Handwerk braucht Entlastung und eine faire Mittelstandspolitik
Foto: ZDH/Henning Schacht
Es gilt das gesprochene Wort.
Ich danke Ihnen, sehr geehrter Herr Bundeskanzler, sehr geehrter Herr Ministerpräsident, herzlich, dass Sie sich heute die Zeit genommen haben, das Bildungszentrum der Handwerkskammer Dresden zu besuchen. Besonders freut es mich, dass Sie mit Auszubildenden, Ausbilderinnen, Meisterschülern und Betriebsinhaberinnen gesprochen haben, also mit denen, die berufliche Bildung täglich mit Leben füllen.
Was Sie heute erlebt haben – ob im Energieeffizienzzentrum, in der Metallbau-Werkstatt, im Austausch mit den Juniormeistern oder bei der Demonstration digitaler Schweißtechnik – steht beispielhaft für ein Handwerk, das Praxisnähe mit Hightech, Tradition mit Zukunft verbindet und was moderne Ausbildung im Handwerk ausmacht.
Leider blieb heute keine Zeit für einen Besuch im KI- und Robotikbereich unseres Bildungszentrums. Dort hätten Sie eindrucksvoll sehen können, wie sehr KI und Digitalisierung auch im Handwerk längst angekommen sind. Repetitive, monotone oder körperlich belastende Arbeiten werden von Robotik übernommen, damit mehr Raum bleibt für das, was Handwerk im Kern auszeichnet: Präzision, Kreativität und Qualität.
Dass wir Ihnen ein solch modernes Zentrum zeigen konnten, freut uns. Doch es ist leider nicht die Regel. In vielen Regionen besteht ein riesiger Investitionsstau, sind die Bildungszentren baulich und technisch in die Jahre gekommen. Während an die Hochschulen Milliarden fließen, müssen wir für unsere “Hochschulen des Handwerks” oft um vergleichsweise überschaubare Beträge ringen. Es braucht eine Verstetigung und Aufstockung der Finanzierung. Vor allem aber muss das Bundes-Sondervermögen gezielt für die Modernisierung beruflicher Bildungsinfrastruktur genutzt werden.
Um Ausbildung für junge Menschen attraktiv zu halten, braucht es moderne Lernumgebungen, aktuelle Technologien und eine gleichwertige gesellschaftliche Wertschätzung. Es ist gut, dass die neue Regierung die Gleichwertigkeit beruflicher und akademischer Bildung gesetzlich über den Deutschen Qualifikationsrahmen verankern will. Doch entscheidend wird sein, dass daraus ein gleichwertiges politisches Handeln folgt. Die Fachkräftesicherung über die berufliche Bildung ist zentral für unser Land: Alle Wenden – sei es Energie, Klima oder Mobilität – werden nur mit handwerklichen Fachkräften gelingen.
Gleichzeitig erleben viele Betriebe, dass der wirtschaftliche Spielraum kleiner wird. Bürokratie, steigende Anforderungen, komplexe Verfahren: All das nimmt ihnen Zeit und Energie. Immer mehr junge Meisterinnen und Meister werden durch Bürokratie abgeschreckt, einen Betrieb zu gründen. Nicht Zweifel am eigenen handwerklichen Können, sondern die Sorge vor der Last an Vorschriften hält sie davon ab.
Bundeskanzler Merz und seine Bundesregierung zeigen mit dem Kabinettsentwurf zum Vergabebeschleunigungsgesetz Rückgrat, indem sie am Primat der Fach- und Teillosvergabe und damit an fairen Wettbewerbschancen des Handwerks und Mittelstands festhalten. Umso inakzeptabler ist es, dass einige Länder dieses Grundprinzip mit fadenscheinigen Ausnahmen wie “zeitlichen” oder “sachlichen Gründen” aushebeln wollen. Damit würde die Gesamtvergabe zur Regel. Diese mittelstandsfeindlichen Versuche müssen sofort gestoppt werden. Ich fordere die Länder auf: Beenden Sie dieses Agieren und stehen Sie zu einer Vergabepolitik, die Wettbewerb stärkt, statt ihn zu schwächen.
Als Handwerk benennen wir Probleme nicht, um zu klagen oder gar die Lage schlechtzureden, sondern im Gegenteil: Weil wir Verantwortung tragen und uns sorgen. In den Betrieben wächst das Gefühl, dass politische Versprechen zu selten in konkrete Erleichterungen münden. Und dass Leistung zu wenig anerkannt wird. Deshalb braucht es spürbare Entlastungen, einfachere Verfahren, mehr Vertrauen, weniger Kontrolle, mehr Ermöglichung.
Daher unterstützen wir ausdrücklich das Schreiben, das Sie, Herr Bundeskanzler, gemeinsam mit europäischen Regierungschefs an die EU-Kommission gerichtet haben. Die drei Schritte mit Blick auf Bürokratie – überprüfen, reduzieren, zurückhalten – sprechen uns aus der Seele. Das von Ihnen geforderte neue “Mindset der regulatorischen Zurückhaltung” ist dringend notwendig, auf europäischer wie nationaler Ebene. Der “Stop-the-Clock”-Grundsatz für neue Regulierungsvorhaben wäre ein wichtiges Signal, gerade für kleine und mittlere Betriebe und Unternehmen.
Aber Entlastung darf nicht bei der Bürokratie enden. Mit über 42 Prozent Abgabenlast ist die Belastungsgrenze für viele personalintensive Betriebe bereits überschritten. Es braucht eine generationengerechte Reform der Sozialsysteme, deren Finanzierung wirtschaftlich tragfähig für Betriebe wie Beschäftigte sein muss.
Auch steuerlich braucht es Augenmaß: Die meisten Handwerksbetriebe sind Personenunternehmen. Steuererhöhungen treffen sie direkt und entziehen ihnen Mittel, um zu investieren, auszubilden oder Innovation voranzutreiben. Gleichzeitig gilt: Wer Leistung erwartet, muss sie auch auf dem Lohnzettel sichtbar machen. Die Beschäftigten brauchen spürbar mehr Netto vom Brutto.
Das Handwerk ist bereit, seinen Beitrag zur Transformation, Versorgungssicherheit, zum Klimaschutz und gesellschaftlichen Zusammenhalt zu leisten. Aber es braucht Rückenwind durch politische Entscheidungen, die entlasten, ermöglichen und berufliche Bildung stärken. Wer Vertrauen in die Mitte der Gesellschaft stärken will, sollte dem Handwerk mehr zutrauen. Lassen Sie uns das gemeinsam tun.
Vielen Dank.