Favorit ist tatsächlich der Mandelstollen. Die feine Süße, das zarte Aroma der Mandeln und die saftige Konsistenz machen ihn für mich unwiderstehlich.

Gibt es bei Ihnen in der Familie ein klassisches Ostergebäck?

Nein, eine feste Ostertradition beim Gebäck haben wir nicht. Aber keine feste Tradition zu haben bedeutet auch, immer mal wieder Neues zu probieren.

Backen Sie zu Hause auch mal selbst?

Auf jeden Fall – vor allem, weil die Kinder darauf bestehen! Besonders in der Weihnachtszeit wird eifrig gebacken, dann duftet es nach Zimt und Vanille aus der Küche. Neben den traditionellen Plätzchen stehen aber auch Zupf- und Quarkkuchen immer wieder hoch im Kurs. Das gemeinsame Backen gehört für uns einfach dazu und macht jedes Gebäck zu etwas Besonderem.

Was macht für Sie gutes Brot aus?

Für mich macht gutes Brot vor allem die handwerkliche Kunstfertigkeit, der Geschmack und die Qualität der Zutaten aus. Der Biss in eine Scheibe Brot ist wie ein Genusserlebnis in mehreren sensorischen Akten: der Duft nach frisch gebackenem Brot, am besten noch warm in der Tüte, das Geräusch, wenn das Brotmesser durch die Kruste knackt, eine saftige Krume und ein herrlich volles Aroma. Man schmeckt die Handwerkskunst, die Zeit und Liebe, die der Bäcker oder die Bäckerin in das Brot gesteckt hat.

Was haben Sie sich vorgenommen als Brotbotschafter? Was sind Ihre Ziele?

Als Brotbotschafter möchte ich die Liebe zum Brot lebendig halten – für all die großen und kleinen Momente, in denen eine gute Scheibe Brot einfach glücklich macht. Mein Ziel ist es, die Wertschätzung für handwerklich gebackenes Brot zu stärken und die Vielfalt unserer Brotkultur zu feiern. Ich möchte Menschen daran erinnern, wie wunderbar der Duft von frisch gebackenem Brot ist, wie herrlich eine knusprige Kruste klingt und wie ein gutes Brot den Tag bereichert – sei es beim gemeinsamen Frühstück, beim Abendbrot mit der Familie oder als kleiner Genuss zwischendurch. Brot ist mehr als ein Lebensmittel und Nahrung – es ist ein Stück Heimat, Tradition und Lebensfreude, und genau das möchte ich weitergeben.

Warum ist es wichtig, zum Handwerksbäcker zu gehen?

Ganz einfach: Das Brot schmeckt einfach besser! Handwerksbäcker setzen auf traditionelle Rezepte und natürliche Zutaten. Das Ergebnis? Ein besseres Geschmackserlebnis und gesündere Backwaren. Die Produkte werden frisch und mit viel Liebe hergestellt, häufig mit langwierigen Teigführungen, die das Brot bekömmlich machen. Und nicht zu vergessen: Mit jedem Besuch unterstützt man das traditionelle Bäckerhandwerk und die lokale Wirtschaft. In den Handwerksbäckereien kennen sie ihre Produkte genau und es gibt persönliche Beratung – das kann ein Backshop oder die industrielle Großbäckerei nicht bieten.

Was bedeutet das Bäckerhandwerk für die regionalen Strukturen?

Das Bäckerhandwerk ist ein Jobmotor für die Region: Die Handwerksbetriebe schaffen und sichern nicht nur Arbeitsplätze in den Bäckereien selbst, sondern auch bei Zulieferern wie Mühlen, Landwirten oder Bauernhöfen. Jedes Jahr werden rund 10.000 junge Menschen in den Bäckereien in Deutschland ausgebildet. Das bedeutet, dass auf diese Weise regionale Backtraditionen und Rezepturen erhalten bleiben und an die nächste Generation weitergegeben werden.

Der Zentralverband kämpft seit langem für den Begriffsschutz der Bäckerei. Wie stehen Sie dazu?

Ein fairer Wettbewerb verlangt Klarheit und Wahrheit. Wer eine Bäckerei betritt, erwartet zurecht frisch gebackenes Brot und keine aufgebackenen Industrieteiglinge. Es ist Wettbewerbsverzerrung und eine Irreführung von Verbrauchern, wenn sich Backshops als Bäckereien bezeichnen und damit qualitative Merkmale ihrer Waren suggerieren, die sie nicht erfüllen. Deswegen setzt sich auch der ZDH für den wettbewerbsrechtlichen Schutz des Begriffs „Bäckerei“ ein, um mehr Transparenz und Fairness im Markt zu schaffen.

Besonders der Mittelstand leidet unter der überbordenden Bürokratie. Was muss aus Ihrer Sicht geschehen, um das Bäckerhandwerk zu entlasten?

