Zentralverband des
Deutschen Handwerks
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07.10.2021

BMF: Festsetzung von Zinsen

Das Bundesministerium der Finanzen hat mit Schreiben vom 17. September 2021 veröffentlicht, wie die Festsetzung von Zinsen auf Grundlage der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts erfolgt.

Hintergrund:

Das Bundesverfassungsgericht hat in den Verfahren 1 BvR 2237/14 und 1 BvR 2422/17 mit am 18. August 2021 veröffentlichtem Beschluss entschieden, dass § 233a AO i. V. m. § 238 Abs. 1 Satz 1 AO mit Art. 3 GG unvereinbar ist, soweit der Zinsberechnung für Verzinsungszeiträume ab dem 1. Januar 2014 ein Zinssatz von 0,5 % pro Monat zugrunde gelegt wird. Für Verzinsungszeiträume bis 31. Dezember 2018 ist das bisherige Recht für weiter anwendbar erklärt worden. Für Verzinsungszeiträume ab 1. Januar 2019 gilt Folgendes:

  • § 233a i. V. m. § 238 Abs. 1 Satz 1 AO ist als Folge des Verstoßes gegen Artikel 3 Abs. 1 GG unanwendbar (Anwendungssperre).
  • Gerichte und Verwaltungsbehörden dürfen diese Normen insoweit nicht mehr anwenden, laufende Verfahren sind auszusetzen. D.h. betragsmäßig „neue“ Nachzahlungs- und Erstattungszinsen dürfen auf der Grundlage des § 233a i. V. m. § 238 Abs. 1 Satz 1 AO nicht mehr festgesetzt werden.
  • Unanfechtbare Zinsfestsetzungen, die auf der Anwendung von § 233a i. V. m. § 238 Abs. 1 Satz 1 AO beruhen, sind wegen der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts weder aufzuheben noch zu ändern (§ 79 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG entsprechend). Sie genießen Bestandskraft. Die Vollstreckung aus einer solchen Entscheidung ist - soweit sie noch nicht vollzogen ist – allerdings unzulässig (§ 79 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG entsprechend).
  • Ansprüche des Zinsschuldners gegen die Finanzbehörde aus ungerechtfertigter Bereicherung hinsichtlich bereits entrichteter Zinsen sind ausgeschlossen (§ 79 Abs. 2 Satz 4 BVerfGG).
  • Der Gesetzgeber ist verpflichtet, bis zum 31. Juli 2022 eine verfassungsgemäße Neuregelung für Verzinsungszeiträume ab 1. Januar 2019 zu treffen.

Das BMF hat im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder die Finanzämter angeordnet, dass künftig im Wesentlichen wie folgt zu verfahren ist (vgl. BMF, Schreiben vom 17. September 2021, IV A 3 – S 0338/19/10004 :005):

  • Neu zu erlassende Bescheide, mit denen eine erstmalige Festsetzung von Nachzahlungs- oder Erstattungszinsen einhergehen würde, werden von vornherein in Bezug auf diese Zinsen vorläufig „auf null“ gesetzt, bis der Gesetzgeber die Ersatzregelung geschaffen hat und das Finanzamt diese sodann auf die Fälle – ggf. rückwirkend - anwenden kann.

 

  • Bescheide, die vor der Entscheidung des BVerfG ergangen waren und die noch nicht endgültig sind, bleiben grundsätzlich weiterhin nicht endgültig, solange sie von keinem der Beteiligten „angefasst“ werden. D. h. die in den Bescheiden enthaltenen Zinsfestsetzungen sind weiterhin „in der Welt“, aber mit dem Status „vorläufig“ (= bis zur Neuregelung des Gesetzgebers), und dies auch unabhängig davon, ob die betreffenden Zinszahlungen geleistet, gestundet oder in anderer Weise ausgesetzt worden sind. Sobald der Gesetzgeber die Ersatzregelung getroffen haben wird und damit für alle Beteiligten klar sein wird, welche Änderungen sich konkret ergeben, werden die Finanzämter diese Änderungen eigenständig in jedem einzelnen Fall von sich aus vornehmen.

 

  • Bei Bescheiden, die vor der Entscheidung des BVerfG ergangen sind und die jetzt - warum auch immer - geändert werden (müssen), kommt es darauf an, ob sich durch die Änderung für den Steuerpflichtigen eine (weitere) Nachzahlung ergibt oder ob ihm etwas zu erstatten ist: Bei einer (weiteren) Nachzahlung wird das Finanzamt die diesbezüglichen (weiteren) Zinsen – wie bei den Neufestsetzungen (siehe oben) – vorläufig „auf null“ setzen. Bei einer Erstattung (wegen nachträglich verminderter Nachzahlungshöhe) wird das Finanzamt die insoweit zu viel gezahlten Zinsen mit erstatten. Maßgeblich ist also der Änderungsbetrag (nach oben bzw. nach unten). Oder umgekehrt ausgedrückt: Die Zinsen in Bezug auf den gegenüber der bisherigen Festsetzung unveränderten Teil bleiben vorläufig unangetastet – mit der Betonung auf „vorläufig“. Denn all dies gilt nur bis zur Ersatzregelung durch den Gesetzgeber.

 

  • Je nachdem, wie der Gesetzgeber sodann die Ersatzregelung ausgestaltet, werden die Finanzämter die Nachzahlungs- und Erstattungszinsen zu gegebener Zeit entsprechend neu festsetzen.

In dem BMF-Schreiben finden sich noch weitergehende Informationen, u.a. zu Nebenbestimmungen und Erläuterungstexten, die in den Bescheiden aufgenommen werden. Dieses steht auf der Internetseite des Ministeriums zum Abruf bereit und wird im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht.