Zentralverband des
Deutschen Handwerks
Zentralverband des
Deutschen Handwerks
19.10.2022

Keine Entlastung für Unternehmen in Schwierigkeiten

Der BFH hat kürzlich zur Frage entschieden, ob Unternehmen in Schwierigkeiten in 2016 Entlastungen nach § 9b, § 10 StromStG gewährt werden können.

Hintergrund:

Gemäß § 9b Abs. 1 StromStG wird auf Antrag eine Steuerentlastung für nachweislich nach § 3 StromStG versteuerten Strom, den ein Unternehmen des Produzierenden Gewerbes oder ein Unternehmen der Land- und Forstwirtschaft für betriebliche Zwecke entnommen hat und der nicht nach § 9 Abs. 1 StromStG von der Steuer befreit ist. Nach § 10 Abs. 1 StromStG wird die Steuer für nachweislich versteuerten Strom, den ein Unternehmen des Produzierenden Gewerbes für betriebliche Zwecke, ausgenommen solche nach § 9 Abs. 2 oder Abs. 3 StromStG, entnommen hat, auf Antrag nach Maßgabe der Absätze 2 bis 8 erlassen, erstattet oder vergütet, soweit die Steuer im Kalenderjahr den Betrag von 1.000 € übersteigt. Eine nach § 9b StromStG mögliche Steuerentlastung wird dabei abgezogen.

Sachverhalt:

Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Klägerin ist eine im Jahr 2008 mit einem Stammkapital von 100.000 € gegründete GmbH. Ihr nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag belief sich im Jahr 2015 auf 1.746.204 € und im Jahr 2016 auf 2.220.370 €. Sie erzielte im Jahr 2015 und im Jahr 2016 Verluste. Nach der Stellungnahme der von der Klägerin beauftragten Rechtsanwältin zur wirtschaftlichen Situation der Klägerin unter insolvenzrechtlichen Gesichtspunkten war die Klägerin bereits zum 31.12.2014 überschuldet; stille Reserven waren der Stellungnahme zufolge nicht vorhanden, es bestand jedoch eine positive Fortführungsprognose.

Für das erste Halbjahr 2016 gewährte das Hauptzollamt (HZA) der Klägerin eine Steuerermäßigung nach § 9b StromStG i. d. F. des Haushaltsbegleitgesetzes 2011 (HBeglG 2011) vom 9.12.2010. Am 21.12.2017 beantragte die Klägerin Steuerentlastungen nach § 9b StromStG für das zweite Halbjahr 2016 und nach § 10 StromStG für das gesamte Jahr 2016.

Diese Anträge lehnte das HZA mit Bescheiden vom 24.4.2018 mit der Begründung ab, dass die Klägerin ein sog. Unternehmen in Schwierigkeiten sei und daher nach Maßgabe des unionsrechtlichen Beihilferechts die beantragten Entlastungen nicht gewährt werden dürften.

Die eingelegten Einsprüche und auch die nachfolgend erhobene Klage hatten keinen Erfolg. Der BFH hatte in der Revision die Frage zu entscheiden, ob ein Unternehmen auch dann in Schwierigkeiten im Sinne des Art. 2 Nr. 18 der Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung (AGVO) ist, wenn zwar mehr als die Hälfte des gezeichneten Stammkapitals infolge aufgelaufener Verluste verlorengegangen ist, jedoch wegen der Einbindung des Unternehmens in einen Konzern eine positive Fortführungsprognose gestellt werden kann.

Begründung:

Die Revision hatte keinen Erfolg. Der erkennende Senat wies diese u.a. mit folgender Begründung ab: „Die Steuerentlastungen nach § 9b und § 10 StromStG sind unter Art. 107 Abs. 1 AEUV fallende staatliche Beihilfen und unterliegen im Streitfall dem Durchführungsverbot nach Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV, weil das in Art. 108 Abs. 3 AEUV vorgesehene Prüfungsverfahren nicht beachtet wurde und keine Ausnahmen nach Art. 107 Abs. 3 Buchst. c oder Art. 108 Abs. 4 AEUV vorliegen. (…) Das StromStG enthielt im Streitjahr (2016) im Hinblick auf die Steuerentlastungen nach § 9b und § 10 StromStG keine Einschränkungen für Unternehmen in Schwierigkeiten. Die Neuregelung in § 2a Abs. 2 Satz 1 StromStG, nach der die Inanspruchnahme oder Beantragung einer Steuerbefreiung, Steuerermäßigung oder Steuerentlastung, die als staatliche Beihilfe anzusehen ist, für Unternehmen in Schwierigkeiten nicht zulässig ist, wurde erst durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Energiesteuer- und des Stromsteuergesetzes vom 27.08.2017 (BGBl I 2017, 3299) mit Wirkung zum 01.01.2018 eingefügt und gilt deshalb jedenfalls nicht für das Streitjahr.

