Zentralverband des
Deutschen Handwerks
23.10.2025

Digitale Prüfungen müssen praktikabel und wirtschaftlich sein

Was bei digitalen Prüfungen im Handwerk gilt und zu beachten ist, und warum auch in Zukunft analoge Prüfungen stattfinden, erklärt ZDH-Geschäftsführer Dirk Palige Redakteur Steffen Guthardt von der Deutschen Handwerks Zeitung (DHZ).
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Nach welchem Rechtsrahmen (z. B. Handwerksordnung, Berufsbildungsgesetz, Prüfungsordnungen) richten sich Gesellen-, Meister- und Fortbildungsprüfungen (z. B. Betriebswirt HWK)?

Im Handwerk gelten für Prüfungen unterschiedliche rechtliche Grundlagen. Die zentrale rechtliche Basis bildet die Handwerksordnung (HwO), in der die wesentlichen Verfahrensregelungen für Prüfungen festgelegt sind. Für Meisterprüfungen existiert darüber hinaus eine spezielle Bundesrechtsverordnung (Meisterprüfungsverordnung), die das Prüfungsverfahren detailliert regelt.

Bei anderen Prüfungsarten können die Handwerkskammern im Rahmen ihres Satzungsrechts eigene Regelungen zur Prüfungsdurchführung erlassen. Dabei orientieren sie sich unter anderem an Empfehlungen des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB). Neben den Regelungen zum Prüfungsverfahren enthält die Handwerksordnung auch sogenannte Ermächtigungsgrundlagen. Diese ermöglichen es sowohl dem Bund als auch den Handwerkskammern, inhaltliche Anforderungen an Prüfungen festzulegen. So ist beispielsweise genau definiert, welche Kenntnisse und Fähigkeiten eine Bäckerin oder ein Bäcker im Rahmen der Gesellen- oder Meisterprüfung nachweisen muss. Gleiches gilt für viele Fortbildungsprüfungen, etwa zum Betriebswirt oder zur Betriebswirtin nach der HwO.

Welche Organisationen (z. B. ZDH, Kammer, Innung) sind für die Umsetzung von Gesellen-, Meister- und Fortbildungsprüfungen rechtlich zuständig?

Die gesetzliche Verantwortung zur Durchführung von Prüfungen liegt bei den 53 regionalen Handwerkskammern. Eine Ausnahme stellen die Gesellenprüfungen dar, die auch an Innungen delegiert und von ihnen durchgeführt werden können. Das Prüfungswesen im Handwerk ist somit dezentral organisiert. Ein sehr wichtiger Aspekt, der vielen nicht bewusst ist: Die Prüfungsausschüsse bestehen im Handwerk vollständig aus ehrenamtlichen Mitgliedern. Sie führen die eigentliche Prüfung durch und leisten durch ihr Engagement einen entscheidenden Beitrag, dass die berufliche Aus-, Weiter- und Fortbildung so gut funktioniert.

Gibt es bundesweit einen einheitlichen Rechtsrahmen für das Prüfungswesen (bzw. gelten für alle Prüflinge die gleichen Vorgaben und Anforderungen, etwa im vgl. zu Abiturprüfungen)?

Ja, es gibt einen bundesweit einheitlichen Rechtsrahmen. Die bereits erwähnten bundeseinheitlichen Aus- und Fortbildungsverordnungen legen die Prüfungsinhalte und -methoden fest. Dadurch ist die grundlegende Struktur aller Handwerksprüfungen vorgegeben. Auch die Zusammensetzung von Prüfungsausschüssen, deren Berufung sowie die Anforderungen an Prüferinnen und Prüfer sind in der Handwerksordnung verbindlich geregelt. Innerhalb dieses Rechtsrahmens bestehen jedoch Gestaltungsspielräume: So müssen die konkreten Prüfungsaufgaben nicht bundesweit identisch sein. Auch die Durchführungsweise der Prüfungen ist nicht bis ins Kleinste geregelt. Ob Prüfungen also schriftlich mit Stift und Papier oder aber digital am PC oder Laptop bearbeitet werden, liegt im Ermessen der zuständigen Prüfungsstellen.

Bestehen rechtliche Unterschiede zwischen Gesellenprüfungen, Meisterprüfungen und Weiterbildungen (z. B. Betriebswirt im Handwerk) in Bezug auf die Möglichkeit von Online-Prüfungen?

Nein, dazu bestehen keine wesentlichen Unterschiede. Die einschlägigen Verordnungen sowie das Satzungsrecht der Handwerkskammern erlauben die Nutzung digitaler Technik bei schriftlichen Prüfungen in allen Prüfungsformen. Es gibt lediglich organisatorische Unterschiede. So kann beispielsweise bei Meisterprüfungen der zuständige Prüfungsausschuss darüber entscheiden, ob die schriftliche Prüfung handschriftlich oder digital durchgeführt wird. In anderen Fällen trifft diese Entscheidung die jeweilige Handwerkskammer.

Welche Anforderungen ergeben sich aus dem Datenschutzrecht (DSGVO, BDSG) und der IT-Sicherheit für die Durchführung von Online-Prüfungen, insbesondere hinsichtlich Identitätsprüfung und Manipulationssicherheit?

Für das Prüfungswesen im Handwerk gelten die gleichen datenschutzrechtlichen Vorschriften wie in allen anderen Bereichen – Ausnahmen gibt es keine, Prüfungen müssen „rechtssicher“ sein. Insbesondere bei der digitalen Durchführung schriftlicher Prüfungen schreiben die rechtlichen Bestimmungen vor, dass die eingesetzten Systeme gewährleisten müssen, dass alle eingegebenen Daten den jeweiligen Prüflingen eindeutig und unveränderbar zugeordnet werden können. Stellen, die digitale Prüfungsverfahren einsetzen möchten, müssen daher vollständig den Anforderungen der DSGVO und des BDSG entsprechen, andernfalls ist der Einsatz nicht zulässig.

