Zentralverband des
Deutschen Handwerks
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20.12.2021

AO – Corona Soforthilfe-Haftungsquote

Das FG Münster hat in einem kürzlich veröffentlichten Beschluss entschieden, dass die Rückzahlung der Corona-Soforthilfe nicht in die Berechnung der Haftungsquote einzubeziehen ist.

FG Münster: Keine Erhöhung der Haftungsquote durch Rückzahlung der Corona-Soforthilfe

Hintergrund:

Nach § 191 Abs. 1 Satz 1 AO kann durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden, wer kraft Gesetzes für eine Steuer haftet (Haftungsschuldner). Gemäß § 69 Abs. 1 Satz 1 AO haften die in den §§ 34, 35 AO bezeichneten Personen, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt werden. Die Pflicht zur Steuerentrichtung muss unter Beachtung des Grundsatzes der anteiligen Tilgung von bestehenden Steuerverbindlichkeiten eingehalten werden. Reichen die finanziellen Mittel der Gesellschaft nicht zur Befriedigung aller Gläubiger aus, so begeht der gesetzliche Vertreter eine Pflichtverletzung im Sinne des § 34 Abs. 1 Satz 2 AO, wenn er es versäumt, die Steuerschulden der Gesellschaft in etwa in dem gleichen Verhältnis zu tilgen wie die Forderungen der anderen Gläubiger.

Sachverhalt:

Dem Beschluss (Az. 9 V 2341/21 K) lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Antragstellerin war alleinige Gesellschafterin und Geschäftsführerin einer UG. Das Finanzamt behandelte Gehaltszahlungen der UG an die Antragstellerin als verdeckte Gewinnausschüttung (vGA), was zu einer Erhöhung der Körperschaftsteuerfestsetzungen führte. Zwischenzeitlich wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der UG eröffnet, woraufhin das Finanzamt die Antragstellerin nach § 69 AO für die rückständigen Steuerschulden der UG in Haftung nahm.

Nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhob die Antragstellerin eine noch anhängige Klage gegen den Haftungsbescheid und beantragte für das Klageverfahren bei Gericht die Aussetzung der Vollziehung (AdV). Zur Begründung gab sie an, dass die UG eine Corona-Soforthilfe in Höhe von 9.000 € erhalten habe, die nicht für Steuerzahlungen zu verwenden gewesen sei. Von den im Haftungszeitraum getätigten Ausgaben seien ca. 2.300 € auf die Rückzahlung der Corona-Soforthilfe entfallen. Ferner habe sich die Antragstellerin durch die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht während der Pandemie durch das COVInsAG auch vor einer Haftungsinanspruchnahme geschützt gefühlt. Ohne die unerwarteten Steuernachzahlungen aufgrund der vGA hätte sie keinen Insolvenzantrag stellen müssen.

Der Antrag auf Aussetzung hatte teilweise Erfolg. Der erkennende Senat führte in den Beschlussgründen u.a. aus, dass es ernstlich zweifelhaft sei, ob der Corona-Rückzahlungsbetrag in die Berechnung der anteiligen Tilgung einzubeziehen ist, da dieser Betrag zweckgebunden und damit nicht pfändbar ist. Hieraus ergäbe sich, dass der Betrag auch nicht für alte Steuerschulden verwendet werden durfte.

Weitergehende ernstliche Zweifel, die einer (anteiligen) Tilgungsverpflichtung der

Steuerverbindlichkeiten entgegenstehen und somit eine vollständige AdV rechtfertigen würden, ergäben sich auch nicht aus dem COVInsAG. Die Antragstellerin unterläge bereits nicht den Vorschriften des COVInsAG, da die Insolvenzreife nicht gem. § 1 Abs. 1 Satz 2 COVInsAG auf den Folgen der Ausbreitung des SARS-CoV-2-Virus beruhte, sondern auf den für die Antragstellerin unerwarteten Steuerverbindlichkeiten der B UG.

„Im Übrigen wurde und wird durch das COVInsAG nur die Insolvenzantragspflicht ausgesetzt und es gelten gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 COVInsAG gewisse Zahlungen, die im ordnungsgemäßen Geschäftsgang erfolgen, insbesondere solche Zahlungen, die der Aufrechterhaltung oder Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebes oder

der Umsetzung eines Sanierungskonzepts dienen, als mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters im Sinne des § 64 Satz 2 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) vereinbar. Die Pflicht zur anteiligen Tilgung der Steuerschulden und die bei Verletzung dieser Pflicht drohende Haftung nach § 69 AO wurde jedoch nicht durch das COVInsAG suspendiert (vgl. Bacmeister/Feldgen DStZ 2020, 305, 308; Leyh, AStW 2020, 711, Tz. 3).“

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