Das Bäckerhandwerk ist als energieintensives Gewerbe mit hohem Kundenkontakt besonders von Bürokratie betroffen. Eine Flut an Vorschriften belastet Betriebe und bindet wertvolle Ressourcen. Dringend nötig sind Vereinfachungen etwa bei der Kühlkettendokumentation oder den Allergene-Hinweisen, die nur auf Nachfrage gegeben werden sollten. Auch die Abschaffung der Bonpflicht und einheitliche Hygienevorgaben könnten helfen, Bürokratie abzubauen und Vertrauen zu stärken. Die Arbeitsgemeinschaft der Fachverbände des Lebensmittelhandwerks (AGLMHW) setzt sich aktiv für weniger Bürokratie ein und hat bereits 2024 eine neue Regionalkennzeichnung verhindert, die Betriebe zusätzlich belastet hätte. Überhaupt ist das Thema Bürokratie ein Dauerbrenner, nicht nur im Lebensmittelhandwerk. Das Bundeswirtschaftsministerium hat gemeinsam mit dem Lebensmittelhandwerk und dem Bundesland Sachsen 2024 einen Praxischeck durchgeführt, der erstmals einen branchenspezifischen Ansatz wählt. Im direkten Dialog von Betrieben und Behörden wurde betrachtet, wie praxistauglich gesetzliche Regelungen sind, es wurden bürokratische Belastungen identifiziert, die die täglichen Abläufe im Lebensmittelhandwerk erschweren, und es wurden Lösungsansätze herausgearbeitet. 2025 liegt der Fokus nun darauf, die erarbeiteten Ideen auch umzusetzen.

Das Bäckerhandwerk ist eine energieintensive Branche und fordert von der Politik daher bezahlbare Energiepreise sowie Planungs- und Investitionssicherheit. Wie sehen Sie die aktuelle Lage?

Das Bäckerhandwerk ist stark von Gas als Energieträger abhängig, da 70 bis 80 Prozent der Backöfen damit betrieben werden. Eine Umrüstung auf Strom scheitert oft an unzureichenden Stromnetzen und fehlenden Energiespeichern. Gleichzeitig erhöhen politische Vorgaben zur Klimaneutralität und angekündigte Gasnetzstilllegungen ab 2030 den Druck auf die Betriebe. Diese Unsicherheiten hemmen Investitionen und schrecken bei der Übernahme von Betrieben ab. Die Branche benötigt dringend bezahlbare, verlässliche Energie und klare, umsetzbare Lösungen von der Politik, um ihre Zukunft zu sichern.

Was sollte die Politik tun, um das mittelständische Handwerk zu fördern?

Mit unserem Wahlcheck „25 für 25“ haben wir vor der Bundestagswahl aufgezeigt, wo im Handwerk der wirtschaftspolitische Schuh drückt, und welche politischen Entscheidungen für Betriebe und Beschäftigte dringend erforderlich sind: weniger Bürokratie, eine generationengerechte Sozialpolitik, faire Steuern, eine starke berufliche Bildung, Sicherung des Fachkräftebedarfs und gezielte Unterstützung und Entlastung für Handwerksbetriebe – ob in der Stadt oder auf dem Land. Die erste und dringendste Aufgabe der neuen Bundesregierung muss es sein, eine wirtschaftspolitische Wende zu vollziehen und den Kompass der Wirtschaftspolitik neu auszurichten. Dafür brauchen wir echte Reformen, die den Betrieben Planungssicherheit geben und den Veränderungsnotstand in unserem Land beenden.

Auch das Bäckerhandwerk leidet wie viele Branchen unter dem allgegenwärtigen Fachkräfte- und Nachwuchsmangel. Wie kann jungen Menschen das Handwerk schmackhaft gemacht werden?

Die Begeisterung für handwerkliche Berufe muss schon in der Schule gefördert werden: mit Schülerpraktika, Kooperationen und einer flächendeckenden Berufsorientierung, die auch Handwerksberufe vorstellt – bitte auch an Gymnasien. Die Jugendlichen müssen erfahren können, wie kreativ, vielfältig, erfüllend und zukunftsgewandt das Handwerk ist. Und nirgendwo kann man so schnell sein eigener Chef oder seine eigene Chefin werden wie im Handwerk. Hier bieten sich hervorragende Karriere- und Aufstiegschancen. Handwerkerinnen und Handwerker müssen sich über die Zukunft und über die Sinnhaftigkeit ihrer Tätigkeit keine Sorgen machen. Die Arbeit als Bäcker oder Bäckerin hat eine direkte und greifbare Bedeutung, da man täglich Menschen mit hochwertigen Lebensmitteln versorgt.

Der Zentralverband hat vor Jahren „Back dir deine Zukunft“ ins Leben gerufen. Wie finden Sie die Nachwuchskampagne?

Sehr gelungen, authentisch und lehrreich. Die Kampagne holt junge Menschen da ab, wo sie sind, und erreicht sie auch über Social Media. Sogar ich hab noch gelernt, was eine Mehltype und was ein Kochstück ist.  

Viele meckern über die Gen Z, während junge Menschen häufig altmodische Ansichten der Arbeitgeber kritisieren. Wie sehen Sie das? Wie kann dieser Generationenkonflikt gelöst werden?

Ich halte nichts von diesem Generationen-Bashing. Meckern bringt uns keinen Schritt weiter. Wie wollen wir Leistungsträger gewinnen, wenn wir eine Haltung der Verbitterung vermitteln? Früher war nicht alles besser, und heute sind nicht alle jungen Leute dümmer und fauler. Und wiederum gibt es durchaus Menschen in meinem Alter, die jung im Denken geblieben sind und sich durchaus daran erinnern, wie die Zeit als Lehrling war. Wenn wir empathisch miteinander umgehen und wohlwollend aufeinander zugehen, können auch Missverständnisse und Konflikte im Betriebsalltag schnell gelöst werden. So sollte es doch in jeder Familie sein, auch in der Handwerksfamilie.

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