Zentralverband des
Deutschen Handwerks
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30.07.2020

Die Corona-Soforthilfe unterliegt dem Pfändungsverbot

Das Finanzgericht Münster hat in einem Beschluss (Az. 11 V 1541/20 AO) entschieden, dass die sog. Corona-Soforthilfe als zweckgebundene Forderung nicht übertragbar ist und damit dem Pfändungsverbot nach § 851 Abs. 1 ZPO unterliegt.

Hintergrund

Voraussetzung für den Erlass einer Regelungsanordnung i.S.d. § 114 Abs. 1 S. 2 FGO ist, dass der Antragsteller den Anspruch, aus dem er sein Begehren herleitet (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit (Anordnungsgrund) schlüssig darlegt und deren Voraussetzungen gemäß § 114 Abs. 3 FGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO glaubhaft macht. Ein Anordnungsgrund besteht, wenn eine einstweilige Regelung in Bezug auf das streitige Rechtsverhältnis zur Abwendung wesentlicher Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Das ist der Fall, wenn ohne eine vorläufige Regelung die wirtschaftliche oder persönliche Existenz des Antragstellers bedroht wäre.  

Dem Beschluss lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der Antragsteller unterhält ein Konto bei der Sparkasse, welches als Pfändungsschutzkonto nach § 850k ZPO geführt wird. Bezüglich des Kontos erließ das Finanzamt (FA) eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung wegen rückständiger Umsatzsteuer und Umsatzsteuer-Vorauszahlungen 2015 sowie rückständiger Verspätungszuschläge zur Umsatzsteuer 2015. Mit der Drittschuldnererklärung erklärte die Sparkasse unter anderem, dass das Konto kein pfändbares Guthaben ausweise und vorrangige Pfändungen vorlägen. Der Antragsteller beantragte beim FA die Freigabe der Corona-Soforthilfe, die das FA ablehnte.  

Der erkennende Senat gab dem Antrag statt und führte in den Gründen u.a. wie folgt aus: „(…) Vorliegend wird durch die Einziehung des Girokonto-Guthabens, das durch den Billigkeitszuschuss in Form der Corona-Soforthilfe erhöht wurde, die Zweckbindung des Billigkeitszuschusses beeinträchtigt. Denn die Corona-Soforthilfe erfolgt ausschließlich zur Milderung der finanziellen Notlagen des betroffenen Unternehmens bzw. des Selbständigen im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie. Sie dient insbesondere zur Überbrückung von Liquiditätsengpässen, die seit dem 01.03.2020 im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie entstanden sind. Nicht umfasst sind vor dem 01.03.2020 entstandene wirtschaftliche Schwierigkeiten bzw. Liquiditätsengpässe. Sollte die Corona-Soforthilfe aufgrund der „Kontopfändung” von dem Antragsgegner eingezogen werden, könnte ihr Zweck nicht erfüllt werden. Im Übrigen dient sie gerade nicht der Befriedigung von Gläubigeransprüchen, die vor dem 01.03.2020 entstanden sind, sondern nur solchen, die seit dem 01.03.2020 im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie entstanden sind. Im Ergebnis dient die Corona-Soforthilfe somit nicht dem Zweck, die vor dem 01.03.2020 entstandenen Ansprüche des Antragsgegners zu befriedigen.  

Der Antragsgegner ist auch kein Anlassgläubiger, der von der Zweckgebundenheit der Corona-Soforthilfe geschützt wäre. Die bewilligte Soforthilfe soll vollumfänglich zur Kompensation der unmittelbar durch die Corona-Pandemie ausgelösten wirtschaftlichen Engpässe genutzt werden. Dem jeweiligen Empfänger soll die Entscheidung obliegen, welche Forderungen mit höchster Relevanz für die Existenzsicherung ausgestattet sind (bspw. Mietforderungen, Lieferantenforderungen) und daher vorrangig durch den Zuschuss bedient werden sollen. Die Soforthilfe soll für die Deckung der laufenden Betriebskosten des Unternehmens eingesetzt werden. So könnte der Anspruch auf Corona-Soforthilfe etwa zugunsten von aktuellen Vermietern, Leasinggebern oder Lieferanten des Schuldners gepfändet werden. Altgläubiger aus der Zeit vor der Corona-Pandemie – so wie im vorliegenden Fall der Antragsgegner – können auf die Corona-Soforthilfe hingegen nicht im Wege der Forderungspfändung zugreifen (vgl. LG Köln, Beschluss vom 23.04.2020 39 T 57/20, rkr.). (…)  

Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die Rechtmäßigkeit der Inanspruchnahme der Corona-Soforthilfe durch den Antragsteller im Rahmen der Billigkeitsentscheidung nach § 258 AO nicht entscheidungserheblich ist. Die Frage, ob der Antragsteller einen Anspruch auf die Corona-Soforthilfe hat und, falls nicht, diese an das Land Nordrhein-Westfalen zurückzuzahlen ist, kann zuvorderst von der diesen Zuschuss bewilligenden Bezirksregierung geprüft werden. Bezüglich der Finanzverwaltung – und somit auch hinsichtlich des Antragsgegners – ist vorgesehen, dass die Bezieher der Corona-Soforthilfe diese in ihrer Steuererklärung für 2020 als steuerpflichtige Einnahmen erklären. Das zuständige Finanzamt habe so die Möglichkeit nach dem Eingang der Steuererklärung, die Plausibilität der Inanspruchnahme im Nachhinein zu überprüfen.“      

Daniela Jope

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