Zentralverband des
Deutschen Handwerks
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17.09.2020

Vor dem 19. März 2020 erfolgte Vollstreckungsmaßnahmen sind nicht coronabedingt aufzuheben

Der BFH hat in einem Beschluss (Az. VII B 73/20) entschieden, dass das BMF-Schreiben betreffend „Steuerliche Maßnahmen zur Berücksichtigung des Coronavirus COVID-19/SARS-CoV-2“ vom 19.03.2020 nicht auf Vollstreckungsmaßnahmen anwenden ist, die bereits vor Bekanntgabe dieses Schreibens durchgeführt worden sind.

Hintergrund

Die Finanzverwaltung gewährt Steuerpflichtigen, die von den Folgen der Corona-Pandemie unmittelbar und nicht unerheblich betroffen sind, auf der Grundlage des BMF-Schreibens „Steuerliche Maßnahmen zur Berücksichtigung des Coronavirus COVID-19/SARS-CoV-2“ vom 19.03.2020 (IV A 3 - S 0336/19/10007 :002) verschiedene steuerliche Erleichterungen. Hierzu zählt auch, dass unter bestimmten Voraussetzungen von der Durchführung von Vollstreckungsmaßnahmen bis zum 31. Dezember 2020 bei allen rückständigen oder bis zu diesem Zeitpunkt fällig werdenden Steuern abgesehen werden soll.

Dem Beschluss liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Die Antragstellerin, ein in der EU ansässiges Unternehmen, hat erhebliche Steuerschulden, welche bereits im Jahr 2019 festgesetzt worden waren. Aufgrund dieser Rückstände richtete jener EU-Mitgliedstaat ein Vollstreckungsersuchen an Deutschland. Das zuständige Finanzamt (FA) erließ in der Folge im Februar 2020 zwei Pfändungs- und Einziehungsverfügungen gegen mehrere deutsche Banken, bei denen die Antragstellerin Konten unterhielt. Die Antragstellerin wendete sich gegen diese Vollstreckungsmaßnahmen und trug zur Begründung u.a. vor, dass sie durch die Corona-Pandemie erhebliche Einnahmeausfälle habe und daher entsprechend dem BMF-Schreiben vom 19.3.2020 von Vollstreckungsmaßnahmen abgesehen werden müsse.

Der erkennende Senat des BFH lehnte den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung als unbegründet ab und führte u.a. in den Gründen wie folgt aus: „Es bestehen außerdem auch keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der streitgegenständlichen Pfändungs- und Einziehungsverfügungen, weil das FA das BMF-Schreiben in BStBl I 2020, 262 nicht (analog) angewandt hat. Nach der Rechtsprechung des BFH ist für die Auslegung einer Verwaltungsvorschrift nicht maßgeblich, wie die Finanzgerichte die Verwaltungsanweisung verstehen, sondern wie die Verwaltung sie verstanden hat und verstanden wissen wollte. Die Finanzgerichte dürfen daher Verwaltungsanweisungen nicht nach den allgemeinen Auslegungsmethoden selbst auslegen, sondern nur darauf überprüfen, ob die Auslegung durch die Behörde möglich ist.

Ist in einer Norm, in einer eine Norm ersetzenden Verwaltungsvorschrift oder in einem Erlass kein Zeitpunkt angegeben, ab dem die Regelung gelten soll, und lässt sich ein derartiger Zeitpunkt auch nicht durch Auslegung ermitteln, tritt die Regelung regelmäßig mit ihrer Bekanntgabe in Kraft. Im BMF-Schreiben in BStBl I 2020, 262 ist kein spezieller Zeitpunkt angegeben, ab dem die Regelungen gelten sollen. Nr. 3 Satz 2 des Schreibens lässt sich jedoch entnehmen bzw. bestätigt, dass maßgeblicher Zeitpunkt, ab dem die Verwaltung in Vollstreckungsangelegenheiten Zurückhaltung üben will, die Veröffentlichung des Schreibens (in elektronischer Form) am 19.03.2020 ist. Der Begriff des „Absehens“ i.S. der Nr. 3 Satz 1 dieses Schreibens deutet auch darauf hin, dass Maßnahmen gemeint sind, die noch nicht durchgeführt worden sind (vgl. auch Beschluss des Hessischen FG vom 08.06.2020 – 12 V 643/20, EFG 2020, 1056, Rz 25). Jedenfalls kann dem Schreiben nicht entnommen werden, dass Vollstreckungsmaßnahmen, die vor Veröffentlichung dieses Schreibens ergriffen worden sind, wieder aufzuheben oder rückabzuwickeln sind. Bei diesem Befund ist davon auszugehen, dass die Verwaltungsanweisung mit ihrer Bekanntgabe in Kraft getreten ist. Ließe sich dieses Ergebnis nur durch Auslegung ermitteln, hält der beschließende Senat ein solches Verständnis des BMF-Schreibens zumindest für möglich.

Somit könnten auch Inländer in einer vergleichbaren Situation eine AdV nicht unter Berufung auf dieses Schreiben erreichen.“

Daniela Jope