"Bau-Turbo" flankiert von Reformen birgt Chancen fürs Handwerk

Foto: ZDH/Henning Schacht
Schnellere Planungs- und Genehmigungsverfahren im Wohnungsbau eröffnen dem Bauhandwerk Perspektiven, nötig sind dafür aber zudem flankierende Reformen, so ZDH-Präsident Jörg Dittrich zu Clemens Noll-Velten (handwerk.com/Norddeutsches Handwerk).
Wie bewertet der ZDH die vom Bundeskabinett beschlossene Planungsbeschleunigung durch den sogenannten "Bau-Turbo" – insbesondere im Hinblick auf Chancen und Risiken für Handwerksbetriebe?
Die Mobilisierung von Wohnbauland und Verfahrensvereinfachungen können Handwerksbetrieben im Baugewerbe mehr Aufträge bringen und sich als Schub für das Bauhandwerk erweisen. Die Betriebe brauchen Aufträge und sind bereit, Fahrt aufzunehmen. Wichtig ist aber, dass neues Wohnbauland nicht vorrangig auf Gewerbeflächen entsteht, wodurch dann das Handwerk verdrängt wird. Die neue Dynamik muss durch beschleunigte Verfahren begleitet werden. Deshalb müssen auch die ausgesetzten Planungs- und Genehmigungsverfahren parallel reformiert werden, damit auch über 2030 hinaus schnell und nachhaltig geplant werden kann.
Welche Impulse erhoffen Sie sich von der Reform für das Bauhandwerk, gerade in Bezug auf Auftragslage, Investitionsbereitschaft und Bürokratieabbau?
Ein häufig gehörter Satz: "Bauen dauert viel zu lange!" Dabei ist es nicht der eigentliche Bau, sondern die endlosen Verfahren, die eine Investitionsentscheidung bis zur Vollendung so langwierig machen. Schnellere Verfahren machen Wohnungsbauinvestitionen attraktiver. Das ist ein entscheidender Hebel. Gut, dass die neue Bundesregierung das erkannt hat. Um eine nachhaltige Wirkung zu erzielen, müssen nun auch die Verfahren auf Landesebene beschleunigt und unnötige Normen abgebaut werden. Dieser Prozess sollte begleitet werden von einer Neustrukturierung des Fördersystems vom sozialen über den frei finanzierten Wohnungsbau bis hin zum Eigentumsbau. Wenn all diese Maßnahmen ineinandergreifen, kann das die aktuelle Misere des Baugewerbes auflösen. Der sogenannte ‚Bau-Turbo‘ sendet ein Signal für sinnvollen Bürokratieabbau. Wichtig für das Handwerk ist an dieser Stelle eine Verstetigung, die auch über 2030 hinausreicht.
Gleichzeitig steht eine Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns im Raum. Wie beurteilt der ZDH das Spannungsfeld zwischen Beschleunigung auf der einen und Kostensteigerungen auf der anderen Seite?
Der steigende Mindestlohn bedeutet Preissteigerungen, wenn die Produktivität nicht im selben Maß steigt. Ich setze darauf, dass die unabhängige Mindestlohnkommission im Rahmen ihrer Gesamtabwägung alle zu bedenkenden Argumente betrachtet. Neben der Frage der steigenden Lebenshaltungskosten für Arbeitnehmer muss man sich auch an der realwirtschaftlichen Lage orientieren. Der Spielraum für weitere Belastungen ist begrenzt. Die Politik hätte auch die Möglichkeit, für mehr Verdienst zu sorgen durch echte Sozialversicherungsreformen, die die Sozialabgabenlasten spürbar verringern. Wenn ausschließlich nur steigende Kosten auf das Handwerk wirken, wird es für die lohnintensiven Gewerke eine strukturelle Überforderung geben.
Welche politischen Maßnahmen wären aus Sicht des ZDH notwendig, um einer möglichen Mehrbelastung für das Handwerk durch höhere Lohnkosten entgegenzuwirken - etwa durch gezielte Entlastungen oder Fördermaßnahmen?
Der Besuch beim Bäcker oder der Ölwechsel in der Kfz-Werkstatt darf für die breite Masse der Menschen nicht unbezahlbar werden. Um lohnintensive Leistungen nicht weiter zu benachteiligen, braucht es Entlastungen an anderer Stelle. Das Investitionssofortprogramm setzt hier einen Impuls, muss aber durch geplante Maßnahmen wie die angekündigte Strompreissenkung oder eine spürbare Bürokratieentlastung, etwa bei der Lieferketten- und Nachhaltigkeitsdokumentation, flankiert werden. Zudem führt an der überfälligen Reform der Sozialversicherungen kein Weg vorbei. Die Bundesregierung muss den Mut aufbringen, einen verfassungsfesten Gesamtsozialversicherungsbeitragsdeckel von 40 Prozent einzuziehen, sonst wird handwerkliche Arbeit zunehmend unbezahlbar.