Zentralverband des
Deutschen Handwerks
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30.07.2020

Anforderungen an die Darlegung des Anordnungsgrundes

Das Finanzgericht Münster hat in einem kürzlich veröffentlichten Beschluss (Az. 8 V 1791/20) die Anforderungen an die Darlegung des Anordnungsgrundes bezüglich der Vollstreckung in ein Konto, auf das die sog. Corona-Soforthilfe eingezahlt wurde, dargelegt.

Hintergrund

Voraussetzung für den Erlass einer Regelungsanordnung i.S.d. § 114 Abs. 1 S. 2 FGO ist, dass der Antragsteller den Anspruch, aus dem er sein Begehren herleitet (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit (Anordnungsgrund) schlüssig darlegt und deren Voraussetzungen gemäß § 114 Abs. 3 FGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO glaubhaft macht. Ein Anordnungsgrund besteht, wenn eine einstweilige Regelung in Bezug auf das streitige Rechtsverhältnis zur Abwendung wesentlicher Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Das ist der Fall, wenn ohne eine vorläufige Regelung die wirtschaftliche oder persönliche Existenz des Antragstellers bedroht wäre.  

Dem Beschluss lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der Antragsteller ist mit einem Einzelunternehmen als freiberuflicher Architekt tätig. Er unterhält ein Konto, welches als Pfändungsschutzkonto bei einer Sparkasse geführt wird. Bezüglich des Kontos erließ der Antragsgegner in den Jahren 2017 bis 2019 vier Pfändungs- und Einziehungsverfügungen. Der Antragsteller erhielt eine Corona-Soforthilfe i.H.v. 9.000 Euro bewilligt, welche auf seinem Konto bei der Sparkasse gutgeschrieben wurde.  

Mit Schreiben vom 03.06.2020 beantragte der Antragsteller beim Antragsgegner Vollstreckungsschutz für die Corona-Soforthilfe. Zur Begründung verwies er auf einen Beschluss des Landgerichts (LG) Köln vom 23.04.2020 (39 T 57/20) und einen Beschluss des Finanzgerichts (FG) Münster vom 13.05.2020 (1 V 1286/20 AO). Der Antragsgegner lehnte den Antrag auf vollständige Freigabe des sich auf dem Konto derzeit und zukünftig befindlichen Guthabens mit Verfügung vom 04.06.2020 ab. Es bleibe dem Antragsteller unbenommen, unter Erbringung der erforderlichen Nachweise (Kontoauszüge, Kostenaufstellungen, etc.) einen Antrag auf Pfändungsschutz nach § 319 AO i.V.m. §§ 850 ff. ZPO für bestimmte Beträge zu stellen. Der Antragsteller hat am 25.06.2020 (per unmittelbar in den Hausbriefkasten des Finanzgerichts eingeworfenen Brief) den vorliegenden Antrag gestellt.  

Der erkennende 8. Senat des FG Münster lehnte den Antrag als unbegründet ab und führte in den Gründen ua. wie folgt aus: „Der Antragsteller hat nicht hinreichend dargelegt, dass die Pfändung der Corona-Soforthilfe in Höhe der noch nicht verbrauchten 6.642,82 EUR existenzgefährdende Folgen für ihn hat. Der Antragsteller hat insbesondere nicht substantiiert dargelegt, für welche aufgelaufenen oder anstehenden Betriebsausgaben aus dem Bewilligungszeitraum er die Corona-Soforthilfe benötigt. (…) Der pauschale Hinweis auf aufgelaufene Betriebskosten aus Miete, Nebenkosten, Kommunikationskosten, Internet und Webpräsenz bleibt ebenfalls ohne weitere Erläuterungen im Hinblick auf die Existenzgefährdung und Bezifferung. (…) Für den Senat ist zudem nicht erkennbar, dass die Tätigkeit des Antragstellers als Architekt durch die Corona-Pandemie eingebrochen ist. Der Antragsteller hat insoweit dargelegt, dass er als freiberuflicher Architekt mit regionalen und überregionalen Partnern in der Sparte Architektur, Innovation und regionaler Kreislaufwirtschaft in urbanen Kontexten kooperiere. Seine Arbeit sei stark wissensbasiert. Zukunftsfähige urbane Lösungen benötigten neue Formen der interdisziplinären Zusammenarbeit in sogenannten urbanen Innovationsdistrikten mit dem Schwerpunkt Klima, Energie, hybride Formen des Arbeitens und Wohnens bzw. intelligenter urbaner Mobilität. Ob und wie konkret die Corona-Pandemie die Einnahmen aus dieser wissensbasierten Tätigkeit im Förderzeitraum beeinträchtigt hat, ist für den Senat nicht nachvollziehbar.  

Vor diesem Hintergrund kann der Senat nicht erkennen, dass der Antragsteller bei Nichtauszahlung der Corona-Soforthilfe in seiner Existenz gefährdet ist. Es kommt hinzu, dass der Antragsteller nichts dazu mitteilt, ob der Versuch, eine Stundung auch der Miet- und Stromrechnungen zu erreichen, unternommen worden ist. Ferner berücksichtigt der Antragsteller in seinem Vorbringen nicht, dass mit dem Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht vom 27.03.2020 (BGBl I 2020, 569) mit Wirkung zum 01.04.2020 eine Reihe von Erleichterungen für Schuldner ins Werk gesetzt worden sind, wie z.B. eine Beschränkung der Kündigung von Miet- und Pachtverhältnissen wegen pandemie-bedingter Mietrückstände (Art. 240 § 2 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche – EGBGB –) sowie ein Leistungsverweigerungsrecht für Verbindlichkeiten aus (sonstigen) Dauerschuldverhältnissen für Kleinstunternehmen (Art. 240 § 1 Abs. 2 EGBGB). Hierauf hat der Antragsgegner zurecht hingewiesen (vgl. auch FG Münster, Beschluss vom 16.06.2020 4 V 1584/20 AO, zur Veröffentlichung vorgesehen).

Ferner hat der Antragsteller nicht dargelegt, inwiefern sein Umsatz durch die Corona-Pandemie eingebrochen ist. Der Senat hat angesichts dessen keinerlei Vorstellung davon, welche konkreten Umsätze der Antragsteller vor und nach Beginn der Pandemie erzielt hat, wie sich die betriebliche Situation entwickelt hat und zum derzeitigen Zeitpunkt konkret darstellt. Die behördlichen Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie sind zwischenzeitlich in weiten Teilen zurückgefahren worden. Ein öffentliches Leben findet wieder statt. Hinzu kommt, dass nach dem Kenntnisstand des Senats die Tätigkeit von Architekten (jedenfalls betreffend Bauplanung und Bauaufsicht) durch die Corona-Pandemie nicht nachhaltig unterbrochen wurde. Vor diesem Hintergrund besteht die Möglichkeit, dass der Antragsteller seine stark wissensbasierte Tätigkeit nicht unterbrochen, jedenfalls wieder aufgenommen hat. Eine Glaubhaftmachung der konkreten Beeinträchtigungen ist daher nicht entbehrlich.“ 

Hinweis

Der Senat hat die Beschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung nach § 128 Abs. 3 FGO, § 115 Abs. 2 FGO zugelassen.      

Daniela Jope

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