Zentralverband des
Deutschen Handwerks
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Deutschen Handwerks
09.08.2021

„Wir müssen die Betriebe entlasten, nicht belasten“

ZDH-Präsident Wollseifer spricht sich im Interview mit der „dpa“ gegen zusätzliche Belastungen der Betriebe bei Steuern, Sozialabgaben und Bürokratie aus.
Portraitfoto von Hans Peter Wollseifer vor blauer Handwerksleinwand im Haus des Deutschen Handwerks in Berlin

Hans Peter Wollseifer, Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks

„Wir müssen die Betriebe entlasten und nicht belasten: bei Steuern, bei Sozialabgaben und der Bürokratie. Wir brauchen starke Betriebe. Dann schaffen sie Arbeitsplätze, bilden mehr aus und Zahlen mehr Steuern vor Ort“, so Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer gegenüber Andreas Hoenig von der „dpa“.

Klimaschutz

"Klimaschutz kostet Geld. Und dieses Geld erwirtschaften unsere Betriebe, die hohe Steuern und Abgaben zahlen, eine hohe Beschäftigung und gute Ausbildung sichern. Wir müssen die Betriebe entlasten und nicht belasten. Das gilt in der Steuerpolitik, bei den Sozialabgaben und der Bürokratie. Wir brauchen starke Betriebe. Dann schaffen sie Arbeitsplätze, bilden mehr aus und zahlen mehr Steuern vor Ort. All das ist wichtig, um die großen Verpflichtungen, die wir in der Corona-Zeit eingegangen sind und noch eingehen müssen, auch wieder zurückzuzahlen. Es soll doch keiner ernsthaft glauben, dass wir mit ein bisschen Steuererhöhung hier und ein bisschen Steuererhöhung da diese Kosten bewältigen können. Das ist eine Aufgabe von mindestens 10 Jahren. Wir fordern eine faire und verantwortliche Vorgehensweise der politisch Handelnden. Die immensen Corona-Kosten dürfen nicht allein beim Mittelstand hängen bleiben. Auch die Kosten für den Klimaschutz dürfen nicht hauptsächlich beim Mittelstand hängen bleiben. Klug wäre es, Anreize zu schaffen, die Umsätze ankurbeln und damit Steuereinnahmen ermöglichen.

Sozialabgaben

Die Sozialabgaben müssen dauerhaft bei maximal 40 Prozent begrenzt werden. Das Handwerk ist sehr lohn- und personalintensiv. Das hat zur Folge, dass wir in unseren Kalkulationen einen hohen Lohnanteil haben. Dieser Lohnanteil wird stark beeinflusst durch Sozialabgaben. Die Sozialgarantie muss unbedingt über das Jahr 2021 hinaus gelten.
 
Wir sollten uns die Sozialabgaben noch mal genau anschauen. Wir müssen die Sozialsysteme zukunftssicher aufstellen und sollten dabei den Grundsatz beherzigen, dass gesamtgesellschaftliche Aufgaben und Lasten auch durch die Allgemeinheit finanziert werden. Beitragszahler müssen bei versicherungsfremden Leistungen entlastet werden, auch um zu einer Beitragsgerechtigkeit zu kommen und die Finanzierung der Sozialabgaben nicht vor allem auf den Schultern von Arbeitnehmern und Arbeitgebern zu belassen. In der Pflege müssen wir uns fragen, ob wir nicht mehr private Vorsorge brauchen und auch einiges mehr gesamtgesellschaftlich finanzieren müssen. Bei der Krankenversicherung wiederum ist es so, dass der Staat sich einen schlanken Fuß macht bei ALG II-Beziehern. Denn derzeit zahlt der Staat nur ein Drittel von dem, was er eigentlich zahlen müsste. Die Differenz sind fast 10 Milliarden Euro. Damit könnten wir schon den Beitragssatz senken. Es gibt viele Ansatzpunkte, die Sozialabgaben bei 40 Prozent zu halten. Sonst laufen wir Gefahr, dass sich die Sozialabgaben bis zum Jahr 2040 auf 50 Prozent erhöhen. Das wäre aber nicht verkraftbar.

Steuern

Wir brauchen eine Gleichbehandlung von Personengesellschaften mit Kapitalgesellschaften, damit Handwerker nicht mehr Steuern zahlen als große Konzerne. Wir brauchen eine Thesaurierungsrücklage, die hoch genug angesetzt ist und funktioniert. Betriebe müssen investieren können. Dann setzen sie mehr um. Dann beschäftigen sie mehr Menschen. Dann bezahlen sie auch mehr Steuern. Nur so wird ein Schuh daraus.

Keinesfalls darf es in der nächsten Legislaturperiode zu Steuererhöhungen kommen. Das wäre Gift für die wirtschaftliche Entwicklung der Betriebe gerade in der Nach-Corona-Aufbauphase."

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