„Alles tun, damit es zu erfolgreichen Betriebsübergaben kommt"

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„Bei rund 125.000 anstehenden Betriebsübergaben in den kommenden fünf Jahren ist es längst nicht mehr ein rein persönliches Unterfangen, eine erfolgreiche Nachfolge für den Betrieb zu organisieren, sondern es ist angesichts dieser Größenordnung von gesamtwirtschaftlicher und gesellschaftlicher Relevanz. Erfolgreiche Betriebsübernahmen sind wichtig, um attraktive Ausbildungs- und Arbeitsplätze und wertvolles Know-how zu bewahren. Es schwächt die Wirtschaftskraft Deutschlands, wenn immer weniger Nachfolgen gelingen. In einzelnen Regionen droht schon jetzt eine Mangelversorgung mit handwerklichen Leistungen, wenn dort die Zahl an Betriebsübernahmen und auch Gründungen weiter zurückgehen sollte. Das dürfen wir nicht zulassen, sondern wir und die Politik müssen aktiv alles tun, damit es zu mehr erfolgreichen Betriebsübergaben kommt.
Nachfolgern darf man den Start in die Selbstständigkeit nicht durch allzu hohe bürokratische Hürden erschweren, die gilt es aus dem Weg zu räumen und gesetzliche Vorgaben zu vereinfachen. Bund und Länder müssen prüfen, ob all die bürokratischen Vorgaben für Betriebsübernehmer, die es derzeit gibt, wirklich nötig sind. Hier gibt es eine Reihe von Ansatzpunkten, die es Betroffenen leichter machen könnten - beispielsweise indem Betriebsnutzungsgenehmigungen in Wohngebieten uneingeschränkt weiter genutzt werden könnten. Oder indem Erbschaftsteuerregelungen so gestaltet sind, dass sie sich für die Betriebsführung nicht als Hemmschuh beispielsweise für notwendige Investitionen erweisen. Wir müssen Nachfolger ermutigen und besonders auch im Steuerrecht entlasten, etwa bei der Unternehmenssteuer.
Eine Betriebsübergabe passiert nicht „mal eben so“. Was schon vor Corona galt, gilt nach Corona umso mehr: Die Beteiligten benötigen in aller Regel eine umfassende Beratung, um den Generationenwechsel erfolgreich zu bewältigen. Hier leisten unsere Fachverbände und Handwerkskammern einen wesentlichen Beitrag. Die Handwerksorganisation kann auf ein Netzwerk im Handwerk kostenfrei bei den bundesweit über 900 technischen und betriebswirtschaftlichen Beratungsstellen der Handwerkskammern und Fachverbände zurückgreifen. Die dortigen Betriebsberater begleiten die Betriebe bei allen wichtigen Fragen: Das reicht von der Unterstützung bei der Unternehmensbewertung über die Ermittlung eines fairen Kaufpreises, von der Finanzierungsplanung bis hin zur Erarbeitung und Umsetzung des Unternehmenskonzeptes nach der Übernahme. Auf solche Faktoren kommt es an, wenn eine Übergabe erfolgreich sein soll.
Die Politik muss zielgerichtet auf die Förderung von Nachfolgen wie auch Gründungen hinwirken. Das ist wichtig für die Wirtschaft, aber auch für die Gesellschaft insgesamt. Berufliche Selbstständigkeit muss wieder mehr gesellschaftliche Wertschätzung erfahren und attraktiv wirken. Neben der entsprechenden Wirtschaftspolitik sind dafür die unterstützende Ausrichtung von Bildungs-, Arbeitsmarkt- und Steuerpolitik unverzichtbar.
Erben räumt der Gesetzgeber zwar Verschonungsregelungen für Betriebsvermögen ein, diese sind aber für einen längeren Zeitraum an bestimmte Auflagen wie etwa die Höhe der Lohnsumme geknüpft. Diese Auflagen verkleinern faktisch die Spielräume zur Umstrukturierung von Geschäftsfeldern und des Personalstocks, sie können sich für den neuen Inhaber als Hypothek erweisen, weil hierdurch die Möglichkeiten zur Weiterentwicklung des Betriebs eingeschränkt werden.
Gerade aktuell zeigt sich, dass die derzeitigen Regelungen für die Erbschaftbesteuerung in Krisenzeiten zur Belastung werden können. Die erbschaftsteuerlichen Regelungen müssen aus Sicht des Handwerks so angepasst werden, dass fortgeführten Betrieben in Pandemiezeiten nicht auch noch Steuernachzahlungen für die Fälle drohen, dass sie unverschuldet - wegen Schließungen, eingeschränkter Geschäftsmöglichkeiten oder der Nutzung von Kurzarbeitergeld - die Lohnsumme nicht erreichen, die notwendig ist, um von der Erbschaft- oder Schenkungssteuer verschont zu werden. Verschontes Betriebsvermögen muss nach den derzeitigen Regelungen innerhalb der vom Gesetzgeber vorgesehenen Fristen nachversteuert werden, wenn beispielsweise Mitarbeiter entlassen werden müssen oder der Betrieb aufgegeben werden muss.
Die Perspektive beruflicher Selbständigkeit muss jungen Menschen wieder attraktiv erscheinen, denn nur dann werden sie den Schritt in die Selbstständigkeit wagen. Dafür muss ihnen früh ein Gefühl für Unternehmertum und unternehmerisches Denken vermittelt werden. Wir brauchen ein reguläres Unterrichtsfach Wirtschaft/Unternehmertum an Schulen, um dadurch mehr Verständnis für wirtschaftliche Abläufe zu wecken und Einblicke in die Unternehmenswelt zu vermitteln. Für viele Jugendliche ist das nämlich leider ein völlig weißes Blatt. Durch Betriebspraktika könnten Jugendliche sehr anschaulich erfahren und erleben, was es heißt, einen Betrieb zu führen.
Es fehlen jede Menge potenzielle Betriebsnachfolgerinnen und Betriebsnachfolger, auch wegen des demografischen Wandels. Sicher ist: Die Arbeit wird Handwerksbetrieben nach der Krise und ganz sicher in der Zukunft nicht ausgehen, denn Handwerkerinnen und Handwerker sind in der Daseinsvorsorge tätig und zudem auf allen für die Zukunft relevanten Feldern wie der Energie- und Mobilitätswende, dem Klimaschutz und dem Ausbau der analogen wie digitalen Infrastruktur. Deshalb sollten all diejenigen, die vor Corona über eine Nachfolge nachgedacht haben, diesen Traum jetzt nicht wegen Corona aufgeben.“