Allerdings bestehen für die hier zu beurteilenden Steuerentlastungen unionsrechtliche Einschränkungen für Unternehmen in Schwierigkeiten, die bereits im Streitjahr zu beachten waren. (…) …. der Klägerin keine Stromsteuerentlastung nach § 9b und § 10 StromStG gewährt werden, weil es sich hierbei um Beihilfen handelt und die Klägerin ein Unternehmen in Schwierigkeiten ist. (…)

Die Klägerin kann sich auch nicht auf eine allgemeine Genehmigung der Beihilfen nach der AGVO berufen, weil sie —wie bereits ausgeführt— als ein Unternehmen in Schwierigkeiten i.S. von Art. 2 Nr. 18 Buchst. a AGVO anzusehen ist. Denn bei der Klägerin handelt es sich nicht um ein von der Begriffsbestimmung ausgenommenes KMU. Zudem war nach den bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) zu den Bilanzstichtagen 31.12.2015 und 31.12.2016 jeweils mehr als die Hälfte des gezeichneten Stammkapitals der Klägerin infolge aufgelaufener Verluste verlorengegangen (Art. 2 Nr. 18 Buchst. a AGVO). Die Bilanzen der Klägerin haben jeweils einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag ausgewiesen; das Stammkapital war also bereits vollständig aufgezehrt.

Die vorgebrachten Einwendungen der Klägerin stehen ihrer Einordnung als Unternehmen in Schwierigkeiten nicht entgegen.

aa) Die von der Klägerin behauptete positive Fortführungsprognose ist unbeachtlich, da eine solche Einschränkung in Art. 2 Nr. 18 Buchst. a AGVO nicht vorgesehen ist (vgl. auch Möhlenkamp/Milewski, a.a.O., § 2a StromStG Rz 15; zur Ausschließlichkeit der in Art. 2 Nr. 18 AGVO genannten Kriterien s.a. Bongartz/Jatzke/Schröer-Schallenberg, a.a.O., § 2a StromStG Rz 30). Eine entsprechende Ausnahme stünde zudem im ausdrücklichen Widerspruch zu Erwägungsgrund 14 der AGVO, welcher gerade darauf abstellt, dass keine detaillierte Untersuchung notwendig sein soll (s.o., unter II.3.c bb), so dass nach dem Sinn und Zweck der Regelung für die Berücksichtigung von Prognosen kein Raum ist.

Soweit die Klägerin diesbezüglich auf die Rz 20 der Leitlinien für staatliche Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung nichtfinanzieller Unternehmen in Schwierigkeiten (ABlEU 2014, Nr. C 249, 1) verweist, nach denen ein Unternehmen in Schwierigkeiten jedenfalls nur dann für eine Beihilfe in Betracht kommt, wenn es nachweislich nicht in der Lage ist, sich aus eigener Kraft oder mit Mitteln seiner Eigentümer/Anteilseigner oder mit Fremdmitteln zu sanieren, findet diese Regelung auf den vorliegenden Fall keine Anwendung, weil sie die Gewährung einer Sanierungsbeihilfe betrifft. Im Streitfall handelt es sich jedoch um die Verweigerung einer Beihilfe an ein Unternehmen, das sich in Schwierigkeiten befindet.

bb) Auch der erstmals im Revisionsverfahren vorgetragene Einwand, die Klägerin sei wegen der vertraglichen Verpflichtung ihrer Gesellschafter, zum dauerhaften Unternehmenserhalt ausreichend Finanzmittel in der Gesellschaft zu belassen, kein Unternehmen in Schwierigkeiten, greift nicht durch.“

Schlagworte