Zentralverband des
Deutschen Handwerks
Zentralverband des
Deutschen Handwerks
06.10.2023

Ausweg aus dem Paragrafendschungel gesucht – und gefunden?

Keine politische Kür, sondern gesetzgeberische Pflicht, so erklärt ZDH-Präsident Dittrich die Notwendigkeit zu einem entschlossenen Bürokratieabbau. Im Gastbeitrag für das "handwerk magazin" legt er dar, warum die Zeit der Ankündigungen vorbei sein muss.
Aktenarchiv mit Hängeordnern. Hinter dem Regal ist ein Mann zu sehen, der Büroarbeit leistet.

Der Koalitionsvertrag liest sich mit seiner Aufzählung an Initiativen und Projekten zum Bürokratieabbau wie ein Best-of der Vorschläge aus dem Handwerk. Ob Praxischecks, Beschleunigung von Genehmigungsverfahren oder Digitalisierung: Nach einem auch beim Bürokratieabbau zähen Ende der vorherigen Legislatur gab der Koalitionsvertrag regelrecht Anlass zur Vorfreude. Ganz nach dem Handwerksmotto: Anpacken und machen!

Aber Vorfreude ist nur dann die schönste Freude, wenn das langerwartete Ereignis auch irgendwann eintritt. So weicht die anfängliche Euphorie nach und nach regelrechter Enttäuschung. Denn anstatt Belastungen für Handwerksbetriebe abzubauen, weist der Bürokratieindex der Bundesregierung für das letzte Jahr einen deutlichen Anstieg für die Wirtschaft auf. Das ist ein nicht zu überhörendes Alarmsignal.

Hier wäre das neue Deutschlandtempo kombiniert mit einem echten Entlastungs-Sofort-Programm die richtige Reaktion gewesen. Stattdessen gibt die Bundesregierung Anfang des Jahres eine Verbändeabfrage für Entlastungsvorschläge in Auftrag, obwohl allein die umfassenden Vorschläge des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH) seit Jahren bekannt sind. Damit wurde wichtige Zeit verspielt. Zeit, die Handwerksbetriebe trotz anhaltender Phasen multipler Krisen aufbringen müssen, um Dokumentationen und Gefährdungsanalysen zu erstellen oder Informations- und Berichtspflichten zu erfüllen, anstatt sie in die handwerkliche Kerntätigkeit zu investieren. Das schlägt gerade im Handwerk, wo Betriebsinhaberinnen und -inhaber selbst mit anpacken, hart ins Kontor. Kann es dann noch verwundern, wenn immer mehr junge Meisterinnen und Meister allein aus Sorge vor Bürokratie den Schritt in die Selbstständigkeit nicht wagen? Erneut ertönt das Alarmsignal.

Ja, die Bundesregierung weiß um diese existenzielle Auswirkung belastender Bürokratie im Handwerk. Und ja, sie hat mit einem Digitalisierungscheck, der Einrichtung eines Zentrums für Legistik und mit Initiativen zur Beschleunigung von Genehmigungsverfahren erste Projekte auf den Weg gebracht. Das ist gut und wichtig. Aber über allem steht das, was Betriebe am meisten brauchen: Einen Ausweg aus dem Paragrafendschungel. Dass dies möglich ist, zeigt das Ergebnis der Verbändeumfrage Anfang des Jahres. Dass dies noch nicht geschehen ist, liegt am nach wie vor schleppenden Tempo der Bundesregierung. Anstelle wirkungsvoller Maßnahmen beschließt der Staatssekretärsausschuss einen Fahrplan für ein Bürokratieentlastungsgesetz und das Bundeskabinett kommt in Meseberg nicht über ein rudimentäres Eckpunktepapier hinaus. Das Vertrösten der Betriebe auf bessere Zeit geht weiter. Die Probleme vor Ort aber bleiben.    

Entlastung ist keine politische Kür, sondern gesetzgeberische Pflicht. Der Gesetzgeber muss auch da hingehen, wo es wehtut. Aber ohne politischen Mut und die Entschlossenheit, wirklich etwas zu ändern, wird es nicht gehen. Politik muss sich ehrlich machen: Es geht letzten Endes um weniger Vorschriften, mehr Vertrauen in die Rechtschaffenheit der Wirtschaft und Ausnahmeregelungen für kleine und mittlere Betriebe. Die Zeit der Ankündigungen ist endgültig vorbei. Was jetzt zählt, ist das Machen.

Nahaufnahme eines roten Hängeregisters

Bürokratie und Überregulierung

Viele Inhaberinnen und Inhaber von Handwerksbetrieben verbringen zunehmend mehr Zeit mit der Bewältigung administrativer Anforderungen als mit der Ausübung ihres Handwerks.

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