Wie lässt sich rechtlich sicherstellen, dass eine digital abgelegte Prüfung der rechtlichen Wertigkeit einer klassischen Präsenzprüfung entspricht?

Auch hier gelten die allgemeinen datenschutzrechtlichen Anforderungen, es gibt keine Sonderregelungen für das Handwerk. Das bedeutet, dass die eingesetzten Systeme so beschaffen sein müssen, dass die Daten der Prüflinge eindeutig zugeordnet werden können und nachträgliche Änderungen ausgeschlossen sind. Nur wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, kann eine digital abgelegte Prüfung rechtlich als gleichwertig zur klassischen Präsenzprüfung angesehen werden.

Wer legt die normativen Anforderungen (z. B. an Software, Prüfungsumgebung, Barrierefreiheit) für digitale Prüfungen im Handwerk fest?

Ein Teil der normativen Anforderungen ist rechtlich geregelt, zum Beispiel was die Prüfungsumgebung angeht. Die konkrete Auswahl der verwendeten Soft- und Hardware liegt hingegen im Ermessen der jeweiligen Prüfungsstelle. Sie muss dabei selbstverständlich sicherstellen, dass die verwendeten Prüfungsmethoden rechtssicher und diskriminierungsfrei sind und auch von allen Prüflingen genutzt werden können.

Mit welchen rechtlichen Risiken, etwa im Hinblick auf Anfechtung von Prüfungsergebnissen, muss gerechnet werden, wenn Prüfungen digital durchgeführt werden?

Sofern die rechtlichen Anforderungen wie der Schutz vor nachträglicher Datenmanipulation oder die Störungsfreiheit der Systeme erfüllt werden, ist grundsätzlich nicht davon auszugehen, dass sich die Anzahl von Anfechtungen bei digitalen Prüfungen maßgeblich erhöht. Sind die entsprechenden Vorkehrungen getroffen, ist das Risiko, dass es zu einer Anfechtung der Prüfung kommt, vergleichbar, unabhängig davon, ob es sich um eine digitale oder handschriftliche Prüfung handelt.

Sind dort, wo digitale Prüfungen zulässig sind, diese verbindlich bzw. kann ein Prüfling eine Schriftform einfordern (etwa wg. mangelnder digitaler Affinität)?

Ein Wahlrecht bezüglich der Durchführungsform besteht in der Regel nicht. Im Falle von Einschränkungen oder Behinderungen können aber Maßnahmen zum Nachteilsausgleich getroffen werden. Und was natürlich vor jeder digitalen Prüfung grundsätzlich ermöglicht werden muss, ist das Testen der Prüfungssoftware. Das stellt sicher, dass die Prüflinge in der eigentlichen Prüfungssituation nicht an der technischen Bedienung scheitern.

Unter welchen Voraussetzungen können Handwerkskammern Pilotprojekte für digitale Prüfungsformate starten, ohne gegen geltendes Recht zu verstoßen?

Solche Voraussetzungen sind nicht erforderlich, da alle rechtlichen Grundlagen zur Durchführung digitaler Prüfungen bereits bestehen. Solange die geltenden Rechtsvorschriften eingehalten werden, steht somit der Umsetzung digitaler Prüfungsformate, auch im Rahmen von Pilotprojekten, nichts im Wege. Insofern gilt: Rechtsvorschriften beachten und loslegen.

Wo sieht der ZDH aus rechtlicher Sicht den größten Reform- oder Anpassungsbedarf, damit die Digitalisierung im Prüfungswesen rechtssicher vorangetrieben werden kann?

Da bereits entsprechende Grundlagen definiert sind, die eine rechtssichere Nutzung digitaler Prüfungsverfahren ermöglichen, sieht der ZDH aktuell keinen Reformbedarf. Natürlich ist das der momentane Sachstand. Als Zentralverband beobachten wir laufend die technologische Entwicklung im Bereich der Prüfungsformate. Wenn sich daraus künftig neue Anforderungen ergeben, die eine Anpassung des Rechtsrahmens erforderlich machen, werden wir selbstverständlich prüfen, was sinnvollerweise geändert werden müsste und uns für entsprechende Neujustierungen einsetzen.

Sollte es auch Sicht des ZDH das Ziel sein, künftig eine Rechtsrahmen zu schaffen, in dem alle theoretischen Prüfungen im Handwerk bundesweit digital abgelegt werden können/müssen (im Zuge des Trends zur Digitalisierung aller Arbeits- und Wirtschaftsbereiche)?

Digitale Prüfungen im Handwerk sind rechtlich schon jetzt möglich, die Grundlagen dafür bestehen bereits. Wichtig ist zu bedenken: Wer nach einer flächendeckenden, einheitlichen Digitalisierung ruft, muss auch die damit verbundenen technischen, sicherheitsbezogenen und finanziellen Anforderungen mitdenken. Digitale Prüfungen stellen hohe Anforderungen an Technik, Wartung und Sicherheit, womit Kosten einhergehen. Gerade bei kleinen Prüfungsgruppen sind die Kosten für digitale Prüfungen häufig nicht wirtschaftlich. Deshalb ist es gut, dass wir beides haben: digitale Prüfungsverfahren, wo sie sinnvoll und praktikabel sind, und klassische Wege, wenn es besser passt. Für die Handwerksorganisation ist dieser flexible Ansatz der richtige Weg. Aktuell besteht daher kein Bedarf für eine rechtliche Änderung.

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