Zentralverband des
Deutschen Handwerks
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30.07.2020

Vorläufige Befreiung von der Belegausgabepflicht abgelehnt

Das Sächsische Finanzgericht hat mit Beschluss (Az. 4 V 212/20) den Erlass einer einstweiligen Anordnung auf vorläufige Befreiung von der Belegausgabepflicht wegen fehlender sachlicher Härte abgelehnt.

Hintergrund

Mit dem Gesetz zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen wurde zum 1. Januar 2020 eine allgemeine Belegausgabepflicht eingeführt (§ 146a Abs. 2 S. 1 AO). Bei Verkauf von Waren an eine Vielzahl von nicht bekannten Personen können die Finanzbehörden nach § 148 AO aus Zumutbarkeitsgründen nach pflichtgemäßem Ermessen von einer Belegausgabepflicht befreien (§ 146a Abs. 2 S. 2 AO). Der Beschluss des Sächsischen Finanzgericht ist die erste bekannt gewordene Entscheidung zur Frage der Befreiung von der Belegausgabepflicht.  

Dem Beschluss liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Die Antragstellerin betreibt in einem Hauptbahnhof eine Verkaufsfiliale der Bäckerei X als deren Kommissionärin und vertreibt nach ihrem unwidersprochenen Vorbringen eine Vielzahl geringwertiger Waren (Backwaren, Kaffee) überwiegend an Reisende und damit an eine Vielzahl nicht bekannter Personen.  

Der erkennende Senat führte in den Gründen u.a. wie folgt aus: „(…) Denn eine Befreiung steht gemäß § 146a Abs. 2Satz 2 AO im pflichtgemäßem Ermessen der Finanzbehörde (§ 5 AO), wobei die Pflicht zur Belegausgabe dem betroffenen Unternehmer nach § 148 AO unzumutbar sein muss. Aufgrund des Verweises auf § 148 AO durch § 146a Abs. 2 Satz 1 AO gelten dessen inhaltliche und formale Maßgaben (…). …  

Für sich allein nicht ausreichend ist jedenfalls, wie bereits erörtert, der Umstand, dass die Antragstellerin Waren an eine Vielzahl von nicht bekannten Personen verkauft. Ebenfalls nicht näher substantiiert, sondern nur pauschal behauptet hat die Antragstellerin, die große Vielzahl an Verkaufsvorgängen verzögere sich durch die Belegausgabepflicht und die Entsorgung der von der Kundschaft abgelehnten Belege. Gleiches gilt für das Vorbringen, die zeitliche Verzögerung jedes einzelnen Verkaufsvorgangs durch die Belegausgabepflicht führe im Ergebnis dazu, „dass nicht immer alle KundInnen rechtzeitig bedient werden können und darum einzelne KundInnen vorzeitig den Verkaufsstand verlassen“, womit „konkrete, allerdings nicht exakt bezifferbare Umsatzeinbußen verbunden“ seien (Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten vom 25.02.2020). Zwar könnte eine durch die Belegausgabe entstehende Umsatzbeeinträchtigung, weil eine Warteschlange entstehen oder sich verlängern würde, die Unzumutbarkeit der Belegausgabe grundsätzlich begründen (vgl. Klein, AO, 14. Aufl. 2018, § 146a Rn. 30). Freilich wird dies angesichts der Pflicht zur Verwendung eines modernen Aufzeichnungssystems nur ausnahmsweise der Fall sein (vgl. Klein a.a.O. Rn. 30), und bedürfte jedenfalls einer genauen und substantiierten Darlegung der genauen Abläufe im Betrieb der Antragstellerin und des Ausmaßes der Beeinträchtigungen, woran es hier aber vollständig fehlt.

Auch ansonsten ist nichts für eine Unzumutbarkeit der Belegausgabe auf Seiten der Antragstellerin ersichtlich. Maßgeblich hierfür ist auch, dass die Belegausgabepflicht nach§ 146a Abs. 2 Satz 1 AO seit dem 01.01.2020 nicht nur die Antragstellerin trifft, sondern in gleicher Weise eine unbestimmte Vielzahl anderer Steuerpflichtiger, die sich in einer vergleichbaren Lage wie die Antragstellerin befinden und in gleicher Weise mit der Belegausgabepflicht belastet sind. Die mit der Belegausgabepflicht unzweifelhaft verbundenen Erschwerungen des Betriebsablaufs betreffen alle Steuerpflichtigen gleichermaßen, die – wie die Antragstellerin - ein Aufzeichnungssystem i.S. von § 146a Abs. 1 Satz 1AO einsetzen. Sie sind vom Gesetzgeber bewusst und „sehenden Auges“ in Kauf genommen worden, um das mit der Maßnahme verfolgte Ziel einer „verstärkten Transparenz“ zu erreichen (zu diesem Ziel vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses vom 14.12.2016, BT-Drs. 18/10667, Seite 26). Über Sinn oder Unsinn der gesetzlichen Regelung hat der Senat nicht zu befinden.  

Im Übrigen hat die Antragstellerin auch keinen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass die Antragstellerin infolge der Belegausgabe-pflicht in eine wirtschaftliche Notlage geraten würde, die geeignet wäre, die erforderliche Dringlichkeit einer vorläufigen Regelung glaubhaft zu machen.“    

Hinweis

In der Praxis läuft die Befreiungsvorschrift regelmäßig leer, da die Finanzverwaltung die Hürden für die Gewährung einer Ausnahme zu hoch ansetzt und dem Vernehmen nach nur eine geringe Anzahl von Anträgen positiv beschieden wurden.  

Erste Fachaufsätze haben sich dieses Themas angenommen und kommen hinsichtlich der Frage, ob es sich bei der Formulierung „nach § 148 AO aus Zumutbarkeitsgründen“ um eine Rechtsgrund- oder einer Rechtsfolgenverweises handelt, zu unterschiedlichen Ergebnissen (vgl. Doege, Die (un-)mögliche Befreiung von der Belegausgabepflicht, DStR 2020, 692 ff.; Bergan, Die (un-)mögliche Befreiung von der Belegausgabepflicht, Replik zu Doege DStR 2020, 692, zugleich Anmerkung zu FG Sachsen v. 1.4.2020 – 4 V 212/20, DStR 2020, 1354 ff.).      

Daniela Jope