Zentralverband des
Deutschen Handwerks
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Deutschen Handwerks
09.11.2022

Zukunftsgestalter gesucht

Junge Menschen müssen erfahren, dass sie im Handwerk zu Zukunftsgestaltern unseres Landes werden, betont ZDH-Präsident Wollseifer in der "Heilbronner Stimme".
Portraitfoto von Hans Peter Wollseifer auf der Dachterrasse im Haus des Deutschen Handwerks in Berlin

Hans Peter Wollseifer, Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks

 

"Deutschland steht vor großen Zukunftsaufgaben, die es nur mit dem Handwerk bewältigen kann: Klimaschutz, Energie- und Mobilitätswende, Digitalisierung und die Versorgung einer immer älter werdenden Bevölkerung. Für all das braucht es Handwerkerinnen und Handwerker, die diese Vorhaben umsetzen. Um die Chancen zu ergreifen, die sich im Handwerk bieten, müssen junge Menschen aber noch besser davon erfahren, was für eine Bandbreite an Optionen, zukunftsrelevanten Berufen und Karriereperspektiven im Handwerk steckt", so ZDH-Präsident Hans Peter Wollseifer in einem Gastbeitrag für die "Heilbronner Stimme".

Unser Land, unsere Wirtschaft und unsere Betriebe und Beschäftigten im Handwerk ächzen unter den multiplen und ineinandergreifenden Krisen: die Folgen der Corona-Pandemie, die Lieferengpässe und steigenden Materialkosten, Inflation und vor allem die explodierenden Energiekosten. Die Lage im Handwerk hat sich in den vergangenen Wochen dramatisch verschärft. Zu diesen belastenden Entwicklungen gesellt sich als zusätzliches Hindernis noch eine altbekannte Herausforderung für unsere Betriebe: der Fachkräftemangel.

Deutschland steht vor großen Zukunftsaufgaben, die es nur mit dem Handwerk bewältigen kann: Energiewende, Klimaschutz, Mobilitätswende, Nachhaltigkeit, Digitalisierung und die Versorgung einer immer älter werdenden Bevölkerung. Für all das braucht es Handwerkerinnen und Handwerker, die diese Vorhaben umsetzen. Menschen, die Solarpaneele einbauen und Ladesäulen für E-Autos installieren, die uns mit Brillen, Hörgeräten und Zahnersatz versorgen, die Heizungen austauschen, Häuser energetisch sanieren und Bäder altersgerecht umbauen – um nur einige wenige der zahlreichen Aufgaben zu nennen. Und auch die aktuelle Krisenbedrohung vieler Betriebe ändert nichts an der langfristigen Perspektive, dass dem Handwerk angesichts all der anstehenden Aufgaben in unserem Land die Arbeit in Zukunft nicht ausgehen wird.

Der fehlende Nachwuchs bei qualifizierten Fachkräften ist daher nicht nur für das Handwerk, sondern für unsere gesamte Gesellschaft und Wirtschaft eine große Herausforderung. Allein im Handwerk mit seinen 130 Berufen fehlen bereits jetzt über 250.000 Fachkräfte, Tendenz steigend. Dazu kommen rund 125.000 anstehende Betriebsübergaben allein in den kommenden fünf Jahren.

Damit wir wieder mehr junge Menschen für eine Ausbildung im Handwerk gewinnen, brauchen wir ein Umdenken in Gesellschaft und Politik. Wir brauchen eine Bildungswende hin zu mehr Wertschätzung und Anerkennung der beruflichen Bildung und der berufspraktischen Arbeit. Mehr noch: Wir brauchen die gesetzliche Verankerung und Festschreibung der Gleichwertigkeit von akademischer und beruflicher Bildung.

Immer noch gilt Vielen eine Ausbildung als Bildungsweg zweiter Klasse: Mit seiner aktuellen Kampagne unter dem Slogan: „Hier stimmt was nicht“ weist das Handwerk darauf hin, dass junge Menschen, die das Handwerk zu ihrem Beruf machen, immer noch weniger Wertschätzung erfahren als Studierende.

Auch in den zahlreichen Gesprächen mit der Regierung machen wir ganz deutlich, dass die Transformation in Deutschland nur mit starken Handwerksbetrieben und qualifizierten Beschäftigten im Handwerk funktionieren kann. Dass wir Entlastung für Ausbildungsbetriebe, Anreize für Auszubildende und Investitionen in moderne Berufsbildungsstätten brauchen, um die Fachkräfteversorgung zu sichern.

Zudem werben wir seit Jahren intensiv für unsere Ausbildungsberufe. Durch diverse Kooperationen und Projekte an Schulen bringen wir schon kleine Kinder mit dem Handwerk in Kontakt. Azubis erzählen als Ausbildungsbotschafter in Abschlussklassen von ihren Berufen. Und es gibt jedes Jahr die Wettkämpfe in Europas größtem Berufswettbewerb, dem PLW "Profis leisten was".

Um die Chancen zu ergreifen, die sich im Handwerk bieten, müssen junge Menschen aber noch besser davon erfahren, was für eine Bandbreite an Optionen, zukunftsrelevanten Berufen und Karriereperspektiven im Handwerk steckt. Deshalb setzen wir uns vehement dafür ein, dass eine entsprechende Berufsorientierung bundesweit an allen allgemeinbildenden Schulen stattfindet, auch an Gymnasien.

Mit unserem „Sommer der Berufsbildung“ machen wir bundesweit junge Menschen mit verschiedenen Veranstaltungen an verschiedenen Orten darauf aufmerksam, wie viele Chancen und Möglichkeiten im Handwerk liegen.

Und um die Ausbildung insgesamt attraktiver zu machen, haben wir neue Ausbildungswege wie das BerufsAbitur angestoßen, und haben uns dafür stark gemacht, dass der Bachelor Professional und der Master Professional als neue Abschlussbezeichnungen eingeführt werden.

Die Dringlichkeit, mit der an den einzelnen Stellschrauben gedreht werden muss, um dem Nachwuchsmangel entgegenzuwirken, wurde inzwischen seitens der Politik erkannt. Es gibt also Grund zur Hoffnung, dass die berufliche Bildung und berufspraktische Arbeit in der nächsten Zeit eine soziale und finanzielle Aufwertung erfahren werden, so dass sich dann wieder mehr Menschen für eine Ausbildung und dann Arbeit im Handwerk begeistern können.

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