Zentralverband des
Deutschen Handwerks
24.07.2025

Bei Sozialsystemen ist Reformaufschub nicht länger tragbar

Ein Reformaufschub bei den Sozialsystemen sei angesichts ihrer ernsten Lage nicht länger tragbar, die neue Regierung müsse generationengerechte Gesamtkonzepte auf den Weg bringen, so ZDH-Präsident Jörg Dittrich zu Andreas Hoenig von der dpa.
ZDH-Präsident Jörg Dittrich

"Wir hatten eine klare Aussage zur Stromsteuersenkung für alle, doch zu den so dringend nötigen Reformen der sozialen Sicherungssysteme gibt es nur butterweiche Aussagen. Nach dem, was wir erlebt haben, wächst bei mir die Sorge, dass jetzt wieder lange geredet, aber letztlich nicht gehandelt wird. Aber das geht nicht mehr. Wir sitzen in einem Schiff, das am Rumpf ein Leck hat. Und wenn wir dieses nicht bald abdichten, wird der Kahn komplett untergehen. Die sozialen Sicherungssysteme stecken in ernsthaften Schwierigkeiten. Schwer enttäuschend ist auch, dass die Bundesregierung der gesetzlichen Krankenversicherung ein Darlehen gewährt hat: Wovon soll dieses je zurückgezahlt werden, wenn wir jetzt schon nicht wissen, wo wir eingreifen wollen? Es ist hochbedenklich, wenn man sich in einer solchen Lage zurücklehnt, eine Kommission einsetzt und erst einmal diskutieren will. Damit versucht man sich offenkundig um unpopuläre, aber notwendige Entscheidungen herumzudrücken.

Wir brauchen endlich ein tragfähiges Gesamtkonzept und eine ehrliche Betrachtung. Eine immer kleinere Gruppe der Jüngeren kann nicht alleine dafür geradestehen, dass es zu wenig Kinder gab und nun zu viele Rentner. Deswegen gehört unter anderem die abschlagsfreie Rente mit 63 auf den Prüfstand. Zu viele Menschen nutzen sie und die fehlen in der Folge im Arbeitsprozess. Statt einer starren pauschalen Altersgrenze für alle wären vermutlich flexiblere Lösungen basierend auf den Erwerbsbiografien gerechter. Im Sinn der kleiner werdenden Gruppe junger Menschen sollte in der Gesellschaft auch noch einmal bei steigender Lebenserwartung über das Renteneintrittsalter gesprochen werden. Man kann den kompletten Anstieg der Lebenszeit nicht einfach zur Rente erklären: An diesem Punkt verlieren wir das Solidaritätsverständnis unserer jungen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Das ist auf Baustellen und in Betrieben längst Thema. Was passiert, wenn das durchschnittliche Lebensalter auf 100 Jahre ansteigt? Wissenschaftler halten das für möglich. Es gibt Länder, die das anders gelöst haben.

Das Bürgergeld darf keine Wahlleistung sein. Die Menschen, die es brauchen, sollen es bekommen, aber es muss klar an die Bedürftigkeit geknüpft sein. Das muss gesellschaftlich deutlich kommuniziert werden. Es gibt zu viele Menschen, die den Eindruck haben, dass man wählen und sich aussuchen kann: arbeiten gehen oder Bürgergeld beziehen, je nachdem, was mehr bringt. Das sorgt bei vielen schwer arbeitenden Leistungsträgerinnen und Leistungsträgern im Handwerk für Unmut und untergräbt das Prinzip der Eigenverantwortung. Das sagen mir Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer inzwischen!" 

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